Razzia gegen „Letzte Generation“: Vermieter Sonnerden bestätigt Durchsuchung in Vereinsräumen

Im Rahmen der Razzia gegen die Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ am Mittwoch haben Ermittler offenbar Vereinsräume in Gersfeld durchsucht. Das berichtet der Hessische Rundfunk. Der Vermieter „Sonnerden“ bestätigt nun die Durchsuchung.
Update vom 26. Mai, 8.07 Uhr: Im Rahmen der Durchsuchung von bundesweit rund 15 Objekten, die im Zusammenhang mit der „Letzten Generation“ stehen sollen, waren am Mittwoch (24. Mai) auch Räume in einer Kleinstadt in Osthessen in den Fokus der Ermittler geraten. Dass es sich dabei um den Raum des Vereins „Elinor Treuhand e.V.“ handelt, hat nun das genossenschaftlich organisierte Wohnprojekt „Sonnerden“ gegenüber unserer Zeitung bestätigt - „Sonnerden“ hat diesen Raum an „Elinor“ vermietet.
Razzia gegen „Letzte Generation“ - Vermieter bezieht Stellung
Johannes Brockhaus und Jonas von der Gathen, beide Gründer und Genossen des Zukunftsdorfs Sonnerden, ist es wichtig zu betonen, dass die Entwickler der „Elinor“-Plattform in der Vergangenheit mit großem gesellschaftlichem Engagement aktiv gewesen seien. „,Elinor‘ hat 2020 die Initiative Kunst-Nothilfe gestartet, die unbürokratisch über 500 Auszahlungen an durch Corona notleidende Künstlerinnen und Künstler vornehmen konnte“, sagt von der Gathen.
„Außerdem startete ,Elinor‘ am Tag des Ukraine-Überfalls eine Webseite, die über 60.000 Schlafplätze für Geflüchtete vermittelt hat und dafür breite Anerkennung gefunden hat“, ergänzt Brockhaus. Trotzdem betonen sie beide, dass „Elinor“ ein eigenständiges und von „Sonnerden“ unabhängiges Unternehmen ist.
„Welche Protestformen angesichts einer unzureichenden Klimapolitik legitim sind, wird unter uns nachbarschaftlich kontrovers diskutiert. Wir unterstützen weder kriminelle Organisationen noch die Kriminalisierung legitimer Proteste und hoffen auf eine fundierte und sachliche juristische Aufarbeitung des aktuellen Geschehens“, sagen beide abschließend. Der Geschäftsführer von „Elinor“ wollte sich gegenüber unserer Zeitung aufgrund des laufenden Verfahrens inhaltlich nicht zu der Durchsuchung äußern.
Erstmeldung vom 25. Mai, 15.06 Uhr:
Gersfeld - Mit einer großangelegten Razzia in sieben Bundesländern sind Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch gegen die Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ vorgegangen. In Hessen gab es im Kreis Fulda Durchsuchungen. Die Behörden äußerten sich bislang nicht dazu, wo genau die Maßnahmen stattfanden. Nur von einer Kleinstadt war die Rede.
Nun berichtet der hr, dass die Durchsuchungen in der Rhön durchgeführt wurden. Demnach sollen sich die Ermittler den Sitz des Vereins „Elinor Treuhand“ in Gersfeld vorgenommen haben. „Elinor Treuhand“ bietet Gruppen und Vereinen an, über eine Onlineplattform Geld zu sammeln und zu verwalten. Ein solches Konto soll Medienberichten zufolge auch die „Letzte Generation“ genutzt haben.
Razzia gegen „Letzte Generation“ - Durchsuchungen in der Rhön
Wie der Spiegel schreibt, hatte „Elinor Treuhand“ das Konto der „Letzten Generation“ im März gekündigt. Danach seien die Finanzierung offenbar über einen Umweltverein in Hamburg gelaufen. Auch dort sollen die Ermittler Räume durchsucht haben.
Auf hr-Anfrage hätten sich die Betreiber der Onlineplattform am Donnerstag nicht zu den Durchsuchungen äußern wollen. Auch eine Anfrage unserer Zeitung blieb bislang unbeantwortet.
Nach der Razzia gegen die Klima-Protestgruppe „Letzte Generation“ betonten die Aktivisten am Donnerstag, dass eine Radikalisierung nicht zu befürchten ist und ihre Proteste weitergehen. Die Durchsuchungen von 15 Wohnungen am Mittwoch hätten Wunden in das Vertrauen in einen Staat geschlagen, „der friedliche Protestierende wie Schwerverbrecher behandelt“, teilte die Gruppe am Donnerstag mit. Man erfahre nun viel Unterstützung und werde Proteste, Blockaden und Demonstrationen in den nächsten Tagen und Wochen auf ganz Deutschland ausweiten.
Internetseite wieder online - „Letzte Generation“ will Proteste ausweiten
Auch mit einer eigenen Internetseite sind die Aktivisten wieder online. Einen Tag nach den Durchsuchungen ist nun eine neue Internetadresse geschaltet. Dafür nutzt die Gruppe keine deutsche „.de“-Domain mehr, sondern die Adresse letztegeneration.org.
Die Klimaschutzaktivisten haben es auch geschafft, die bisherige und am Mittwoch durch die Ermittler eigentlich abgeschaltete Adresse auf das neue Ziel umzuleiten. Bereits kurz nach der Razzia wegen des Verdachts der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung hatte die Gruppe vorübergehend von der stillgelegten Seite auf den Twitter-Account der Letzten Generation umgeleitet. „Das staatliche Vorgehen soll einschüchtern, Angst machen“, erklärten sie. „Doch wir können und werden uns nicht erlauben, in dieser Angst zu verharren.“
Video: „Letzte Generation“ will nach Razzia weiter Widerstand leisten
Die federführende Generalstaatsanwaltschaft in München hatte am Donnerstag keine Erklärung dazu, wie es zu der Weiterleitung von der alten auf die neue Adresse kam. Die Umleitungen seien nicht durch die Ermittlungsbehörden veranlasst worden, sagte Oberstaatsanwalt Sebastian Murer. „Die Domain ‚.de‘ ist weiterhin beschlagnahmt.“
Die Ermittlungen laufen gegen sieben Beschuldigte, auch Konten der Gruppe wurden beschlagnahmt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die „Letzte Generation“ Spenden zur Finanzierung von Straftaten sammelt. Auf der neuen Internetseite ruft die Gruppe nun erneut zu Spenden auf. Ob die Generalstaatsanwaltschaft hier wieder Kontensperrungen veranlassen will, ließ der Sprecher offen. Aufgrund der laufenden Ermittlungen könne dazu nichts gesagt werden. (lio, tf, dpa)