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„Die Zeitenwende braucht es nicht in der Truppe“ - Peter Tauber spricht über Bundeswehr

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Von: Andreas Ungermann

Der frühere Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber besucht als Mentor Offiziersanwärter in der Luftwaffe auf der Wasserkuppe.
Der frühere Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber besucht als Mentor Offiziersanwärter in der Luftwaffe auf der Wasserkuppe. © Andreas Ungermann

Der frühere Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber aus dem Main-Kinzig-Kreis spricht im Interview mit der Fuldaer Zeitung über die Zeitenwende, Werte für Offiziere und die Akzeptanz der Bundeswehr.

Fulda - Historiker, Reserveoffizier, Christ – so beschreibt sich Dr. Peter Tauber selbst. Im Gespräch mit unserer Zeitung im Zuge eines Besuchs auf der Wasserkuppe bewertet der 48-Jährige, der aus Wächtersbach im Kinzigtal in Hessen stammt, die Zeitenwende und verrät, wie hoch er den Wert der Militärseelsorge einschätzt.

Herr Tauber, Sie waren als Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium viel in der Truppe unterwegs. War das ein Herzensanliegen für Sie?

Ich musste Parlamentariern die Truppe erklären. Das wollte ich authentisch tun. Das geht mit Bildern von vor Ort viel besser, als aus Akten heraus. Das eigene Erleben ist durch nichts zu ersetzen. Ich lerne in Geschichten, nicht abstrakt. Dann kam hinzu, dass ich selbst Major der Reserve bin.

Peter Tauber im Interview: Die Zeitenwende braucht es in der Gesellschaft

Nun sind Sie Mentor für einen Jahrgang der Offiziersanwärter in der Luftwaffe. Ist das eine Art Ersatz?

Nein, das ist vor allem eine Freude. Die Aufgabe wurde aus der Luftwaffe an mich herangetragen, obwohl ich ja als Reservist im Heer sozialisiert bin. Für mich eine große Ehre. Ich habe die jungen Männer und Frauen schon in Fürstenfeldbruck an der Offizierschule besucht. Jetzt möchte ich sehen, was sie hier auf der Wasserkuppe lernen – und das bei einem Heimspiel für mich.

Wo sehen Sie Ihre Aufgabe als Mentor?

Es wird viel zu selten darüber geredet, was für tolle Menschen in der Bundeswehr sind, was sie antreibt und motiviert. Mir ist es ein Anliegen, dass sie wahrgenommen und wertgeschätzt werden, denn sie haben nichts mit dem Klischee der Generation Z gemeinsam: Sie sind zielstrebig und motiviert – auch wenn sie vielleicht anders auf sich achten und manches anders hinterfragen als wir früher. Man darf den jungen Menschen zurufen: „Du machst etwas Besonderes.“

Wir müssen uns [bei der Beschaffung] von der Versandhausmentalität verabschieden.

Peter Tauber, Mentor für Offiziersanwärter

Hat sich mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und der Zeitenwende das Berufsbild der Soldaten gewandelt?

Die allermeisten Kameradinnen und Kameraden wissen, was ihr Beruf bedeutet. Da braucht es in der Truppe keine Zeitenwende. Die eigentliche Zeitenwende braucht es in der Gesellschaft. Wir müssen verstehen, dass Demokratie und Freiheit einen Wert und ein Preisschild haben. Unseren Soldatinnen und Soldaten wissen, dass sie selbst dieses Preisschild tragen, weil sie im Zweifel ihr Leben einsetzen, um uns zu verteidigen.

Wie schätzen Sie die Wahrnehmung der Bundeswehr in der Bevölkerung ein?

Ich halte nichts von der These des freundlichen Desinteresses. Das Gegenteil ist der Fall: Die Deutschen interessieren sich für ihre Armee. Sie wissen nur wenig über sie. Die Zustimmung war schon immer höher als man gemeinhin denkt. Das belegen Zahlen. Die Anerkennung ist aber aktuell noch einmal gestiegen.

Zur Person: Peter Tauber

Dr. Peter Tauber wurde im August 1974 in Frankfurt geboren und wuchs im Main-Kinzig-Kreis auf, wo der Christdemokrat auch seine ersten politischen Schritte wagte – unter anderem in seiner Heimatstadt Wächtersbach. Nach dem Abitur am Grimmelshausen-Gymnasium in Gelnhausen studierte Tauber Geschichte, Germanistik und Politikwissenschaft an der Johann Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt.

Unterbrochen wurde das Studium von seinem Wehrdienst. Heute ist Tauber Major der Reserve. 2009 zog der heute 48-Jährige als direkt gewählter Abgeordneter in den Bundestag ein und wurde Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Sein weiteres Interesse gilt digitalen Themen.

