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Belarus: Heftige Reaktionen auf Lukaschenkos „Krieg gegen Europa“

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Von: Sandra Kathe

Tausende Geflüchtete halten sich im EU-Grenzgebiet zu Belarus auf. An der Grenze zu Polen scheint die Lage zu eskalieren.

Update von Dienstag, 09.11.2021, 12.40 Uhr: Als Reaktion auf die Lage an der EU-Grenze zu Weißrussland hat die EU die Entscheidung getroffen, ein Abkommen über Visaerleichterungen mit Belarus für „Amtsträger des belarussischen Regimes“ teilweise auszusetzen. „Dieser Beschluss ist eine Reaktion auf den laufenden hybriden Angriff seitens des belarussischen Regimes“, teilte die Europäische Union am Dienstag mit. Bereits am Mittwoch könnten die Botschafter der 27 Mitgliedstaaten in Brüssel eine weitere Verschärfung der Strafmaßnahmen auf den Weg bringen. Dabei geht es um das neue Kriterium der Instrumentalisierung von Geflüchteten und der Menschenschlepperei.

„Wir verurteilen die laufende Instrumentalisierung der Migration durch das belarussische Regime aufs Schärfste und lehnen sie entschieden ab. Es kann nicht hingenommen werden, dass Belarus für politische Zwecke mit dem Leben von Menschen spielt“, kritisierte der slowenische Innenminister Aleš Hojs im Namen des derzeitigen EU-Ratsvorsitzes. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) betonte in einer MItteilung vom Dienstag, die Instrumentalisierung der Migrant:innen durch das Regime in Minsk sei „als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und kriegerischer Akt gegen Europa zu werten“. Die IGFM warnt vor einer „neuen Form des Kalten Krieges“ an der polnisch-belarussischen Grenze.

Eine Menschenrechtsorganisation verurteilte den Umgang Weißrusslands mit Geflüchteten aus Krisengebieten
Eine Menschenrechtsorganisation verurteilte den Umgang Weißrusslands mit Geflüchteten aus Krisengebieten als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit und kriegerischer Akt gegen Europa“. © Leonid Shcheglov/AFP

Belarus: Tausende an der Grenze zu Polen - Lage verschlimmert sich

Erstmeldung von Dienstag, 09.11.2021, 10.51 Uhr: Warschau/Minsk - Die Situation der Geflüchteten, die an der EU-Grenze zwischen Belarus und Polen festsitzen*, verschärft sich weiter. Tausende Migrant:innen in der Grenzregion haben die Nacht in Zelten verbracht. Belarussische Staatsmedien veröffentlichten Fotos und Videos von Menschen, die sich um Lagerfeuer versammelten und Kindern, die in Schlafsäcken auf dem Boden in dem Waldgebiet lagen.

Wegen der immer dramatischer werdenden Zustände vor Ort steht vor allem die belarussische Regierung um den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko* in der Kritik. Dessen Innenminister, Iwan Kubrakow, bestätigte zwar laut Staatsagentur Belta am Dienstag, dass die Zahl der Migrant:innen in Belarus zugenommen habe, aus offiziellen Quellen hieß es jedoch, die Menschen kämen mit Visa ins Land „und checken in Hotels ein“.

Geflüchtete im Grenzgebiet zwischen Weißrussland und der EU verbringen die Nächte an Lagerfeuern oder in Zelten.
Geflüchtete im Grenzgebiet zwischen Weißrussland und der EU verbringen die Nächte an Lagerfeuern oder in Zelten. © Leonid Shcheglov/AFP

Eskalation an der EU-Grenze zu Weißrussland: Etwa 4000 Geflüchtete im Grenzgebiet

Seitens der EU wird den belarussischen Behörden im Gegensatz dazu vorgeworfen, die Menschen gezielt aus Krisenregionen einzufliegen*, in Richtung der EU-Grenzen zu drängen und dann nicht mehr zurück ins Landesinnere zu lassen. Der womögliche Grund: Vergeltung für Sanktionsbeschlüsse.

Am Montag hatten nach Angaben polnischer Behörden größere Gruppen von Migrant:innen auf der belarussischen Seite in der Nähe des mittlerweile geschlossenen Grenzübergangs Kuznica vergeblich versucht, die Zaunanlage zu durchbrechen. Laut polnischen Behörden hielten sich zwischen 3000 und 4000 Geflüchtete im Grenzgebiet auf.

Polens Regierungschef Morawiecki: Lage an der Grenze zu Weißrussland bedroht Stabilität der EU

Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki sieht die EU durch den Andrang tausender Migranten an der polnischen Grenze zu Belarus in Gefahr. „Heute steht die Stabilität und Sicherheit der gesamten EU auf dem Spiel“, erklärte Morawiecki am Dienstag (09.11.2021) auf Twitter.

„Die Abriegelung der polnischen Grenze ist unser nationales Interesse“, erklärte Morawiecki. Doch „dieser hybride Angriff des Regimes von Lukaschenko richtet sich gegen uns alle“. Polen werde sich nicht einschüchtern lassen und „den Frieden in Europa gemeinsam mit unseren Partnern aus NATO und EU verteidigen“. Auch die EU-Länder Lettland und Litauen meldeten in den vergangenen Monaten zahlreiche illegale Grenzübertritte aus Belarus.

Geflüchtete an der Grenze zwischen Weißrussland und der EU: Litauen beantragt Ausnahmezustand

Litauen will angesichts der zugespitzten Lage an der EU-Außengrenze zu Belarus für einen Monat den Ausnahmezustand in der Grenzregion ausrufen. Die Regierung des baltischen EU-Landes legte dem Parlament in Vilnius ebenfalls am Dienstag einen entsprechenden Beschluss zur Billigung vor. Das Kabinett folgt damit einem Vorschlag von Innenministerin Agne Bilotaite.

Der Ausnahmezustand soll demnach ab Mitternacht entlang der Grenze zu Belarus und fünf Kilometer landeinwärts gelten sowie in den Migrantenunterkünften in Kybartai, Medininkai, Pabrade, Rukla und Vilnius. Dort kam es am Montag zu Unruhen - in einem Lager wurde Tränengas eingesetzt. (ska/dpa/kna/AFP) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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