1. Fuldaer Zeitung
  2. Fulda

Lebensmittel werden knapp: Bei Landwirten in Fulda schrillen „alle Alarmglocken“

Erstellt:

Von: Daniel Krenzer

Sowohl die Ukraine als auch Russland produzieren viele Lebensmittel. Fällt in diesem Jahr die Ernte ganz oder in Teilen aus, dann hätte das weltweit schwerwiegende Folgen. Und schon jetzt lassen sich Auswirkungen des Krieges in den Supermärkten feststellen – auch bei uns in Osthessen.

Osthessen - Die Ukraine gilt als Kornkammer Europas. Neben Weizen werden Mais, Raps und Sonnenblumen in größerer Menge angebaut. Auch in Russland wird viel Weizen für den europäischen Markt produziert. Damit es nicht zu einem totalen Ernteausfall in der Ukraine kommt, hat Präsident Wolodymyr Selenskyj die Landwirte aufgefordert, in den kommenden Tagen auszusäen – vor allem aber erst einmal, um den eigenen Bedarf im Land zu decken. Zudem sind die Lieferwege stark eingeschränkt oder blockiert. Russland schränkt die Ausfuhr von Weizen, Gerste und Roggen zeitweise ein.

Wie werden Lücken geschlossen? Grundsätzlich ist wohl genug Ersatz für die voraussichtlich weniger produzierten Lebensmittel auf der Welt verfügbar. Allerdings müssen dafür neue Lieferwege aufgebaut werden. Australien und Südamerika könnten beim Getreide einspringen, vielleicht auch Indien.

Das Land hat bislang wenig Getreide exportiert, hätte aber wohl Kapazitäten. Allerdings verlangt Indien dafür einen Preis, der höher liegt als der von Getreide aus Russland und der Ukraine. Zudem wird derzeit viel Getreide verfüttert, obwohl es Alternativen gebe. Auch hier gebe es also noch die Möglichkeit, zusätzliches Getreide in den Lebensmittel-Umlauf zu bekommen. (Lesen Sie hier: „Ich musste die Kinder da rausholen“ - Ukrainische Mutter kommt mit Hilfskonvoi nach Fulda)

Ukraine-Krieg: Lebensmittelknappheit lässt bei Landwirt Alarmglocken schrillen

Was für Risiken birgt die Lebensmittelknappheit? Lebensmittel benötigt nun einmal jeder. Und wird diese Grundlage des Lebens teurer, dann bekommt dies jeder zu spüren – und das ohne allzu viele Möglichkeiten, sich dieser Teuerung zu entziehen. Damit folgt auf eine massive Erhöhung von Lebensmittelpreisen häufig eine politische Instabilität. Steigende Lebensmittelpreise gelten als einer der Auslöser des sogenannten Arabischen Frühlings. Im Irak und der Türkei protestierten bereits viele Menschen gegen die Preiserhöhungen für Lebensmittel. Und wenn sich Menschen in ihrer Heimat keine Lebensmittel mehr leisten können, drohen neue Fluchtbewegungen.

Zumal der Ukraine-Krieg in eine Zeit fällt, in der die Wirtschaftskreisläufe noch unter den Belastungen aus der Corona-Krise ächzen. Nun drohen die wohl steigenden Lebensmittelpreise die ohnehin hohe Inflation weiter anzuheizen. Somit entstehen wirtschaftliche Risiken mit derzeit schwer abschätzbaren Folgen.

Ukraine-Krieg: Wie ist die Lage in den Supermärkten in Osthessen?

Die Regale für Speiseöle waren zuletzt in manchen Supermärkten leer. „Die Ukraine steht für 51 Prozent der auf dem Weltmarkt zur Verfügung stehenden Menge an Sonnenblumenöl. Das Land gehört für Deutschland zu den wichtigsten Importländern“, weiß Matthias Pusch, Pressesprecher von Tegut in Fulda. Daher sei mit Auswirkungen auf die Märkte zu rechnen. Die Brotweizenversorgung sei aber nicht gefährdet.

