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Fuldaer Traditionskneipe feiert Jubiläum: In der Bierquelle wird seit 65 Jahren gezapft

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Von: Sabrina Mehler

Mike Döll (von links), Thorsten Endres, Evi Hochstadt und Peter Rother feiern Kneipen-Jubiläum.
Mike Döll (von links), Thorsten Endres, Evi Hochstadt und Peter Rother feiern Kneipen-Jubiläum. © Sabrina Mehler

In der Bierquelle in der Fuldaer Heinrichstraße wird seit 65 Jahren gezapft, getrunken und geschwätzt. In all den Jahrzehnten gab es lediglich fünf Pächter, die die Traditionskneipe geführt haben. Drei trafen sich jetzt zum Jubiläumsfest – und schwelgten in Erinnerungen.  

Fulda - 1957 begann so manche Erfolgsgeschichte: In Liverpool begegneten sich John Lennon und Paul McCartney zum ersten Mal, in West-Berlin wurde Willy Brandt Bürgermeister, die Sowjetunion startete mit Sputnik ins Zeitalter der Raumfahrt, und in Fulda eröffnete die Bierquelle.

65 Jahre später wird in der Heinrichstraße Jubiläum gefeiert – gemeinsam mit den Gästen und den drei noch lebenden Pächtern. Der 80-jährige Peter Rother, der die Kneipe von 1981 bis 2007 geführt hat, sagt: „Peter Alexanders Lied ,Die kleine Kneipe in unserer Straße, da wo das Leben noch lebenswert ist‘ passt hundertprozentig zur Bierquelle.“ Seine Nachfolger Mike Döll (2007 bis 2018) und Thorsten Endres (Chef seit 2018) nicken.

Fulda: Traditionskneipe Bierquelle feiert Jubiläum - Ex-Pächter erinnern sich

Die Bierquelle ist eine der typischen Kneipen, die innen größer und uriger sind, als sie von außen aussehen. Die Hockerreihen entlang der Theke sind alle besetzt, das Stimmengewirr ist laut, der Spielautomat blinkt und klingelt. Evi Hochstadt, von allen als „eigentliche Chefin“ bezeichnet, schiebt ein Bier nach dem anderen über den Tresen. (Lesen Sie auch: Main-Kinzig-Kreis: Traditionsgaststätte „Grüner Baum“ hat bewegte Geschichte)

Die Männer – und es sind an diesem Vormittag ausschließlich Männer, obwohl das Geschlechterverhältnis laut Endres 70:30 beträgt – machen nicht nur dem Namen der Kneipe alle Ehre. Neben Bier wird reichlich Kaffee ausgeschenkt, Wasser auch. Zur Geburtstagsparty gibt’s außerdem Fleischkäsebrötchen, an denen sich alle bedienen.

Ganz früher war die Bierquelle mal Restaurant mit der Küche im Keller, erinnert Rother. Aber als auch das nahe Karstadt zum Mittagessen lud und Firmen ihre eigenen Kantinen hatten, habe sich der Betrieb nicht mehr gelohnt, berichtet Rother. Nun ist die Bierquelle seit Langem schon ausschließlich Schankwirtschaft – mal mit sehr guten, mal mit etwas schlechteren Phasen. „Die Pandemie war blöd“, sagt der 42-jährige Chef. „Aber wir sind stolz, dass es den Laden schon so lange gibt. Und wir halten weiterhin eisern durch.“ Dass es in all den Jahrzehnten nur fünf Pächter gegeben habe, sei ungewöhnlich, findet Döll.

„Als Chef nix zu sagen“: Bierquelle-Gäste durften „ihr“ altes Mobiliar behalten

Der Kneipe genauso treu sind die Besucher: Manche sind Touristen, die aufgrund der Bahnhofsnähe einkehren, 80 Prozent aber sind Stammgäste. Und das macht sich bemerkbar: „Als ich die Pandemie nutzen wollte, um zu renovieren, hat sich schnell herausgestellt, dass ich als Chef nix zu sagen habe“, sagt Endres lachend. Denn die Gäste wollten „ihr“ altes Mobiliar behalten. „Wir haben dann nur ein wenig gestrichen.“

Als Kneipier muss man eben auf die Gäste eingehen: „Man braucht Fingerspitzengefühl“, sagt Döll. „Und Menschenkenntnis und einen guten Schuss Service-Gedanken“, ergänzt Endres. „Man schenkt hier nicht nur Bier aus: Man ist auch noch Therapeut und Seelsorger.“ Viele Gäste schütteten an der Theke ihr Herz aus, wissen die drei. Oft kommen die Gäste auch, um „einfach mal ein bisschen dummzuschwätzen“, erklärt Rother. „Das hat mir in der Pandemie gefehlt: mal ein paar Sprüche machen und die anderen zum Lachen bringen“, sagt Döll.

Rother und Döll sind noch heute regelmäßig in der Bierquelle zu Gast. Während beide früher hinter dem Tresen standen, kommt Endres, der in Schweinfurt lebt und hauptberuflich Automatenaufsteller ist, etwa drei- bis viermal in der Woche in die Heinrichstraße. Das Bedienen überlässt er Evi Hochstadt, die jetzt ihre 13-jährige Betriebszugehörigkeit feierte.

Video: Rückläufige Bierproduktion für 2022 erwartet

Im Vergleich zu 1957 hat sich in der Bierquelle viel geändert: Damals wurde mehr Alkohol getrunken, und junge Leute trafen sich noch häufiger in der Kneipe anstatt in den sozialen Medien, sagen die drei Männer. Das Wort „Urlaub“ habe man kaum gekannt, demnächst gönnt sich die Bierquelle zwei Wochen Betriebsferien. Eines aber ist gleichgeblieben: Sommers wie winters sitzen die Gäste an der Theke, reden über Fußball, Frauen oder Politik – und genießen die Atmosphäre.

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