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Jüdische Familien aus Langenschwarz wanderten 1850 in die USA aus und machten Karriere

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Eine jüdische Familie aus Osthessen wanderte im 19. Jahrhundert in die USA aus und legte den Grundstein für den HEINZ-Ketchup. © Andy Rain/dpa 

In ihrem Leben bedroht sahen sich jüdische Bürger im Altkreis Hünfeld nicht erst im Dritten Reich. Bereits im 19. Jahrhundert gab es hier Antisemitismus. Darum erwogen 1847 Langenschwarzer jüdische Familien es, aus Deutschland auszuwandern.

Langenschwarz - So machte sich Hannah Hecht mit ihren Söhnen, dem damals 17-jährigen Samuel Hecht junior und dessen Bruder Ruben auf den Weg, um über den Nordatlantik in die Vereinigten Staaten von Amerika zu reisen. Mit einem Auswandererdampfer erreichten sie am 15. Dezember 1847 den Hafen von Baltimore (Maryland). Den am 10. Dezember 1830 in Langenschwarz (Hessen) geborenen Samuel junior mögen seinerzeit so manche Gedanken begleitet haben. Freunde musste er zurücklassen. Ebenso seinen im Juni 1935 in dem Kiebitzgrunddorf ertrunkenen Vater, den Viehhändler und Fahrer Meyer Hecht.

1861 lebten in Langenschwarz 116 jüdische Menschen, um 1900 waren es noch fünf Familien. Im Jahr ihres Aufbruchs in die USA waren Hechts Angst und Schrecken ausgesetzt. Bislang gemeinsam mit Christen im Dorf lebend, kam es im Frühjahr 1847 zu Gewalt gegenüber Juden, wobei Fensterscheiben deren Häuser zu Bruch gingen. Deshalb verließen bis 1870 mehrere jüdische Familien Langenschwarz.

Hessen: Jüdische Familien wanderten in die USA aus und machten Karriere

Durch sein ehrgeiziges Zupacken und Risikobereitschaft schlug Hecht junior im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ den Weg für eine großartige Karriere ein. Zunächst verkaufte er als Wanderhändler in und um Baltimore sowie an der Ostküste seine Waren. (Lesen Sie hier: Erste Stolpersteine in Geisa verlegt - Nachkommen der Familie Stern angereist)

Zehn Jahre nach seiner Ankunft in Amerika gründete der Junior die „Hecht Company“, eine Warenhauskette mit bis im Jahr 2005 81 Geschäften. In der Nähe des South Broadway in Baltimore eröffnete er ein Geschäft für Gebrauchtmöbel. Später zog das Unternehmen an einen günstigeren Standort, wo der Name „Hechts Reliable Stores“ in Granitstein über dem dritten Stock eingraviert wurde.

Nach dem 2. Weltkrieg begann die Hecht Company mit Warenhauseröffnungen auch für Kleidung, Schuhe, Bettwäsche, Möbel, Schönheitsprodukte, Schmuck, Haushaltswaren in weiteren Städten, unter anderem in Parkington (Virginia). Der 28.000 Quadratmeter große Bau kostete 6,5 Millionen Dollar.

Später stiegen die Söhne, dann die Enkel des Firmengründers in die Warenhauskette sprich das Familienunternehmen ein. Hecht’s war das erste Geschäft in Washington, das nationale Marken anbot, über das erste Parkhaus und den ersten Aufzug verfügte sowie als die älteste Warenhauskette gilt.

Vom Wanderhändler zum Kaufhausbesitzer: Geschichte einer jüdischen Familie

Die Warenhäuser der Hechts waren imposant-mehrstöckige Gebäude. Mit ihren architektonischen Stromlinienformen und den betont langen Fensterbändern sind sie bis heute prägend. Sitz des Unternehmens war zuletzt Arlington, bevor es 2006 von der Warenhauskette Macy’s übernommen wurde. Sam Hecht Junior starb am 7. Februar 1907 in Baltimore.

Karriere in den Vereinigten Staaten von Amerika machte auch Henry Lomb aus Burghaun, der im Alter von 20 Jahren 1849 als Kind jüdischer Eltern emigrierte. In Übersee arbeitete er – von Beruf Zimmermann – zunächst als Tischler. Später gründete Lomb in Rochester mit einem ebenfalls eingewanderten deutsch-jüdischen Optiker das Unternehmen Bausch & Lomb, das als Hersteller der „Ray-Ban“-Brillen weltbekannt wurde. Lomb war Mitbegründer des Mechanics Institute, dem Vorläufer des Rochester Institute of Technology. Plätze und Straßen tragen seinen Namen.

In Haunetal-Kruspis packte 1843 Anna Margarethe Schmidt ihre Koffer. Sie begab sich als nicht jüdische 21-Jährige „über den großen Teich“. Nach ihrer Ankunft in Birmingham (Pennsylvania) heiratete sie den aus Rheinland-Pfalz gebürtigen, eine Ziegelei betreibenden Johann Heinrich Heinz. Margarethe Heinz kreierte aus Gartenfrüchten Soßen, wobei sie ihren Sohn Henry John I. einband. Das Geschäft florierte, woraufhin dieser 1869 den Grundstein für die weltweit bekannte H. J. Heinz Company legte. Der „Soßenpionier“ entwickelte 1876 eine bis heute geheime Rezeptur zur Herstellung des HEINZ-Ketchup. (bh)

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