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„Druck auf Ungeimpfte war groß“: Bundespolizist wegen falscher Impfbefreiung vor Gericht

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Von: Alisa Kim Göbel

Corona-Impfung
Ein 60-jähriger Bundespolizist mit Allergien war für sich selbst zu dem Schluss gekommen, dass eine Corona-Impfung für ihn schädlich sei. Deshalb besorgte er sich eine Impfbefreiung im Internet. © Thomas Frey/dpa Pool/dpa/Symbolbild

Er beantwortete im Internet einen Fragebogen und bekam dafür eine Impfbefreiung, da er Nebenwirkungen durch eine Corona-Impfung für sich vermutete. Doch für den allergiegeplagten Bundespolizisten endete dieses Vorgehen am Dienstag vor dem Hünfelder Amtsgericht.

Hünfeld - „Ich weise den Vorteils-Vorwurf, den die Staatsanwältin vorbringt, von mir ab. 95 Prozent der Belegschaft bei der Bundespolizei sind geimpft. In einem Mitarbeiterschreiben hieß es, dass ‚Ungeimpfte unsozial‘ seien – der Druck auf die ungeimpften Kollegen war sehr groß“, erklärte sich der Angeklagte, der bei der Bundespolizei Hünfeld arbeitet und die Impfbefreiung an seinem Arbeitsplatz vorlegte. Als Allergiker habe sich der 60-jährige Burghauner im Jahr 2021 umfassend mit den Nebenwirkungen von Impfstoffen auseinandergesetzt.

Corona: Bundespolizist wegen falscher Impfbefreiung vor Gericht

Der 60-Jährige war durch Literatur und Beiträge aus den Medien für sich selbst zu dem Schluss gekommen, dass eine Corona-Impfung für ihn schädlich sei. Durch seine Recherchen stieß er im Dezember 2021 auf die Internetseite von Dr. Marianne Müller aus Stuttgart, die nach Beantwortung eines Fragebogens auf ihrer Internetseite für Allergiker gegen eine Praxisgebühr eine vorläufige Impfbefreiung ausstellte, ohne die Patienten zuvor zu untersuchen. „Ich wollte mir durch diese Aktion Zeit verschaffen – die Bescheinigung galt immerhin nur für ein halbes Jahr – um einen Termin bei einem Fachallergologen machen zu können“, gab der Angeklagte vor Gericht an.

Unterstützung für sein Vorgehen bekam der Burghauner vor Gericht von Familie, Freunden und Angehörigen. Die Sitzplätze im Saal reichten nicht aus; das öffentliche Interesse an dem Fall war groß. Auf die Frage von Staatsanwältin Wagner, warum er nicht zum Amtsarzt gegangen sei, antwortete der Burghauner: „Ich kenne die Einstellung des Amtsarztes zum Thema Impfung. Bei ihm hätte ich keine Chance auf Erfolg gehabt.“

Mehrere Zeugen – Arbeitskollegen des Angeklagten – sagten vor Gericht aus, wie sie die Situation wahrgenommen hatten. „Ich habe mich als Testerin ausbilden lassen und beim Selbsttesten der Kollegen assistiert“, sagte eine 46-jährige Zeugin aus. Dabei sei sie von dem Angeklagten in einem lockeren Gespräch darauf angesprochen worden, wie es sich verhält, wenn man eine vorläufige Impfbefreiung hat. „Da ich es nicht wusste, gab ich die Anfrage an eine Kollegin weiter“, so die Zeugin.

Ihre 44-jährige Kollegin sagte aus: „Kollegen, die nicht geimpft sind, müssen sich vor der Arbeitszeit, also bevor sie einstempeln, testen. Mitarbeiter, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, können dies in ihrer Arbeitszeit tun.“ Diese Bescheinigung hätte ein Testen während der Arbeitszeit ermöglicht.

Amtsarzt der Bundespolizei erkennt falsche Impfbefreiung sofort

Der Amtsarzt der Bundespolizei, dem die Impfbefreiung vorgelegt wurde, erkannte auf den ersten Blick, dass die Bescheinigung nicht den Anforderungen entsprach und demnach ungültig sei. „Es fehlten die Adresse und eine Unterschrift. Ich wollte die Ärztin konsultieren, das war jedoch nicht möglich, weil die Praxis gar nicht existierte“, so der Arzt.

„Bei mir ist dann ein Hinweis eingegangen, dass dieses Dokument möglicherweise nicht den Vorgaben entspricht – dabei könnte es sich um ein Dienstvergehen handeln. Da wir nicht intern ermitteln, werden in solchen Fällen Disziplinarverfahren eröffnet und die Staatsanwaltschaft übernimmt alles weitere“, gab die 44-jährige Zeugin an. Staatsanwältin Wagner befragte die Zeugin zu der Stimmung innerhalb der Bundespolizei. „Es gab keinen Impfzwang, jedoch Spannungen zwischen Geimpften und Ungeimpften“, beschrieb sie.

Richter Marc Sattler richtete das Wort an Staatsanwältin Wagner und Pflichtverteidiger Matthias Brandes, der sich für seinen Mandanten im Verlauf des Prozesses immer wieder stark machte: „Können Sie sich einigen, das Verfahren möglicherweise einzustellen?“

Während die Staatsanwaltschaft auf 1000 Euro Strafe sowie gemeinnützige Arbeit pochte, legte der Verteidiger Präzedenzfälle vor, die Strafen weit unter 200 Euro vorsahen. Schließlich einigten sie sich auf 500 Euro als Spende für die Kinderhilfestiftung in Frankfurt. Das Verfahren ist endgültig eingestellt, sobald die Summe beim Verein eingeht.

Es ist nicht das erste Mal gewesen, das sich das Hünfelder Amtsgericht mit einem falschem Impfattest beschäftigen musste: Im Februar stand eine Frau vor Gericht, die eine solche Bescheinigung für ihren Sohn organisiert hatte.

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