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Rechtsbruch dulden? Neubau abreißen? Wirbel um illegal gebaute Immobilie - „wir sind betrogen worden“

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Von: Volker Nies

Für die Immobilie an der Ecke Wilhelmstraße/Turmstraße in Eichenzell hat der Landkreis einen Baustopp verhängt.
Für die Immobilie an der Ecke Wilhelmstraße/Turmstraße in Eichenzell hat der Landkreis einen Baustopp verhängt. © Volker Nies

Die Eichenzeller Kommunalpolitik steht vor schwierigen Entscheidungen: Wie soll sie mit einer fast fertigen Immobilie mit 14 Wohnungen umgehen? Der Wohnraum mitten im Ort ist begehrt, aber das Haus wurde unter Missachtung kommunaler Bauvorschriften errichtet.

Eichenzell - Ganz nüchtern beschreibt Nico Schleicher, Chef des Eichenzeller Bauamts, das Problem: „Es gibt Änderungen in der Bauausführung. Genehmigt wurden 15 Wohnungen auf drei Etagen unter einem Satteldach, gebaut wurden 14 Wohnungen auf zwei Etagen. Die Bodenplatte liegt ein Meter höher als genehmigt.“

Der Investor, ein Bau-Unternehmer aus dem Landkreis Fulda, hatte sich im August 2020 nach langen Verhandlungen mit der Gemeinde auf das genaue Ausmaß für das Wohngebäude geeinigt. Festgeschrieben wurden die Regeln von der Gemeindevertretung in einem „Vorhaben-bezogenen Bebauungsplan“.

Investor einer Immobilie mit 14 Wohnungen in Eichenzell missachtet Bauvorschriften

Das hat für den Bauherren zwei wichtige Konsequenzen. Die erste Folge: Er muss das Haus genau so errichten wie vereinbart. Zweite Folge: Weil es die Gemeindevertretung war, die den Plan beschlossen hat, ist sie allein befugt, darüber zu entscheiden, ob sie den Plan im Nachhinein zugunsten des Bauherrn verändert – oder ob sie an ihren Festlegungen festhält. Dann dürfte der Investor das Haus nicht fertigstellen.

Das Kreisbauamt hatte vor einigen Tagen einen Baustop verhängt, nachdem Bürgermeister Johannes Rothmund (CDU) auf die Differenzen zwischen genehmigtem Bau und tatsächlichem Bau hingewiesen hatte. Rothmund selbst hatte aus Eichenzell einen Hinweis auf die Abweichungen erhalten. (Lesen Sie auch: Jungunternehmer errichtet illegal Halle bei Dipperz - Schwarzbau droht der Abriss)

Bau-Unternehmer aus Fulda: „Die Abweichungen tun mir leid. Ich entschuldige mich dafür“

Der Investor räumt die Abweichungen ein. „Ich baue seit 25 Jahren Häuser. Aber hier habe ich es zum ersten Mal mit einem Vorhaben-bezogenen Bebauungsplan zu tun. Und ich habe verkannt, was es bedeutet, dass es auf dem Grundstück ein Gefälle von sieben Metern gibt“, sagte der Bauherr.

„Die Abweichungen tun mir leid. Ich entschuldige mich dafür“, sagte er in der jüngsten Sitzung des Bauausschusses der Gemeinde. Der Unternehmer erklärte, durch die von ihm vorgenommenen Änderungen und den Wegfall des Dachgiebels passe sich das Gebäude besser in die Umgebung ein, und es werde seniorengerechter.

Sein Angebot an die Gemeinde: Er könne die Häuser farblich so gestalten, dass die Immobilie nach zwei Häusern aussehe. Auf Fragen der Gemeindevertreter, warum er sich nicht an den Bebauungsplan gehalten habe und nicht einmal während des laufenden Bauvorhabens über seine Änderungen informiert habe, sagte der Unternehmer: „Ich habe einen Fehler gemacht. Ja, ich hätte fragen müssen.“

Investor einer Immobilie mit 14 Wohnungen in Eichenzell missachtet Bauvorschriften.
Der Investor einer Immobilie mit 14 Wohnungen in Eichenzell missachtete die Bauvorschriften. © Volker Nies

Von den Gemeindevertretern aller Fraktionen musste sich der Bauherr heftige Kritik anhören. „Sie wussten, was Sie durften, und haben etwas völlig Anderes gebaut. „Sie können doch nicht einfach drauflos bauen und uns dann vor vollendete Tatsachen stellen“, schimpfte SPD-Fraktionschef Lutz Köhler.

Stefan Wassermann (SPD) verwies darauf, dass der Bauherr schon von Beginn an das Haus anders gebaut habe als geplant: „Wenn wir das durchgehen ließen, dann wäre das ein Präzedenzfall und würde dazu führen, dass jeder baut, wie er will.“ „Das Vorgehen des Bauherren ist eine Ohrfeige für die gemeindlichen Gremien“, sagte Christian Meier (Bürgerliste).

„Es gibt im Gemeindegebiet keinen vergleichbaren Fall“ sagte Bürgermeister Johannes Rothmund

Dass das Gelände ein Gefälle hat, habe der Investor gewusst. „Hier wurde mit Vorsatz gegen Recht und Gesetz verstoßen. Das ist eine Missachtung der Demokratie.“ CWE-Fraktionschef Alfons Schäfer sagte, ein solches Vorgehen eines Investors habe er noch nicht erlebt. Jeder Bauherr müsse sich an die Vorschriften halten. Das gelte auch für den Investor.

„Ihnen muss klar gewesen sein, dass Sie illegal bauen. Jetzt wünschen Sie von uns eine nachträgliche Legalisierung“, sagte CDU-Fraktionschef Julian Rudolf. Drastisch äußerte sich Kernort-Ortsvorsteher und Gemeindevertreter Dirk Fischer (SPD): „Ich bin entsetzt, erschrocken und sprachlos. Der Bauherr handelte mit Vorsatz. Wir sind betrogen worden.“

Welchen Ausweg gibt es? „Es gibt im Gemeindegebiet keinen vergleichbaren Fall“, sagte Bürgermeister Johannes Rothmund. Es gebe zwei mögliche Wege: Die Gemeindevertretung könne die Änderungen im Nachhinein genehmigen, oder sie lehne das ab. „In diesem Fall muss das Kreisbauamt entscheiden. Das kann bis zu einer Abrissverfügung gehen.“

Baustopp für illegal errichtete Immobilie in Eichenzell - wie geht es mit Gebäude weiter?

Er schlug vor, dass sich die Fraktionen das Haus ansehen, um zu sehen, ob es nicht doch in das Ortsbild einpasst.Lutz Köhler schloss eine Mitwirkung seiner Fraktion bei einer nachträglichen Genehmigung aus: „Der Investor hat sich von Anfang an nicht an den Vertrag gehalten. Mit ihm will ich keinen neuen Vertrag schließen.“

Bürgerliste-Chef Joachim Weber zeigte sich weniger kategorisch: „Diese wertvolle Bausubstanz abzureißen, das wäre nur die allerletzte Option.“ Auch FDP-Fraktionschef Claus-Dieter Schad sagte: „Ein Abriss wäre wirklich die ultima ratio. Mich irritiert aber, dass der Investor vielleicht einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil dadurch hat, dass er das Recht missachtet hat.“

Eine Lösung fand der Bauausschuss nicht. Die Mitglieder werden nun mit ihren Fraktionen sprechen und dann am 12. Juli 2022 erneut zusammenkommen.

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