Im Gehege der Schleier- und Waldohreulen sind Vorsicht und Fingerspitzengefühl gefragt: Auf Abstand bleiben und keine großen Bewegungen machen. Die Tür muss Kircher schnell schließen, sonst könnten sie aus dem Gehege fliehen. Mit ihren beeindruckend großen, orangenen Augen beobachten sie ihn aus der Ferne.
Nächster Stop: „Mäh, mäh, mäh.“ Die Rhönschafe können es kaum erwarten. Dank Dieter Kircher ist der Wassertrog schnell gefüllt: „Wasser ist mit das Wichtigste bei der Hitze.“ Die Mufflons nebenan sind Wildschafe aus Sardinien. Sie sehen und hören sehr gut – bei der kleinsten Störung schrecken sie auf und brechen ihr Fressen ab. Ganz nach dem Motto: überleben statt Hunger stillen.
Bereits 1970 gab es die Idee, einen sogenannten „Hochwildschutzpark“ in Gersfeld zu errichten, um den Fremdenverkehr anzukurbeln. Die Idee kam auch beim Land Hessen gut an: Dank Fördermitteln konnte der erste Bauabschnitt mit 350.000 DM umgesetzt werden. Zu Beginn, 1972, war der Park überschaubar: Es gab ein Wassergehege mit Sumpfbibern, eine Voliere für Singvögel, Fasane und Rebhühner, ein Kleingehege für Eichhörnchen und einen See über 6000 Quadratmeter mit Entenarten und weiteren Wasservögeln. Bereits im ersten Jahr wurde der Park mit 70.000 Besuchern sehr gut angenommen.
Der Fuchs hält sich immer gut versteckt. Kircher lockt ihn mit Pfiffen und wirft ihm Fleischstücke zu. Das Tier ist ein richtiger Schlaufuchs: Er vergräbt das Fressen instinktiv in jeder Ecke, damit es ihm nicht von Fressrivalen gestohlen wird. „Sein Gehege ist viel größer, als es sein müsste“, betont Kircher und zeigt damit, dass sich der Name „Wildpark“ alle Ehre macht. „Die Tiere führen ein artgerechtes Leben. Die baumbewachsene, von Bächen umgebenen Flächen bieten ihnen genügend Rückzugsmöglichkeiten. Das macht uns aus“, sagt Kircher stolz.
Das Park-Team besteht aus drei Vollzeit-Tierpflegern und einer Teilzeitkraft: Thomas Sauer ist seit 20 Jahren dabei, Joachim Keidel seit zwei Jahren und Samira Neugebauer seit November letzten Jahres. Für das Team gilt: Den Tieren muss es gut gehen. Dafür beobachten die Wildhüter Fell und Verhalten der Tiere und stellen gegebenenfalls das Futter um oder fragen einen Tierarzt um Rat.
Als Kircher die Fütterung fortsetzen will, bekommt er einen Anruf: Er soll die Wisente ablenken, damit neuer Sand in das Gehege gebracht werden kann. „Sand ist Wellness für sie und gut für die Fellpflege“, sagt Kircher. In der Vergangenheit gab es immer wieder Tragödien im Wildpark: Ein Wisent, das gefährlichste Tier im Park, hatte sich ein Bein gebrochen und musste eingeschläfert werden. Zwei weibliche Schneeeulen haben vergangenes Jahr ein Männchen getötet.
Und die wahrscheinlich bekannteste Tragödie: Der Junghirsch, der den geschwächten Leithirsch in einem Kampf tödlich verletzt hatte. „Das ist alles sehr tragisch und lässt mich nicht kalt. Aber das ist nunmal der Lauf der Natur“, äußert Kircher. Trotzdem ist er mit ganzem Herzen dabei: „Die Arbeit in freier Natur macht einfach Spaß. Wenn es den Tieren gut geht, geht es mir auch gut.“ Manchmal stelle er sich vor die Gehege und beobachte einfach die Tiere. „Ich komme gerne hier her.“
Am Jubiläums-Wochenende von Freitag, 15., bis Sonntag, 17. Juli, gibt es ein buntes Familienprogramm rund um Tier und Natur:
Traktor mit Planwagen kutschiert Gäste zwischen Gersfelder Bahnhof und Wildpark
Kinderschminken, Basteln, Hüpfburg
Baumscheiben bemalen mit dem Förderverein der Otto-Lilienthal-Schule
Holzschnittkunst mit Motorsäge
Ponyreiten und Schafscheren
Essen und Trinken an der Wildpark-Gaststätte
Alkoholfreie Cocktails
Informationen zum Tier- und Naturschutz vom Biosphärenreservat
Umweltmobil Rumpel, Schlaufuchs der Fuldaer Zeitung und Sternenpark-Führer
Spende für Tierpark Schwanenteich im Ahrtal
Freitag: Grillabend ab 18 Uhr
Sonntag: traditioneller Bauernmarkt
Eintritt an allen drei Tagen 1 Euro, Öffnungszeiten: täglich 9 bis 18 Uhr
Informationen zur Anreise auf www.wildpark-gersfeld.de
Er wünscht sich weitere Arten: „Ein Luchspärchen wäre toll – große, schöne Katzen.“ Teuer seien nicht die Tiere, sondern die Folgekosten von Gehege und Co.: „Allein der Bau des Luchsgeheges würde 250.000 bis 300.000 Euro kosten.“ Die hohen Besucherzahlen – 80 000 Menschen im Jahr – bringen laut Kircher zwar mehr Geld ein, gleichen sich aber mit steigenden Ausgaben wieder aus.
Finanziell braucht der Park mehr Unterstützung: Allein die Futterkosten betragen 20.000 Euro im Jahr. Hinzu kommen Reparaturkosten der Zäune, neue Futterhütten und Tierarztkosten. „Das hält uns das ganze Jahr auf Trab“, betont Kircher. Für eine Erweiterung des Parks – wie dem Ausbau des Kleintiergeheges oder einem Bauernhof inklusive Übernachtungsmöglichkeiten – hat der Wildpark vor zwei Jahren 100.000 Euro Förderung erhalten. Damit wurde ein Planungsbüro zur Entwicklung eines Masterplans beauftragt: für Ersatzneubauten und die Umgestaltung des Eingangsbereiches.
Gersfelds Bürgermeister Dr. Steffen Korell (CDU) sei dabei, das Land Hessen auf den Wildpark aufmerksam zu machen – so habe er einige Politiker zum Jubiläumswochenende eingeladen: „Ich wünsche mir, dass das Land den Park unterstützt, denn auch für dieses – das Biosphärenreservat ist ein Anliegen des Landes – wird der modernisierte Park ein echter Zugewinn sein“, sagt Korell und fügt hinzu: „Die Summen, die der Heimattiergarten in Neuenberg anlässlich der Landesgartenschau 2023 erhalten hat, hätten wir auch gern in Gersfeld.“