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Bei Untersuchung von Quellen: Seltene Eiszeitrelikte in der Rhön gefunden

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Kartierung und Untersuchung einer Quelle im Ulstertal (Hessen).
Kartierung und Untersuchung einer Quelle im Ulstertal (Hessen). © Stefan Zaenker

In diesem Jahr wurden insgesamt 103 weitere Quellen in der Rhön untersucht. In den Biotopen finden sich zwar noch seltene spezialisierte Arten wie Rhönquellschnecke und Alpenstrudelwurm – die wertvollen Lebensräume sind aber immer stärker gefährdet.

Rhön - Der Schwerpunkt der Kartierung lag in der Kennzeichnung der faunistischen Besiedelung der Quellen, über die auch Aussagen zum Zustand der Quellbiotope getroffen werden können. Außerdem wurden physikalische Parameter – Temperatur, pH-Wert, Leitfähigkeit – gemessen und das Pflanzenvorkommen an den Quellen erfasst, heißt es in einer Mitteilung des Biosphärenreservats Rhön.

Rhön: Seltene Eiszeitrelikte bei Untersuchung von Quellen gefunden

Die Kartierungsarbeiten werden im Auftrag der Verwaltungen des Biosphärenreservats Rhön vom Landesverband für Höhlen- und Karstforschung Hessen ausgeführt, der schon im Jahr 1996 mit der Erfassung von Quellstandorten in der Rhön begonnen hat. Mit Stand Oktober 2022 sind derzeit im Naturraum Rhön nun 3950 Quellen kartiert – 2600 in Hessen, 771 in Thüringen und 579 in Bayern –, in denen 2641 Tierarten nachgewiesen werden konnten.

„Damit dürfte die Rhön weiterhin das am besten untersuchte Mittelgebirge Europas sein“, bilanziert der Quellen-Experte Stefan Zaenker aus Fulda im aktuellen Untersuchungsbericht. Auf hessischer Seite wurden in diesem Jahr im Oberen Ulstertal bei Wüstensachsen 52 Quellen kartiert und untersucht. Die Quellen liegen im mittleren Buntsandstein – ein Teil befindet sich in Feldgehölzen oder in feuchten Erlenwäldern, der Rest auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, also Mäh- und Weideflächen.

Die gute Qualität der unbeeinträchtigten Quellen ist durch den Nachweis verschiedener Leitarten dokumentiert. So wurden beispielsweise Grundwasser besiedelnde Krebsarten nachgewiesen – wie Grundwasserflohkrebse der Gattung Niphargus. „Die Funde sprechen für ein weitgehend intaktes Ökosystem im Grundwasserkörper des Biosphärenreservats“, erklärt Stefan Zaenker. (Lesen Sie hier: „Ein Höhlenforscher und seine Mission“: Hessischer Rundfunk zeigt Film über Stefan Zaenker)

Die endemisch nur in der Rhön und im Vogelsberg sowie in den angrenzenden Randbereichen des Spessarts und des Fulda-Haune-Tafellandes vorkommende Rhönquellschnecke (Bythinella compressa) konnte in Hessen in 23, in Thüringen in vier der untersuchten Quellen festgestellt werden.

Länderübergreifende Erfassung und Erforschung von Quellbiotopen auch in 2022 fortgesetzt

An jeweils vier Standorten wurde zudem Crenobia alpina gefunden – ein besonderes Tier mit dem einprägsamen deutschen Namen Alpenstrudelwurm. Besonders ist die Art, weil sie als Glazialrelikt, also „eiszeitliches“ Relikt gilt, und weil sie zudem ein Anzeiger für absolut sauberes Wasser ist. Als krenobionte Art gilt die Vierkant-Quellköcherfliege (Crunoecia irrorata), deren Larven sowohl in Hessen (sechs Standorte) und in Thüringen (acht Standorte) nachgewiesen wurde. „Es sollte alles dafür getan werden, den bisherigen Zustand dieser Quellen zu erhalten oder zu verbessern.“

Denn: Viele der Quellen sind vor allem durch landwirtschaftliche Nutzung (Eutrophierung, Viehvertritt), aber auch durch Fassungen, Drainagen, Wasserentnahmen für die Teichwirtschaft und Müllablagerungen gefährdet. Der jährliche Untersuchungsbericht enthält daher auch Maßnahmenvorschläge für die Verbesserung der Quellstandorte und deren Erhalt als Lebensraum für eine Vielzahl quellspezifischer Tier- und Pflanzenarten. So werden zum Beispiel in Hessen gefasste Quellen stückweise zurückgebaut und Wanderhindernisse für Tierarten entfernt.

„Gerade im Hinblick auf die Klimaveränderungen ist es enorm wichtig, die Kartierungsarbeiten im Biosphärenreservat auch in Zukunft fortzusetzen, da bisher nur ein Teil der Quellstandorte bekannt ist und hinsichtlich des Artenspektrums noch einige zoologische Überraschungen zu erwarten sind“, betont Stefan Zaenker. Erstmals in Deutschland wird hier eine Mittelgebirgsregion flächendeckend und länderübergreifend untersucht – nach einheitlichen Standards. Die Verwaltungen des Biosphärenreservats setzen das Projekt daher auch im kommenden Jahr fort – dann auch wieder auf der bayerischen Seite. (ah)

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