Dass die teils jetzt schon leeren Regale eher auf das Kundenverhalten als auf ausbleibende Lieferungen zurückzuführen ist, stellt Manfred Habig, Inhaber der Habig-Supermärkte in Bad Soden-Salmünster und Steinau (Main-Kinzig-Kreis), fest: „Die Gründe dafür sind die sprunghaft einsetzende Nachfrage, da kommt die Logistik so schnell nicht nach.“

Laut sozialen Netzwerken nutzen manche das Speiseöl zum Tanken – das funktioniert aber nur bei sehr wenigen alten Fahrzeugmodellen. Dass in Russland produzierte Waren vielerorts nicht mehr zu haben sind, liegt hingegen an Boykotten.

Landwirt: „Bei Lebensmitteln ganz schön abhängig von anderen Ländern gemacht“

Bei den Landwirten in der Region schrillen aktuell „alle Alarmglocken“ – wie es seitens des Kreisbauernverbandes Fulda heißt. „Wir haben uns bei Lebensmitteln ganz schön abhängig von anderen Ländern gemacht“, stellt Philipp Jahn fest, der in Fulda einen landwirtschaftlichen Betrieb hat. Durch den Krieg in der Ukraine sieht er eine Preisspirale nach oben in Gang gesetzt.

„In den kommenden Wochen werden Lebensmittel deutlich teurer werden – allein schon wegen der gestiegenen Energiepreise“, blickt Jahn voraus. „Dass manche Lebensmittel sogar knapp werden, das kenne ich nur aus Erzählungen von meinem Opa, das beschäftigt einen schon“, sagt er.

Getreideernte
Russland ist ein bedeutender Exporteur auf dem internationalen Weizenmarkt. Ein Landwirt aus Fulda kritisiert nun diese Abhängigkeit bei Lebensmitteln. (Symbolfoto) © Christoph Schmidt/dpa

Andere Feldfrüchte als geplant anzubauen, um Engpässen vorzubeugen, käme für die Landwirte in Osthessen aber eher nicht infrage. Zum einen ließe sich die Fruchtfolge nicht so ohne weiteres ändern. „Und manche Dinge wachsen hier einfach nicht so gut – wie zum Beispiel Sonnenblumen“, weiß der 38-Jährige. In Süddeutschland sei das eher möglich.

Welche weiteren Belastungen kann es durch den Krieg in der Ukraine geben?

Schon vor dem Krieg stiegen die Preise für Dünger – und nun aufgrund der hohen Energiekosten noch stärker. „Wir sprechen hier inzwischen von einer Vervierfachung“, berichtet Landwirt Frank Amend aus Steinau an der Straße. Allerdings sei nicht nur der Preis ein Problem, sondern zunehmend lange Lieferzeiten.

„Eine Weile lässt sich das überbrücken, aber irgendwann brauchen die Pflanzen neue Nährstoffe. Wenn der Dünger weiterhin fehlt, dann drohen auch uns in diesem Jahr niedrigere Erträge“, gibt Amend zu bedenken. Zudem sei der hohe Dieselpreis eine enorme Belastung, mit knapp 2000 Euro mehr im Monat schlage dies beim aktuellen Preis derzeit für Amend zu Buche. „Meine Milch kann ich trotzdem nicht teurer verkaufen, mehr zahlt die Molkerei nicht“, sagt der Steinauer.

Kurzfristig seien diese Schwierigkeiten irgendwie zu überbrücken, da das vergangene Jahr wieder ertragreicher gewesen sei. „Mittelfristig bereitet das aber große Sorgen. Wie diese Spirale durchbrochen werden kann, da ist letztlich die Politik gefragt“, betont er. Denn wenn nun mehr hiesige Landwirte aufgäben, erzeuge dies nur noch mehr Abhängigkeiten von anderen Ländern.

Auch interessant