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Vom Tier zum Lebensmittel im Minutentakt: Der Ablauf am Schlachthof Fulda

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Von: Walter Kreuzer

Bis zu 100 Schweine werden im Schlachthof Fulda pro Stunde geschlachtet, in der Woche sind es aktuell etwa 1100 Tiere.
Bis zu 100 Schweine werden im Schlachthof Fulda pro Stunde geschlachtet, in der Woche sind es aktuell etwa 1100 Tiere. © Walter Kreuzer

Es ist nur eine kleine Handbewegung, wenn der Veterinär einen Stempel auf die Schweinehälfte setzt – und schon ist rein rechtlich aus dem Tier Fleisch geworden. In einem von den letzten zwei Schlachthöfen in Hessen, im Fuldaer Schlachthof im Industriepark West, geschieht das im Minutentakt.

Fulda - Hygiene wird hier groß geschrieben: Vorstand Sven Euen reicht im Schlachthof einen Einmal-Overall und Plastiktüten rüber. Die muss auch der Besucher über seine Kleidung und Schuhe ziehen, gefolgt von Händedesinfektion und dem Gang durch ein flaches Wasserbecken – ansonsten bleibt der Zugang zum Reinbereich gesperrt.

Vom Flur aus öffnet sich bereits durch eine Glasfront der Blick zum Schlachtraum im Schlachthof. Der eigentliche Schlachtvorgang ist aber nicht zu sehen. Nach der Anlieferung der Schweine oder Rinder auf Anhängern oder Lkw mit zwischen 1 und 80 Stück Vieh pro Fahrzeug kommen die Tiere in den Stall. „Dort bleiben sie in der Regel um die zwei Stunden, optimal wären eine bis eineinhalb Stunden. Werden Tiere über Nacht aufgestallt, dürfen zwölf Stunden nicht überschritten werden“, erläutert der Schlachthof-Chef.

Schlachthof in Fulda: So wird aus einem Tier ein Lebensmittel

Diese Ruhepause ist laut Schlachthof-Chef wichtig, weil „die Tiere vom Transport aufgeregt sind. Dessen Dauer ist in diesem Zusammenhang nicht so wichtig. Man sieht zu, dass die Tiere auf Normalmaß zurückkommen.“ Per Elektrobetäubung werden die Tiere betäubt und durch einen Stich in den Hals geschlachtet.

Bis zu 100 Schweine werden im Schlachthof Fulda pro Stunde geschlachtet, in der Woche sind es aktuell etwa 1100 Tiere.
Bis zu 100 Schweine werden im Schlachthof Fulda pro Stunde geschlachtet, in der Woche sind es aktuell etwa 1100 Tiere. © Walter Kreuzer

Während Rinder enthäutet werden, kommen die gerade getöteten Schweine „bei 62 bis 63 Grad in die Brühmaschine. Sie bleiben sieben Minuten in dem Bad, danach werden die Borsten mechanisch entfernt“, beschreibt Euen den Vorgang im Schlachthof, der „früher bei Hausschlachtungen ähnlich war. Dann wird der Schlachtkörper aufgebrochen, das Darmpaket und die Innereien werden entnommen.“

Männer nehmen von jedem Tier Hygiene-Proben im Fuldaer Schlachthof

Was dann geschieht, spielt sich auch vor den Augen des Besuchers ab. Unter der Decke windet sich eine Laufschiene durch den ganzen Raum. Daran befinden sich in regelmäßigen Abständen Haken mit Schweinehälften. Auf einer Empore stehen zwei Männer in weißen Kitteln, ein weiterer arbeitet eine Etage tiefer.

Mit einem Stempel wird aus dem Tier rein rechtlich gesehen ein Lebensmittel.
Mit einem Stempel wird aus dem Tier rein rechtlich gesehen ein Lebensmittel. © Walter Kreuzer

Es sind Veterinäre, die für die Fleischbeschau zuständig sind – ein Kollege hat zuvor bereits eine Lebendbeschau vorgenommen. Sie nehmen Proben, die im benachbarten Labor unter anderem auf Trichinen (ein winziger Wurm) untersucht werden. Euen: „Ist alles in Ordnung, versehen die Veterinäre die Schweinehälften mit mehreren Stempeln, also mit den für jeden Schlachtbetrieb zugeordneten Genusstauglichkeitskennzeichen. Dadurch werden die Tiere zum Lebensmittel. Sollten Probleme auftreten, werden die Landwirte über die Befunde informiert.“

Schließung von Tönnies Großschlachterei hat zu Überangebot an Schweinen geführt

Die Bauern wollen natürlich auch Geld für die Tiere haben. Die Preise schwanken stark und die Landwirte stehen derzeit erheblich unter Druck, weil die Großschlachterei von Tönnies einige Wochen lang geschlossen war und mehr Schweine auf dem Markt sind. Ein konventionell gezüchtetes Schwein bringt derzeit weniger als 160 Euro, während der Erlös für ein Bioschwein mehr als doppelt so hoch ist.

Nach der Zulassung zum Lebensmittel wird das Tier gewogen, und vereidigte Mitarbeiter eines Unternehmens erfassen für die Zertifizierung Gewicht, Speck- und Fleischmaß sowie Kotelettdicke – alles wesentliche Merkmale für die Preisbestimmung.

Von der Betäubung bis zur Klassifizierung dauert der ganze Vorgang 38 Minuten, länger als eine Stunde ist nicht erlaubt. An drei Tagen in der Woche werden maximal 100 Schweine pro Stunde oder etwa 20 Rinder im Fuldaer Schlachthof geschlachtet. Auffallend ist dabei: Von Hektik ist nichts zu sehen, jeder Handgriff der Männer sitzt.

Lesen Sie hier: In einigen großen Schlachthöfen ist der Coronavirus ausgebrochen. Dass der Fuldaer Schlachthof ein Corona-Brennpunkt wird, ist laut Betreibern unwahrscheinlich. Der Fuldaer Schlachthof hat für die regionale Fleischbranche einen enormen Stellenwert. Gerade Tiertransporte unterliegen strengen Vorschriften. Außerdem: Legehennen vor der Schlachtbank retten: Projekt „Unser glückliches Huhn“ wächst Und: Der Landkreis Fulda verzeichnet starken Rückgang: Zahl der Schlachtungen sinkt rapide

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