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Razzia gegen „Letzte Generation“: Durchsuchungen in drei Objekten im Kreis Fulda

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Von: Sebastian Reichert

Beamte von Polizei und Staatsanwaltschaft haben in sieben Bundesländern Objekte der Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ durchsucht. In Hessen gab es in Fulda Durchsuchungen.

Update vom 24. Mai, 17.19 Uhr: Wie die Behörden am Morgen mitgeteilt hatten, wurden im Zusammenhang mit der Razzia gegen die „Letzte Generation“ drei Objekte im Landkreis Fulda durchsucht. Die drei Objekte sind offenbar einer Person - und nicht etwa drei Personen - zuzuordnen.

Razzia gegen „Letzte Generation“ in Fulda: Keine weiteren Angaben

Wo genau diese Durchsuchungen stattfanden, das geben das Bayerische Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft München nicht bekannt. „Die beschuldigte Person lebt in einer Kleinstadt und wäre zu leicht zu identifizieren“, erklärt Ludwig Waldinger, Pressesprecher beim LKA, auf Nachfrage unserer Zeitung.

Auch Sebastian Murer, Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft, hält sich bedeckt: „Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte geben wir keine näheren Angaben heraus.“ Laut seinem Kenntnisstand seien die Razzien friedlich abgelaufen, ohne besondere Vorkommnisse. Sichergestellt worden seien zum Beispiel elektronische Datenträger.

Erstmeldung vom 24. Mai, 10.31 Uhr:

Fulda - Insgesamt wurden am Mittwochmorgen (24. Mai) ab etwa 7 Uhr 15 Objekte durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. Hintergrund sind demnach zahlreiche Strafanzeigen seit Mitte 2022. Der Tatvorwurf lautet Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

Die sieben Beschuldigten sind zwischen 22 und 38 Jahre alt.  Festnahmen gab es zunächst nicht. Zentraler Vorwurf im Zusammenhang mit den Durchsuchungen ist, dass die Beschuldigten eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die „Letzte Generation“ organisiert und so mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben sollen.

Durchsuchungen bei Gruppe „Letzte Generation“ in drei Objekten in Fulda

Dieses Geld sei nach bisherigen Erkenntnissen „überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten“ eingesetzt worden.  Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Wie viel davon beschlagnahmt wurde, sagte die Polizei zunächst nicht. Ziel der Durchsuchungen sei auch „das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur“ gewesen, hieß es.

Zwei der Verdächtigen stehen den Ermittlern zufolge im Verdacht, im April 2022 versucht zu haben, die Öl-Pipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren. Betroffen waren von den Durchsuchungen waren Objekte in sieben Bundesländern, konkret in Hessen im Landkreis Fulda, in Hamburg, Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Sachsen (Dresden), Bayern (Augsburg, München), Berlin und im Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein.

Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg in einer Straße. Polizei und Staatsanwaltschaft haben im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation 15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht.
Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg in einer Straße. Polizei und Staatsanwaltschaft haben im Zuge eines Ermittlungsverfahrens zu Mitgliedern der Letzten Generation 15 Objekte in sieben Bundesländern durchsucht. © Christoph Soeder/dpa

In Hessen wurden den Angaben zufolge drei Objekte im Landkreis Fulda durchsucht. In Berlin gab es vier Durchsuchungen, in Bayern (Augsburg, München) drei. Wo die Durchsuchungen im Landkreis Fulda durchgeführt wurden, wurde nicht bekanntgegeben. Ein Sprecher der Polizei in Fulda verwies in diesem Zusammenhang auf die Hoheit der Generalstaatsanwaltschaft München.

Der Radiosender HR1 berichtete, dass die Durchsuchung in Hessen in „einer Kleinstadt im Landkreis Fulda“ stattgefunden habe. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft wurde zudem die Homepage der Gruppe beschlagnahmt und abgeschaltet, wie ein Polizeisprecher sagte.

Laut Polizei waren bundesweit etwa 170 Beamte im Einsatz. Die Durchsuchungen verliefen ersten Informationen nach friedlich. Die Gruppe „Letzte Generation“ macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die fatalen Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Die Mitglieder kleben sich dabei häufig fest - an Straßen oder auch an Kunstwerken.

Auch Einheiten der Bundespolizei in Hünfeld waren schon bei Klimaprotesten des Bündnisses „Letzte Generation“ im Einsatz. In Frankfurt hatten sich Aktivisten an zentralen Stellen, Transportwegen und auf der Autobahn mit Sekundenkleber an den Händen auf der Fahrbahn festgeklebt. Die speziell ausgebildeten Beamten aus Hünfeld „befreiten“, die Klimakleber ohne Verletzungen.

Klimaschutzaktivisten reagierten derweil mit scharfer Kritik auf die Durchsuchungen. Die Gruppe Ende Gelände kritisierte auf Twitter, Razzien gebe es bei denen, „die vor der Klimakrise warnen, und nicht bei denen, die dafür verantwortlich sind“. Die „Letzte Generation“ selbst fragte auf Twitter, wann Lobbystrukturen durchsucht und „fossile Gelder der Regierung“ beschlagnahmt würden.

In den vergangenen Wochen war das Umfeld für die Aktivisten extrem rau geworden. Genervte Autofahrer schlugen und traten die Protestierenden des Öfteren und schleiften sie ruppig von der Straße. Das Landgericht Potsdam bestätigte erstmals den Anfangsverdacht, dass die Gruppe eine kriminelle Vereinigung sein könnte.

Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates.

Rainer Wendt, Deutsche Polizeigewerkschaft

Diese Woche äußerte sich auch Kanzler Olaf Scholz extrem kritisch und nannte die Anklebe-Aktionen der Gruppe „völlig bekloppt“. Die Band „Dorfrocker“ hatte die Klimakleber zuletzt in einem Musikvideo angegangen. Gezeigt wird dort, wie in „Aktivist“ mit Gülle bespritzt wird.

Die Aktivisten forderten anfangs ein „Essen-Retten-Gesetz“ gegen Lebensmittelverschwendung. Die derzeitigen Forderungen sind Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr. Angesiedelt sind die Ermittlungen indes bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus.

Die Hünfelder Bundespolizisten hatten 2022 viel zu tun. Unter anderem waren sie bei Klimaprotesten des Bündnisses „Letzte Generation“ im Frankfurter Stadtgebiet im Einsatz.
Hünfelder Bundespolizisten waren 2022 bei Klimaprotesten des Bündnisses „Letzte Generation“ im Frankfurter Stadtgebiet im Einsatz. © Bundespolizei Hünfeld

Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München betonte aber, dass das nicht bedeute, dass man die „Letzte Generation“ als extremistisch oder terroristisch einstufe. „Wir gehen nach jetzigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt - wohlgemerkt nicht um eine terroristische“, sagte der Sprecher.

Dies wolle man gerichtlich prüfen lassen. Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte die Durchsuchungen. „Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates“, sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt in Berlin.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Lorenz Gösta Beutin, nannte die Razzien völlig überzogen. Die Menschen, die sich der sogenannten Letzten Generation zurechneten, setzten auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen. (mit dpa-Material).

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