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Auf den Spuren von Fridjof Nansen – Fuldaer nimmt an „MOSAiC“-Expedition teil

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Von: Redaktion Fuldaer Zeitung

Foto: Alfred-Wegner-Institut/Esther Horvath
Foto: Alfred-Wegner-Institut/Esther Horvath

Fulda - Der Fuldaer Fotograf Michael Gutsche nimmt ab Januar an einem Fahrtabschnitt des deutschen Forschungsschiffs Polarstern teil. Für uns berichtet er von seiner Intention und seiner intensiven Vorbereitung. Gespannt verfolgt er auch die bisherige Expedition von Fulda aus und fasst die bisherigen Schlüsselergeignisse zusammen.

Von Michael Gutsche

Am 20. September 2019 stach die „Polarstern“ von Tromsø aus, im Norden Norwegens, in See und passierte am darauffolgenden Tag das Nordkap. Am Abend begleiteten phänomenale Polarlichter die Fahrt. Einige Tage später kam es in der Nähe der Packeisgrenze zum Rendezvous mit dem russischen Eisbrecher „Akademik Federow“, der eine wichtige Versorgungsfunktion für die gesamte Expedition darstellt. Gemeinsam gingen die beiden Schiffe auf die Suche nach einer geeigneten Eisscholle, an der die „Polarstern“ festmachen kann.

Wettlauf mit der Zeit

Die Suche gestaltete sich schwieriger als erwartet, da viele der infrage kommenden Eisschollen nicht stabil genug waren. Am 4. Oktober wurde man endlich fündig und fand die geeignete Eisscholle bei 85 Grad Nord und 137 Grad Ost. Nun musste in einem Wettlauf mit der Zeit nicht nur um die „Polarstern“ herum eine ganze Forschungsstadt aufgebaut werden, sondern auch das sogenannte Distribution Network, ein komplexes System aus Bojen und Messeinheiten, das bis zu 50 Kilometer Entfernung um das zentrale Observatorium „Polarstern“ driftet.

Erste Bewährungsprobe

Gerade rechtzeitig vor Einbruch der Polarnacht am 26. Oktober standen alle Forschungseinrichtungen. In den folgenden Monaten wird die „Polarstern“ in vollkommener Dunkelheit mit dem arktischen Eis driften. Ende November erlebte die Expedition ihren ersten großen arktischen Sturm mit Windstärke 9, der eine große Dynamik in die Eisscholle um die „Polarstern“ brachte und nicht nur einigen wissenschaftlichen Messinstrumenten Schäden zufügte, sondern auch die gesamte Anordnung des Forschungscamps stark veränderte. Diese erste Bewährungsprobe in der Driftphase meisterte das Expeditionsteam vorbildlich. Alle Messvorrichtungen funktionieren mittlerweile wieder. Zurzeit befindet man sich in dem geplanten Drift-Korridor auf 86 Grad Nord und 121 Grad Ost. Die MOSAiC-Expedition ist auf Kurs.

Meine Aufgaben

Am dritten Fahrtabschnitt werde ich als Fotograf und Communication Manager teilnehmen. Es ist fotografisch gesehen einer der spannendsten Expeditionsabschnitte mit dem Übergang von der Polarnacht zum Polartag. Es wird aber auch die kälteste und damit eine besonders herausfordernde Expeditionsphase mit Temperaturen bis zu minus 40 Grad. Hinzu kommt, dass die MOSAiC-Expedition in dieser Phase weitgehend abgeschnitten von Zivilisation und Versorgung in den unermesslichen und unerkundeten Weiten der Zentralarktis driften wird. Gerade die arktischen Temperaturen werden meine Fotoausrüstung und mich selbst vor besondere Herausforderungen stellen. Hier bin ich in den Vorbereitungen einer verlässlichen externen Stromversorgung für die Kamera-Akkus und diverser Bedienungs- und Schutzmaßnahmen. Als Communication Manager ist es weiterhin meine Aufgabe, die zentrale Pressestelle des Alfred-Wegener-Institutes ständig mit aktuellen Informationen in Wort und Bild über den Expeditionsverlauf zu versorgen.

Vorbereitung

Dass ich für die Expedition noch zu einem Seemann ausgebildet werde, aus fünf Metern im Überlebensanzug ins eiskalte Wasser springen muss und mit vollem Atemschutz unter Anleitung der Berufsfeuerwehr des Amsterdamer Flughafens Brandherde löschen und Menschen zu evakuieren lerne, konnte ich mir vor ein paar Monaten nicht vorstellen. Es hieß also nochmal die Schulbank drücken, denn auch der Theorieteil kam nicht zu kurz. Meine deutlich jüngeren Mitschüler kamen nicht nur aus Europa, sondern auch aus Südafrika, Malaysia oder Brasilien, um mit bestandener Ausbildung in Zukunft auf Offshore-Plattformen, Öltankern oder Kreuzfahrschiffen zu arbeiten. Zu den weiteren sehr professionellen Vorbereitungen gehörte ein sogenannter „Polar Bear Protection Course“ wo wir viel über Eisbären lernten, Verhaltensmaßnahmen trainierten, um direkte Konflikte mit dem größten Landraubtier der Erde zu vermeiden, aber in letzter Konsequenz natürlich auch ein intensives Schießtraining am Bundeswehrschießstand in Bremerhaven mit einem speziell für diese Belange entwickelten Repetiergewehr absolvierten. In Tromsø, kurz bevor wir Ende Januar in See stechen, erhalten wir noch ein mehrtägiges Helikopter-Notfalltraining.

Alle Vorbereitungskurse und Trainingsmaßnahmen finden in englischer Sprache statt, Englisch ist die offizielle Expeditionssprache an Bord, denn es werden Wissenschaftler aus 20 Nationen an MOSAiC teilnehmen. MOSAiC ist die Abkürzung für „Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate”.

Zeitplan

In der zweiten Januarhälfte geht es für mich los, zunächst mit einem Linienflug nach Tromsø. Dort werde ich meine persönliche Expeditionsausrüstung übernehmen. Ergänzt wird diese durch rund 30 Kilogramm private Ausrüstung und das Fotoequipment. Nach dem bereits erwähnte Helikopter-Notfalltraining werden wir am 27. Januar mit dem besonders starken russischen Eisbrecher „Kapitan Dranitsyn“ in See stechen. Die Hinführung zur im Eis bereits eingeschlossenen „Polarstern“ wird ein Abenteuer für sich werden. Mitte Februar planen wir, die Polarstern zu erreichen.

Anfang/Mitte April endet mein Aufenthalt auf der Polarstern. Das Eis ist dann zu dick und Eisbrecher nicht mehr einsetzbar. Es ist geplant, uns mit speziellen russischen Transportflugzeugen oder Langstreckenhubschraubern auszufliegen und über Spitzbergen zurück in die Zivilisation zu führen.

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