Dass ihre Zahl in der Rhön seit Ende der 1970er Jahre immer weiter schrumpft, ist nach Worten des 49-Jährigen alarmierend – und zwar auch für viele andere Tiere und Pflanzen des rund 3000 Hektar großen, offenen Hochplateaus. „Das Birkhuhn ist das Flaggschiff, eine sehr empfindliche Art.“
Die Vögel bräuchten einen „sehr großen, intakten Lebensraum. Und wenn sich irgendwas negativ verändert, dann ist das Birkhuhn das Tier, was als erstes reagiert. Es ist eine Leitart, die anzeigt, wie es um die Qualität des Gebiets bestellt ist“, erklärt Kirchner. „Wenn es im Großen anfängt zu bröseln, sehen wir das ruckzuck bei den anderen Arten auch.“
Ob Vögel wie Raubwürger, Bekassine oder Braunkehlchen, aber auch viele Insekten: Die Wildland-Stiftung Bayern des Bayerischen Jagdverbandes, für die Kirchner arbeitet, ist um die Tiere des etwa 3300 Hektar großen Naturschutzgebietes im Reservat mehr als besorgt. Ihr Lebensraum wird immer kleiner, es gibt immer mehr Fressfeinde, der Mensch ist omnipräsent.
Im vergangenen Jahr kamen nach Angaben der Rhön GmbH mehr als 900.000 Menschen in der Rhön an. „Vor der Corona-Pandemie wurden 2018 und 2019 über 1,6 Millionen Ankünfte erfasst“, heißt es im aktuellen Bericht der Jahre 2018 bis 2021.
Artenerhalt ist nach Einschätzung von Jörg Müller, Professor für Tierökologie am Lehrstuhl für Zoologie der Universität Würzburg, oft ein schwieriges Unterfangen. „Das klappt mal, mal klappt es nicht.“ Global gesehen sei das Birkhuhn nicht bedroht. „Also gibt es keine Notwendigkeit, dass in der Rhön unbedingt Birkhühner sind.“
Allerdings gehe es beim Naturschutz zumeist darum, Artenvielfalt vor Ort und für die Menschen vor Ort zu erhalten. „Es ist eine legitime Sache, eine lebenswertere Umwelt zu erhalten“, sagt Müller. Die einen kämpften um die Bäume in ihrer Nachbarschaft, andere für den Feldhamster auf Bauland. Ob die Arbeit für das Birkhuhn in der Rhön erfolgreich sein wird, ist Müller zufolge unsicher, da die heute noch geeignete Lebensraumfläche sehr stark eingeschränkt ist.
Biologe Kirchner bittet Touristen daher, den Lebensraum der Tiere, vor allem nachts, zu respektieren und nicht zu stören. „Der Mensch als Mensch, der Fahrrad fährt, wandert, Ski läuft – er ist einfach immer präsent.“ Die Corona-Pandemie habe alles noch verschlimmert. „Jetzt stehen Zelte in der Landschaft, es wird der Grill mitgebracht, es wurde in Corona-Zeiten sogar die Stereoanlage ausgepackt.“
Aus seiner Sicht sollte es Übernachtungsverbote auf den Parkplätzen geben für zumindest stundenweise Ruhe im Reservat. Schneeschuh-Wandern würde Kirchner ebenfalls untersagen. Viele Touristen seien jenseits der markierten Wege unterwegs – eine Katastrophe für die Tiere, die mit ihrer Energie haushalten müssten.
„Grundsätzlich den Menschen auszusperren, halte ich für Quatsch“, sagt der Vater zweier Kinder. Aber Aufklärung über die Folgen sei wichtig. Die Steuerzahler zahlten für den Erhalt des Naturschutzgebiets. „Und dann muss man den Menschen eigentlich auch die Möglichkeit geben, es zu genießen.“ Schließlich sei die Lange Rhön das größte Naturschutzgebiet Bayerns außerhalb der Alpen.