Von 2013 bis 2018 war der bekennende Christ Generalsekretär der CDU Deutschlands und von 2018 bis 2021 Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium, bevor er sich aus gesundheitlichen Gründen aus der großen Politik zurückzog. Nach einer Station bei Engelbert Strauss machte sich Peter Tauber als Berater selbstständig. Zudem habilitiert Tauber seit 2021 am historischen Institut der Universität der Bundeswehr in München.

Am Dienstag, 16. Mai, spricht Tauber im Bonifatiushaus in Fulda.

Wäre der Staatsbürger in Uniform aber nicht noch besser in der Gesellschaft verankert, wenn wir noch die Wehrpflicht hätten?

Ich denke nicht. Die Bundeswehr war noch nie ein so genaues Abbild der Gesellschaft wie heute. Wir haben Männer, Frauen, Deutsche mit Einwanderungsgeschichte in der Armee. Das wird oft nur nicht deutlich. Die wenigen Idioten, die rechtsextrem sind – und ja schnell entlassen werden – bekommen zu viele Schlagzeilen. Die vielen positiven Beispiele werden aber zu selten erzählt.

Und wie sieht es mit der Wehrpflicht als Rekrutierungsinstument aus?

Es gibt genug junge Menschen, die den Soldatendienst leisten wollen; davon bin ich überzeugt. Aber wir werden andere Strukturen ausbauen müssen. Wichtig wäre es, die Reserve ernstzunehmen. Dazu muss man auch sagen, dass wir ein moderner Arbeitgeber sind, was die Rahmenbedingungen angeht. Wir müssen aber eben auch so ehrlich sein, dass der Beruf viel verlangt und im Zweifel alles nehmen kann.

Wie können solche Formen aussehen?

Wir haben mit dem Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz ein gutes Instrument. Und in Wahrheit ist das gar nicht neu. Wir hatten früher eine komplette Struktur mit Heimatschutzbataillonen. Das sind Kräfte, die wir dringend brauchen. Und junge Menschen, die sich in der Reserve engagieren, aber nicht auf Dauer den Soldatenberuf ergreifen wollen, gibt es genug. Das zeigen die Zahlen ....

Video: Bundesregierung schnürt Milliarden-Rüstungspaket für die Ukraine

Wenn es um die Bundeswehr geht, wird immer wieder von marodem und fehlendem Material gesprochen. Was bedeutet das für die Zeitwende?

Wir haben ein dickes Brett zu bohren. Wir füllen ja seit 2014 zunächst die leeren Regale auf. Mit der Zeitenwende soll das nun noch schneller gehen. Aber wir müssen uns von der Versandhausmentalität verabschieden und von dem Gedanken lösen, dass wir heute die Zeitenwende ausrufen und morgen sind neue Kampfjets, Panzer und Fregatten einsatzbereit.

Und wir müssen so ehrlich sein, dass der Verteidigungsetat wieder sinkt. Durch den Ukrainekrieg hat die Bundeswehr durch das abgegebene Material sogar eine schlechtere Einsatzbereitschaft als vor Kriegsbeginn, weil die Bundesregierung zu langsam in der Nachbeschaffung ist. 

Dennoch will ich anerkennen: Das Sonderprogramm von 100 Milliarden war gut und wichtig und auch kommunikativ gut von Olaf Scholz. Ich bin ja sonst nicht dafür bekannt, sozialdemokratische Kanzler zu loben. Nun habe ich aber die Sorge, dass der Elan schon wieder nachlässt.

Sie sagen, dass der Elan wieder nachlässt. Minister Boris Pistorius will aber das Gegenteil. Wie beurteilen Sie ihn?

Mit Blick auf seine Vorgängerin hat es der Minister ja leicht, zu strahlen. Aber im Ernst: Er macht seine Sache bis jetzt gut. Nur die Zeitenwende wird nicht funktionieren, wenn alle denken, lass den Minister mal machen. Das Geld muss der Finanzminister geben und derzeit sieht es nicht danach aus, dass die Bundesregierung der Bundeswehr das notwendige Geld gibt. Die 100 Milliarden täuschen darüber hinweg, dass der Etat erstmals seit 2014 wieder gesunken ist. Wir sind weit davon entfernt, unsere Verpflichtungen im Bündnis erfüllen zu können. 

Online erscheint eine gekürzte Fassung. Das komplette Interview mit Peter Tauber lesen Sie in der Printausgabe der Fuldaer Zeitung (16. Mai) und im E-Paper.

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