Nach Angaben des Experten Helbig leben Pilze auf unterschiedliche Weise: die einen als sogenannte Zersetzer wie etwa Champignon und Riesenbovist, die anderen leben in Symbiose mit Pflanzen - als sogenannter Mykorrhiza-Pilz. Das sind beispielsweise Steinpilz oder Marone. „Die Pilze, die eine Symbiose mit Bäumen im Wurzelsystem eingehen, sind in diesem Jahr etwas später dran“, berichtet er. (Lesen Sie hier: Unterernährt und ohne Mutter: Fuldaer Tierschützer päppeln Igel-Babys auf)
„Mykorrhiza-Pilze wie der Steinpilz gehen eine Symbiose mit Baumarten wie der Kiefer oder der Eiche ein“, erklärt Helbig. Die Bäume stehen nach den vergangenen Jahren mit wenig Regen in einigen Regionen im Trockenstress. „Geht es diesen Bäumen beziehungsweise dem Wald nicht gut, geht’s auch den Mykorrhizapilzen nicht gut.“ Letzten Endes komme es auf die Vitalität des Baumes an, denn das Aufkommen von Pilzarten sei nicht nur eng verbunden mit ihrer Ernährung, sondern auch mit Niederschlag.
Immer wieder greifen Sammler für die Pilzbestimmung zu Apps. Schwere Vergiftungen können die unliebsame Folge sein.
Zum Ende der Pilzsaison warnen Pilz-Fachleute vor dem blinden Vertrauen auf Apps. Zahlreiche Anwendungen sollen beim Identifizieren von Pilzen helfen, doch eine falsche Antwort kann im Zweifelsfall Leben kosten. „Ich hoffe nicht, dass Leute nur nach so einer Pilz-App sammeln“, sagt Katrin Romanek, Fachärztin für Innere Medizin und Oberärztin beim Giftnotruf München.
Denn: Pilze könnten extrem unterschiedlich aussehen, je nachdem wie jung oder alt der Fruchtkörper sei. „Und auch witterungsbedingt können die sich sehr stark unterscheiden“, sagt Romanek. „Apps und Bücher sind sehr gut geeignet, um sich in das Thema einzuarbeiten“, sagt Klaus Bornstedt, dessen App „Meine Pilze“ mehr als 100.000 Downloads verzeichnet. Doch er betont auch: Für mehr als eine erste Einschätzung reiche es nicht. „Man sollte sich, bevor man einen unbekannten Pilz isst, immer bei einer Pilzberatung schlaumachen“, rät er.
Eine Liste mit Pilzsachverständigen in Deutschland gibt es online auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Mykologie.
Allein 381 Menschen haben in diesem Jahr bereits beim Giftnotruf München angerufen. Weniger als im vergangenen Jahr, dafür sind es „ziemlich viele schwere Pilz-Vergiftungen“, sagt Romanek. Eine genaue Zahl konnte sie nicht nennen. Für Laien hat Romanek einen einfachen Rat: „Wenn man nicht hundertprozentig weiß, was man macht, dann sollte man nur Röhrenpilze sammeln - keine Lamellenpilze.“
Das bestätigt auch Rita Lüder, Vizepräsidentin der Deutschen Gesellschaft für Mykologie. „95 Prozent der Pflanzen leben in Symbiose mit Pilzen, sie stellen den Pflanzen Wasser mit darin gelösten Mineralstoffen zu Verfügung. So unterstützen sie das Wachstum der Pflanzen. Von den Pflanzen bekommen sie Zucker, den sie für ihr Wachstum brauchen“, erklärt die Biologin.
Ihrer Ansicht nach wird die Bedeutung der Pilze für das Ökosystem in Land und Forstwirtschaft zu gering geschätzt. „Die Erde ist eine Scheibe, was das Pilzwissen in der Grundlagenforschung in der Ökologie anbelangt“, beschreibt Lüder. „Pilze tragen viel zur Bodenqualität bei, sie halten ihn vital. Auf Äckern geben sie Früchten wie Erdbeeren oder Getreide durch Wechselwirkung auch einen Geschmack“. Dazu gebe es Studien. „Es geht nicht ohne die Pilze“, betont die promovierte Biologin.
Zugleich fordert die Expertin mehr Wissensvermittlung in den Schulen. Pilze seien genauso wichtig wie die Pflanzen und das wisse in der Bevölkerung fast niemand, so die Expertin. Es gebe noch Lehrmaterial, in dem das Ökosystem Wald ohne Pilze erklärt werde. (dpa)