„Spiegel der Gesellschaft“: Probenauftakt bei den Bad Hersfelder Festspielen mit „König Lear“

Mit einer Leseprobe hat die heiße Phase vor den 72. Bad Hersfelder Festspielen begonnen. Beim diesjährigen Eröffnungsstück „König Lear“ werden in den Hauptrollen TV- und Theater-Star Charlotte Schwab sowie der Schauspieler Max Herbrechter zu sehen sein.
Bad Hersfeld - Intendant Joern Hinkel hat sein Star-Aufgebot für die diesjährigen Bad Hersfelder Festspiele präsentiert. „Ich sage das mal in aller Bescheidenheit: Ich kenne kein Sprechtheater-Sommerfestival in Deutschland, das ein so hochkarätig besetztes, renommiertes Ensemble hat“, sagte er am Dienstag zum Probenauftakt.
Bad Hersfelder Festspiele: Probenauftakt mit „König Lear“
Zur Leseprobe versammelten sich unter anderem Charlotte Schwab, Max Herbrechter, Friederike Ott und Thomas Huber. Sie werden in dem von Regisseurin Tina Lanik inszenierten Shakespeare-Drama „König Lear“ zum Auftakt der 72. Festspielsaison am 30. Juni in der Stiftsruine zu sehen sein. Dabei wird Schwab den König spielen und in eine Männerrolle schlüpfen.
Hinkel versprach ein „sensationelles Stück vor einer atemberaubenden Kulisse“. Die Inszenierung des Shakespeare-Klassikers sei „kein dröger Schulstoff, der anstrengend ist und unverständlich serviert, sondern es ist eine mitreißende, fantasievolle, atemlose Geschichte mit brillanten Schauspielern. Also keine Angst vor Shakespeare und keine Angst vor diesem Stück.“ Das Drama erzählt die Geschichte eines Königs, der sein Reich an die falschen Töchter übergibt, die ihm bald nach dem Leben trachten. Lear verfällt darüber dem Wahnsinn.
Für Regisseurin Tina Lanik spiegelt die Tragödie mit den Generationenkonflikten, familiären Machtkämpfen, Intrigen und Emotionen über Liebe, Hass, Angst bis hin zu Wahnsinn die Gegenwart.
„Es geht in ‚König Lear‘ um die entscheidenden Fragen: ‚Was ist ein Mensch? Was macht ihn am Ende aus? Wird er verrückt über alles, was ihn umgibt?‘ Und wir leben in einer Welt, in der man verrückt werden könnte, wenn man sich umschaut und sieht, wie viel Ungerechtigkeit es gibt, wie viel Kriege, wie die Natur zerstört wird“, sagte sie. Das seien alles Themen, die in „König Lear“ behandelt würden. „Im Stück gibt es wenig Hoffnung. Ich hoffe, dass wir die Zuschauer aufrütteln und zum Nachdenken bringen, aber sie natürlich auch unterhalten können.“
Lanik habe das Stück nur unter der Bedingung inszeniert, dass die 70-jährige Charlotte Schwab den König Lear spielt, berichtete sie. „Wir haben schon viele Stücke zusammen gemacht, und ich weiß, dass sie eine Schauspielerin ist, die das spielen kann mit ihrer Power, Kraft und Ausstrahlung“, erläuterte die 49-Jährige. Zum anderen sei es ein Grundproblem im Theater, dass es für Frauen ab einem gewissen Alter im klassischen Kanon keine Rolle - außer vielleicht die der Amme - gebe. „Ich finde, wir alle haben die Verantwortung, das zu ändern und sichtbar zu machen.“
Die Besetzung der Männerrolle mit einer Frau sei ein Spiegel der Gesellschaft, sagte Schwab, die bei der Leseprobe einen Vorgeschmack auf ihre kraftvolle Darstellung des König Lear gab. „Ich sehe, wie die Gesellschaft sich verändert, etwa in Hinblick auf das Gendern und das Queersein. Das ist toll.“
Mit Schwab verkörpert in der Stiftsruine zum ersten Mal eine Frau den Patriarchen in dem Shakespeare-Drama. Das Stück wurde bereits vier Mal in Bad Hersfeld aufgeführt - in den Jahren 1967, 1981, 1995 und 2012. Zuletzt stand der 2021 verstorbene Schauspieler Volker Lechtenbrink als König Lear auf der Bühne. Schwab, die derzeit am Burgtheater in Wien engagiert ist und dem deutschen Fernsehpublikum durch zahlreiche Fernsehauftritte etwa in Krimiserien wie „Das Duo“ und „Alarm für Cobra 11“ bekannt ist, wirkt erstmals bei dem Theaterfestival mit.
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So auch Max Herbrechter („Tatort“, „Petersson und Findus“), der den Gloucester spielt - den zweiten Vater im Stück, der die Augen vor den wahren Absichten seiner Kinder verschließt. Gloucester sei anfangs ein Macho, ein alter Patriarch der später abstürze und am Ende mehr und mehr erkenne, welche Fehler er gemacht habe, beschrieb der 65-Jährige den von ihm dargestellten Charakter. Er sei froh, eine Rolle mit Ecken und Kanten spielen zu können. „Das ist schauspielerisch immer ein bisschen interessanter.“ Zudem freue er sich, dass Regisseurin Tina Lanik „dieses schwere Stück in einem gewissen Rahmen schräg angeht“.
Neben „König Lear“ stehen bei den Festspielen in diesem Sommer (bis 27. August) unter anderem „Der Club der toten Dichter“, „Die Rache der Fledermaus“, „Das kleine Gespenst“ sowie das Musical „Jesus Christ Superstar“ auf dem Programm. (dpa)