Weil sie fast jeden Tag Menschen trifft, die vor und während der Flucht schreckliche Dinge erlebt haben, die geliebte Menschen zurücklassen mussten oder gar verloren haben, kann sie die emotionale Lage der Menschen einschätzen: „Es gibt viel professionelle psychologische Hilfe von Menschen, die aus der Ukraine kommen und deshalb die Sprache sprechen.“ Aber häufig würde Hilfe abgelehnt, weil viele - vor allem Männer, darunter Soldaten - nicht als schwach oder psychisch krank gelten wollten. (Lesen Sie auch: Reha-Klinik Wüsthofen behandelt drei Ukraine-Kriegsopfer)
Kinder wiederum reagierten erstaunlich gefestigt auf die Situation: „Kinder wollen zurück, ihnen fehlt die Ukraine – obwohl sie sich hier wohlfühlen.“ Aber die ukrainische Heimat sei eben das Zuhause. Gleichzeitig lernten die Kinder wahnsinnig schnell die neue Sprache – „und unterhalten sich sonst eben mit Händen und Füßen“, sagt Köstler und lacht.
Schwierig sei die Situation aufgrund der Schulpflicht in Deutschland: Die Kinder nehmen oft sowohl am deutschen als auch am ukrainischen Unterricht teil. Denn der Unterricht wird von der Ukraine aus über das Internet übertragen, und gleichzeitig seien die ukrainischen Kinder verpflichtet, eine deutsche Schule zu besuchen. Dadurch lernten sie zwar schnell Deutsch, aber lebten weiterhin in zwei Welten. Das hält den Wunsch, wieder in den verlorenen Alltag zurückzukehren, ständig präsent.
In der Ukraine haben die Kinder drei Monate Ferien, in denen sie an Seen fahren, die Großeltern besuchen, im Meer schwimmen.
Ein weiterer Nachteil: In der Ukraine haben die Kinder den ganzen Sommer über Ferien. „Drei Monate“, sagt Köstler und denkt dabei an ihre Kindheit zurück. „Drei Monate, in denen wir an Seen fahren, die Großeltern besuchen, im Meer schwimmen.“ Dagegen fühlten sich die sechs Wochen Sommerferien, die nach dem letzten Schultag am Freitag anstehen, ziemlich kurz an, findet Köstler.
Sie selbst ist in Gedanken von Fulda aus fortwährend bei ihren Eltern und allen, die in der Ukraine sind. Wenn es nicht für die Liebe gewesen wäre, das betont sie, hätte sie ihre Heimat nie verlassen. Sie versteht, dass die meisten, die aus der Ukraine geflüchtet sind, hoffen, bald wieder zurückkehren zu können. Als sie nach dem Gespräch zum Auto geht, flattert aus ihrer Handtasche an ihrem Schlüsselbund ein blau-gelber Anhänger.