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286 zu 32 für die Männer: Stadt Fulda will Ungleichgewicht bei Straßennamen beseitigen

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Von: Sabrina Mehler

Nur 32 Frauen wurden in Fulda mit einem Straßennamen geehrt. Insgesamt 286 Wege und Plätze sind nach Männern benannt worden.
Nur 32 Frauen wurden in Fulda mit einem Straßennamen geehrt. Insgesamt 286 Wege und Plätze sind nach Männern benannt worden. © Sabrina Mehler

Um die 1000 Straßen gibt es in Fulda, gerade einmal 32 sind nach Frauen benannt. Viel mehr Männer wurden in der Domstadt mit dieser Ehre gewürdigt. Die Stadt will an dem veritablen Ungleichgewicht etwas ändern. Eine Chance dazu bietet nun das Groß-Baugebiet in Haimbach-West.

Fulda - Es war Beatrix, die die toten Körper ihrer beiden Brüder Simplicius und Faustinus unter Anstrengungen aus dem Tiber zog und begrub. Später erlitt sie selbst den Märtyrertod, weil sie ihrem Glauben nicht abschwören konnte. Reliquien aller drei brachte einst Bonifatius nach Fulda, wo sie seitdem als Stadtpatrone verehrt werden – die Männer manches Mal aber offenbar mehr als die Frau.

Stadt Fulda will Ungleichgewicht zwischen Männer- und Frauen-Straßennamen ausgleichen

An der Fassade des Doms erinnern zwei große Sandsteinfiguren an Simplicius und Faustinus. Beatrix hingegen scheint vergessen worden zu sein. Immerhin hat die Stadt ihr eine Straße nahe der Tränke gewidmet: die Beatrixstraße.

Zuletzt wurde unter anderem eine Straße in Lehnerz nach der berühmten polnischen Physikerin Marie Curie benannt. Und in Edelzell wurde vor ungefähr acht Jahren Hildegard Kronenberg gewürdigt, die in Loheland lebte und durch ihre pädagogische Arbeit sowie Kinderbücher bekannt war. Doch Frauen sind in Fulda – wie in vielen anderen Städten – in der Minderheit.

Wie die Stadt auf Anfrage erklärt, hatte eine Auswertung aus dem Jahr 2015 ergeben, dass im Stadtgebiet 286 Straßen nach Männern benannt wurden. Nur 32 Straßen trugen damals den Namen einer Frau. Immerhin: „In den vergangenen Jahren dürfte sich das Verhältnis weiter leicht zu Gunsten der Frauen verschoben haben, da seit rund 20 Jahren bei Straßenbenennungen, zum Beispiel in Neubaugebieten, weibliche Persönlichkeiten als Namensgeberinnen wo immer möglich bevorzugt werden“, teilt die städtische Pressesprecherin Monika Kowoll-Ferger mit.

Straßennamen heilige Betrix Frauen Fulda Straße
Die heilige Beatrix ist eine von wenigen Frauen, die in Fulda mit einer Straße gewürdigt werden. © Max Wenisch

Auch Stadtbaurat Daniel Schreiner (parteilos) verweist auf einen Grundsatzbeschluss des Magistrats, demzufolge Frauennamen bevorzugt werden sollen. Das sei aber nicht immer einzuhalten. Dass vor einiger Zeit eine Straße im Waidesgrund nach dem ermordeten Regierungspräsidenten Walter Lübcke benannt worden war, um ein Zeichen gegen politisch motivierten Terrorismus zu setzen, sei nachvollziehbar, findet er.

Schreiner hat das Missverhältnis in Fulda aber erkannt und einen Vorschlag eingebracht, der mittlerweile vom Magistrat beschlossen worden ist: Im gerade entstehenden Neubaugebiet in Haimbach-West sollen alle Straßen nach Frauen benannt werden. Hier werden künftig sechs Frauen für ihren „besonderen Beitrag in der Zeit der Wiedervereinigung beziehungsweise vor oder nach der politischen Wende“ gewürdigt. Folgende Bezeichnungen sind vorgesehen: Dr.-Limbach-Straße, Dr.-Hamm-Brücher-Straße, Dr.-Schwan-Weg, Dr.-Süssmuth-Weg, Dr.-Ritter-Weg und Bohley-Platz.

Das Besondere: In der Regel werden Straßen nach verstorbenen Personen benannt, zwei der genannten sind aber noch quicklebendig: die frühere Bundesfamilienministerin und Bundestags-Präsidentin Rita Süssmuth und die SPD-Politikerin Gesine Schwan. Sie haben bereits ihr Einverständnis erklärt – und wollen zur „Einweihung“ ihrer Straße nach Fulda kommen, sagt Schreiner.

Wer mit offenen Augen durch die Stadt geht, stößt zudem auch anderswo im öffentlichen Raum auf Spuren von Frauen, die die Geschichte Fuldas geprägt haben. In Ziehers-Nord etwa steht das Erna-Hosemann-Haus, am Aschenberg das Mally-Kühn-Haus.

Folgende Straßen sind bereits nach Frauen benannt:

Agnes-Huenninger-Straße, An St. Kathrin, An St. Ottilien, Augustastraße, Barbarastraße, Beatrixstraße, Bosestraße, Edith-Stein-Straße, Elisabethenstraße, Elisabeth-Selbert-Straße, Elisabeth-v.-Thadden-Straße, Elsa-Brandström-Platz, Florengasse, Gabriele-Münter-Straße, Gertrud-von-Le-Fort-Weg, Hildegard-Kronenberg-Straße, Josephine-Grau-Straße, Judy-Chicago-Straße, Karolinenstraße, Käthe-Kollwitz-Straße, Landgräfin-Anna-Straße, Liobastraße, Lioba-Munz-Straße, Lise-Meitner-Straße, Margarethenstraße, Marianne-Werefkin-Straße, Marienstraße, Maria-Ward-Straße, Marie-Curie-Straße, Marienplatz, Nonnengasse, Ottilienweg, Schwester-Adolfine-Weg, St.-Anna-Platz, Suttnerstraße.

Diese Straßen sollen im Neubaugebiet Haimbach-West hinzukommen:

Dr.-Limbach-Straße (nach der ehemaligen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Jutta Limbach), Dr.-Hamm-Brücher-Straße (frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt für die FDP Hildegard Hamm-Brücher), Dr.-Schwan-Weg (die SPD-Politikerin Gesine Schwan), Dr.-Süssmuth-Weg (Dr. Rita Süssmuth), Dr.-Ritter-Weg (nach der Bürgerrechtlerin und Ärztin Karin Ritter) und Bohley-Platz (nach der DDR-Bürgerrechtlerin Barbara Bohley).

Vor einigen Jahren ließ Soroptimist International in Fulda zudem blaue Bänke aufstellen, die auf Fuldaer Frauen aufmerksam machen: Im Garten des Bonifatiushauses etwa erinnert eine Sitzgelegenheit an Helene Weber, eine in der Lindenstraße an Maria Ward und am Gemüsemarkt an Josefine Grau. Während der Frauenwoche Anfang März wird jedes Jahr eine spezielle Stadtführung angeboten, um Fuldaer Frauen sichtbar werden zu lassen.

Trotzdem wird es wohl noch viele Jahrzehnte dauern – wenn es überhaupt gelingt –, bis Frauen den Vorsprung der Männer in Sachen Straßennamen eingeholt haben.

Im Mai 2022 haben die Fuldaer Stadtverordneten darüber entschieden, ob die Danzebrink-Straße in Fulda umbenannt wird.

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