Salafismus findet starken Zulauf: «Problem an der Wurzel packen»
- Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Das erste landesweite Präventionsnetzwerk gegen Salafismus in Deutschland hat in den ersten vier Monaten seines Bestehens bereits Erfolge vorzuweisen. Mit 19 jungen Menschen aus Hessen, von denen einige schon in Syrien waren, haben die Mitarbeiter der Beratungsstelle des Violence Prevention Network (VPN) direkten Kontakt, wie VPN-Geschäftsführer Thomas Mücke der Nachrichtenagentur dpa sagte. «Zwei von ihnen haben deutlich gesagt, sie wollen aussteigen.» Unter den 19 jungen Leuten seien 8 Häftlinge des Jugendgefängnisses in Wiesbaden sowie einige Untersuchungshäftlinge aus Frankfurt.
Die VPN-Mitarbeiter hätten zudem bereits Kontakt zu rund 50 Angehörigen radikalisierter Jugendlicher, sagte Innenminister Peter Beuth (CDU) bei der Eröffnung der Zentrale der «Beratungsstelle Hessen - Religiöse Toleranz statt Extremismus» am Montag in Frankfurt.
«Der Salafismus ist die dynamischste und am schnellsten wachsende islamistische Bewegung», sagte Beuth. Derzeit gebe es in Hessen schätzungsweise 1200 Salafisten, Tendenz steigend. «Wir wollen das Problem an der Wurzel packen.» Die Beratungsstelle solle informieren, beraten, sensibilisieren und sich um Aussteigewillige kümmern.
Neben der Prävention müssten alle «repressiven Maßnahmen» der staatlichen Stellen genutzt werden, um den Fahndungsdruck auf die salafistische Szene zu erhöhen, sagte Beuth. Die Ermittlungen gegen gewaltbereite Salafisten soll künftig das Landeskriminalamt (LKA) in Wiesbaden koordinieren. Einen entsprechenden Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» bestätigte ein Sprecher des Innenministeriums. Einzelheiten wollte Beuth dazu am Montag aber nicht nennen.
Das Land fördert das im Juli gegründete Präventionsnetzwerk mit 217 500 Euro in diesem und rund 400 000 Euro im kommenden Jahr. In der Beratungsstelle sind vier feste und mehrere freie Mitarbeiter beschäftigt. Hessen sei mit dem Projekt Vorreiter in Deutschland, betonte Mücke. «Das Projekt muss langsam wachsen.» Denn es müssten auch geeignete Menschen für die Arbeit gefunden werden.
Das Frankfurter Jugend- und Sozialdezernat lobte die Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle. «Es sind alle an einer engen Vernetzung interessiert», sagte Büroleiter Robert Standhaft. Die Aufklärung sei sehr wichtig. «Wir müssen den jungen Leuten klar machen, dass sie in die Hände von «Rattenfängern» gelangen.»
In einer Frankfurter Caritas-Wohngemeinschaft sind nach Recherchen von hr-info 2006/2007 sechs Jugendliche zu Salafisten geworden. Einer von ihnen, der 2010 mit 21 Jahren die Einrichtung verließ, soll 2013 nach Syrien gezogen sein. Die Caritas habe damals (2006/2007) aber richtig reagiert, ihre Mitarbeiter geschult und Gespräche mit islamischen Gemeinden und Fachleuten gesucht, sagte Standhaft. Das Konvertieren der jungen Leute sei zwar damals auch schon auffällig gewesen, aber der Salafismus noch nicht so im Bewusstsein.
Caritas-Sprecherin Christine Hartmann-Vogel bestätigte, dass die jungen Leute konvertiert seien. Es habe damals aber keine Hinweise auf extreme Haltungen oder die Rechtfertigung von Gewalt gegeben. «Wenn es zu Radikalisierungen gekommen ist, dann jedenfalls nicht unter unseren Augen.»