In der Tanner Nachbarstadt Geisa befindet sich die älteste Bäckerei Thüringens, die 1557 gegründete Bäckerei Faber. Deren Inhaber Uwe und Elisabeth Schneider verstehen sich auf die Herstellung des Brots, das in Geisa „Berges“ ausgesprochen und im ostjiddischen als „Challa“ oder „Challe“ bezeichnet wird. Berches leitet sich vom Hebräischen Berachot ab, was Segenssprüche bedeutet.
„Wir haben Berges schon immer gebacken. Das war unser traditionelles Festtagsbrot an Weihnachten, Silvester und Ostern“, erklärt Elisabeth Schneider. Erst in den 90er-Jahren „stolperte“ die Bäckermeisterin über den Namen und stieß so im Internet und im Kasseler Brotmuseum auf den eigentlichen Ursprung.
Auch in Haunetal-Rhina, wo ebenfalls eine große jüdische Gemeinde beheimatet war, ist die Spezialität noch bekannt. Kurt Bolender berichtet, dass in Rhina sowohl jüdische als auch christliche Haushalte Berches zubereiteten, die dann gemeinsam in der jüdischen Bäckerei in den Ofen geschoben wurden.
In Tann dagegen ist das Sabbatbrot in Vergessenheit geraten. „Es gab zahlreiche jüdische Viehhändler und Fleischer, aber an eine Bäckerei kann ich mich nicht erinnern“, sagt Altbürgermeister Dieter Herchenhan, einer der geladenen Zeitzeugen. Dafür ist die Vermischung anderen Brauchtums dokumentiert.
Antje Dänner, die sich seit acht Jahren intensiv mit der jüdischen Geschichte ihrer Heimatstadt befasst, zeigt aus ihrer Sammlung alter Fotos das Bild einer Faschingsveranstaltung aus dem Jahr 1926. Christliche und jüdische Einwohner feiern gemeinsam in Verkleidung, weil mit dem jüdischen Purimsfest und dem christlichen Karneval zwei ausgelassene Feste aus zwei Kulturkreisen zusammenfielen. „Sie waren unsere Nachbarn“, unterstreicht Dänner.
Seit 1991 erinnert ein Gedenkstein am Standort der ehemaligen Synagoge an die Vernichtung der jüdischen Gemeinde. Mit den Stolpersteinen möchten die Initiatoren zudem verdeutlichen, dass die 54 ermordeten Jüdinnen und Juden zur Tanner Gesellschaft gehört haben.
Am Steinweg (Kreuzung Ludwigstraße) werden am 15. Februar um zehn Uhr von Künstler Gunter Demnig die ersten Stolpersteine verlegt. Dazu ist die Öffentlichkeit ebenso eingeladen wie zu der abendlichen Feier. Finanziert werden die handgearbeiteten Steine über Spenden, die der KGV extra für diesen Zweck gesammelt hat.
(Von Sandra Limpert)