„Ich musste die Kinder da rausholen“ - Ukrainische Mutter kommt mit Hilfskonvoi nach Fulda
Geflüchtete Menschen vor Ort unterstützen und ihnen die Ausreise nach Deutschland ermöglichen: Das war das Ziel eines Hilfskonvois, der sich am Freitag von Fulda aus auf den Weg zur polnisch-ukrainischen Grenze gemacht hat.
Fulda/Medyka - Ein Konvoi aus sieben Sprintern mit 23 Menschen an Bord hat am Freitag die 1144 Kilometer lange Fahrt Richtung Osten angetreten. Normalerweise werden mit den Bussen Kinder und Erwachsene mit Behinderung zu ihren Schulen, Arbeitsplätzen oder Terminen gefahren. An diesem Wochenende aber zeigt das Navi ein anderes Ziel an: Die Grenze zwischen Polen und der Ukraine. Initiiert hat die Hilfsaktion das „Netzwerk FDP Fulda“. Verschiedene Hilfsgüter sollen an die Grenze gebracht werden.
Die Busse der Firma Köhler rollen über die Autobahn: Erst durch Deutschland, dann durch Polen. Es werden nur kurze Pausen gemacht. Auch Maria Köstler hat sich dem Konvoi angeschlossen, um zu übersetzen. Die 42-Jährige ist vor etwa vier Jahren aus der Ukraine nach Fulda gezogen.
Ukraine-Krieg: Familie auf der Flucht kommt mit Hilfskonvoi nach Fulda
In Medyka, der letzten polnischen Stadt vor der Ukraine, trifft Köstler am Samstagmittag die Familie Schewtschenko und fragt sie, ob sie - nachdem die Hilfsgüter ausgeladen sind - mit nach Fulda fahren will. Sie will.
Am Grenzübergang, hinter der ukrainischen und der polnischen Kontrollstation, warten zahlreiche Menschen auf Busse, um zum Bahnhof gefahren zu werden. Es sind vor allem Frauen, Kinder und Großeltern. Die meisten reisen in kleinen Gruppen, oft in der Kernfamilie.

Manchmal nehmen sie etwas von dem Essen an, das Freiwillige dort verteilen. Nur wenige trauen den Angeboten für Mitfahrgelegenheiten - aus Angst, auf Menschenhändler oder Zuhälter hereinzufallen.
Immer wieder kommen größere Gruppen in Medyka an, werden mit dem Notwendigsten versorgt und ziehen weiter. „Sie wollen nah an der Grenze zur Ukraine bleiben, um nach dem Ende des Krieges schnell wieder zu Hause zu sein“, sagt Köstler. Schließlich fahren 23 geflüchtete Menschen mit in Richtung Fulda. Einige steigen in Dresden aus, andere fahren weiter nach Magdeburg. Neun von ihnen wollen im Kreis Fulda in einer Unterkunft bleiben.
Damit die medizinischen Hilfsgüter möglichst effektiv vor Ort eingesetzt werden, begleiten der Arzt Dr. Hermann Grauel und der Krankenpfleger Leon Seiß den Konvoi. Während alle anderen am Samstag zur Grenze, erst nach Przemyśl und dann nach Medyka fahren, trennt sich der Kleinbus mit Grauel und Seiß vom Konvoi.
Sie behandeln direkt nach dem Passieren der Grenze Menschen, die medizinische Versorgung brauchen. Manche haben zu lange zu wenig gegessen und sind erschöpft von der Reise. Andere sind durch Alter oder Krankheit ohnehin schon geschwächt.
Hilfe aus Fulda
Der Hilfskonvoi mit sieben Sprintern hat sich am Freitagmorgen von Fulda aus auf den Weg an die polnisch-ukrainische Grenze gemacht, um Hilfsgüter zu ukrainischen Flüchtlingen zu bringen. Mitgefahren ist unsere Volontärin Alina Komorek. Eine ausführliche Reportage mit Eindrücken von der Grenze ist in der Montagausgabe der Fuldaer Zeitung und im E-Paper erschienen.
Grauel und Seiß helfen ihnen, bis der Konvoi am Nachmittag die Rückfahrt antritt. „Wenn ich das Gefühl habe, ich kann da einem Mediziner vertrauen, gebe ich ihm die Medikamente“, erklärt Grauel. Am Ende des Samstagnachmittages sind die vielen Kisten mit Insulin, Antibiotika und Erkältungsmitteln verteilt.
Nach einer kurzen Nacht im Hotel geht es zurück Richtung Fulda. Erst am Sonntagmorgen um 5 Uhr kommen alle sicher an - auch Julia Schewtschenko und ihre 13-jährige Tochter Daria und ihr sechsjähriger Sohn Alexander. Die Familie hat keine Verwandtschaft außerhalb der Ukraine, bei der sie unterkommen könnte. Jetzt sind sie in Deutschland.

Vor ungefähr einer Woche ist Julia Schewtschenko schon aus Tscherkasy am Dnepr im Zentrum der Ukraine geflohen und bei ihrem Onkel in Lemberg, kurz vor der Grenze zu Polen, untergekommen. Doch die Sirene, die vor Luftangriffen warnt, ging so häufig, dass sie mit ihren Kindern immer öfter in den Keller musste – bei Minustemperaturen bis zu acht Stunden am Tag.
Ihr Mann hat sie zum Verlassen der Ukraine überredet. Obwohl ihr Mann Verletzungen am Knie und am Rücken hat, hat er sich freiwillig gemeldet, um die Armee zu unterstützen und wenn nötig zu kämpfen.
„Ich musste die Kinder da rausholen“ - Ukrainische Mutter kommt in Fulda an
Wenn sie keine Kinder hätte, wäre Schewtschenko selbst geblieben. „Ich wollte bis zum letzten Moment nicht das Land verlassen“, erzählt sie auf Ukrainisch. „Aber ich musste meine Kinder da rausholen.“ Schewtschenko ist Lehrerin und sorgt sich vor allem um die Kinder, die das alles mitbekommen. Ihr sechsjähriger Sohn hat sich schon fast an den Krieg gewöhnt.
Die Familie Schewtschenko wird in Eichenzell in einer Gaststätte untergebracht, bis die Wohnung, die Fuldas FDP-Chef Mario Klotzsche organisiert hat, für sie bereitsteht.