Auch Stadtbaurat Daniel Schreiner (parteilos) verweist auf einen Grundsatzbeschluss des Magistrats, demzufolge Frauennamen bevorzugt werden sollen. Das sei aber nicht immer einzuhalten. Dass vor einiger Zeit eine Straße im Waidesgrund nach dem ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke benannt worden war, um ein Zeichen gegen politisch motivierten Terrorismus zu setzen, sei nachvollziehbar, findet er.
Schreiner hat das Missverhältnis in Fulda aber erkannt und einen Vorschlag eingebracht, der mittlerweile vom Magistrat beschlossen worden ist: Im gerade entstehenden Neubaugebiet in Haimbach-West sollen alle Straßen nach Frauen benannt werden. Hier werden künftig sechs Frauen für ihren „besonderen Beitrag in der Zeit der Wiedervereinigung beziehungsweise vor oder nach der politischen Wende“ gewürdigt. Folgende Bezeichnungen sind vorgesehen: Dr.-Limbach-Straße, Dr.-Hamm-Brücher-Straße, Dr.-Schwan-Weg, Dr.-Süssmuth-Weg, Dr.-Ritter-Weg und Bohley-Platz.
Das Besondere: In der Regel werden Straßen nach verstorbenen Personen benannt, zwei der genannten sind aber noch quicklebendig: die frühere Bundesfamilienministerin und Bundestags-Präsidentin Rita Süssmuth und die SPD-Politikerin Gesine Schwan. Sie haben bereits ihr Einverständnis erklärt – und wollen zur „Einweihung“ ihrer Straße nach Fulda kommen, sagt Schreiner.
Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, stößt zudem auch anderswo im öffentlichen Raum auf Spuren von Frauen, die die Geschichte Fuldas geprägt haben. In Ziehers-Nord etwa steht das Erna-Hosemann-Haus, am Aschenberg das Mally-Kühn-Haus.
Agnes-Huenninger-Straße, An St. Kathrin, An St. Ottilien, Augustastraße, Barbarastraße, Beatrixstraße, Bosestraße, Edith-Stein-Straße, Elisabethenstraße, Elisabeth-Selbert-Straße, Elisabeth-v.-Thadden-Straße, Elsa-Brandström-Platz, Florengasse, Gabriele-Münter-Straße, Gertrud-von-Le-Fort-Weg, Hildegard-Kronenberg-Straße, Josephine-Grau-Straße, Judy-Chicago-Straße, Karolinenstraße, Käthe-Kollwitz-Straße, Landgräfin-Anna-Straße, Liobastraße, Lioba-Munz-Straße, Lise-Meitner-Straße, Margarethenstraße, Marianne-Werefkin-Straße, Marienstraße, Maria-Ward-Straße, Marie-Curie-Straße, Marienplatz, Nonnengasse, Ottilienweg, Schwester-Adolfine-Weg, St.-Anna-Platz, Suttnerstraße.
Dr.-Limbach-Straße (nach der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach), Dr.-Hamm-Brücher-Straße (frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt für die FDP Hildegard Hamm-Brücher), Dr.-Schwan-Weg (die SPD-Politikerin Gesine Schwan), Dr.-Süssmuth-Weg (Dr. Rita Süssmuth), Dr.-Ritter-Weg (nach der Bürgerrechtlerin und Ärztin Karin Ritter) und Bohley-Platz (nach der DDR-Bürgerrechtlerin Barbara Bohley).
Vor einigen Jahren ließ Soroptimist International in Fulda zudem blaue Bänke aufstellen, die auf Fuldaer Frauen aufmerksam machen: Im Garten des Bonifatiushauses etwa erinnert eine Sitzgelegenheit an Helene Weber, eine in der Lindenstraße an Maria Ward und am Gemüsemarkt an Josefine Grau. Während der Frauenwoche Anfang März wird jedes Jahr eine spezielle Stadtführung angeboten, um Fuldaer Frauen sichtbar werden zu lassen.
Trotzdem wird es wohl noch viele Jahrzehnte dauern – wenn es überhaupt gelingt –, bis Frauen den Vorsprung der Männer in Sachen Straßennamen eingeholt haben.
Im Mai 2022 haben die Fuldaer Stadtverordneten darüber entschieden, ob die Danzebrink-Straße in Fulda umbenannt wird.