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„Es war wie in einem Kriegsgebiet“: THW-Helfer aus Hünfeld berichten von der Ahr

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Von: Hartmut Zimmermann

Ein unscheinbarer Nebenbach der Ahr hat diese Häuser in Kirchsahr zerstört.
Ein unscheinbarer Nebenbach der Ahr hat diese Häuser in Kirchsahr zerstört. © THW-Ortsverband Hünfeld

„Die Fernseh-Aufnahmen von der Ahr-Flut sind schlimm. Die Fotos auf meinem Handy sind schlimmer. Aber am dramatischsten sind die Bilder in meiner Erinnerung.“ So beschreibt Alexander Wiegand, der Hünfelder Ortsbeauftragte des Technischen Hilfswerks (THW), im Rückblick die Situation.

Hünfeld/Ahrweiler - In einem Gespräch ziehen Wiegand und andere Aktive des Ortsverbands eine erste Bilanz des Hochwassereinsatzes in dem Katastrophengebiet an der Ahr. Es bleibt eine Zwischenbilanz, denn der Einsatz der Helfer des Hünfelder THW und anderer Hilfsorganisationen wird mindestens bis zum Jahresende andauern.

Schon jetzt geben die Zahlen aber ein beeindruckendes Bild. Insgesamt 28 der 44 aktiven Helferinnen und Helfer waren in den ersten Wochen nach der Flutkatastrophe im Einsatz, und sie haben bisher rund 7000 Stunden Dienst getan. Das wäre, übersetzt man es in einen Achtstundentag, für ein Zweier-Team ein Einsatz von rund 15 Monaten – mit 365 urlaubslosen Arbeitstagen.

Ein erster Alarm war in Hünfeld kurz nach dem Flutunglück eingegangen, berichtet Alexander Wiegand. Doch der zunächst alarmierte Bergungstrupp wurde am Ende nicht angefordert. Ernst wurde es dann bei der Anfrage für die Verpflegungsspezialisten (Fachgruppe Logistik-Verpflegung). Das Team war im Bereitschaftsraum am Nürburgring im Einsatz. Dort stellten sie für mehrere tausend Helfer von THW und anderen Organisationen sicher, dass Hunger und Durst gestillt werden konnten. (Lesen Sie hier: Neue Medaille für Fluthelfer - Hessen will 1200 Einsatzkräfte auszeichnen)

Hünfeld: THW-Helfer berichten von der Ahr - „Wie in einem Kriegsgebiet“

Neben den Versorgern waren auch die Baufachberater im Einsatz. Einer von ihnen ist Oliver Renz. Mit seinen Kollegen richtet er sein Augenmerk auf die Gebäudesicherheit: Die Teams prüfen, ob Häuser einsturzgefährdet sind und unterstützen die örtlichen Bauämter, indem sie beispielsweise mit dem „Einsatzstellen-Sicherungssystem“ millimetergenau überwachbare Markierungen an beschädigten Gebäuden anbringen und so für Sicherheit von Helfern Hausbesitzern und Räumenden sorgen.

Das handfeste Anpacken, das Helfen in erkennbarer, geradezu allgegenwärtiger Not sei eine große Motivation für alle im Einsatz, sind sich die THW-Leute aus Hessen einig. Das helfe auch dabei, die belastenden, verstörenden Eindrücke zu bewältigen. „Die Bilder, die sich uns boten, haben wirklich den Eindruck vermittelt, man sei in einem Kriegsgebiet“, sagt Oliver Renz.

Die umfassende Zerstörung und die große Ausdehnung des Katastrophengebiets seien sehr bedrückend – aber auch eine Motivation für die Helfer. Diese Situation will auch seelisch verkraftet sein. „Dazu ist das Gespräch mit den Kollegen ganz wichtig“, sagt Alexander Wiegand. Zudem biete das THW aber auch eine Art Telefonseelsorge an: Das „Einsatz-Nachsorge-Team“ steht rund um die Uhr für telefonische Gespräche zur Verfügung.

Oliver Renz (Zweiter von rechts) und seine Helfer Gorden Sauer (rechts) und Jürgen Raschdorf (Zweiter von links) vom THW Hünfeld beraten mit einem Statiker der Kreisverwaltung über den Notabriss von Gebäuden.
Oliver Renz (Zweiter von rechts) und seine Helfer Gorden Sauer (rechts) und Jürgen Raschdorf (Zweiter von links) vom THW Hünfeld beraten mit einem Statiker der Kreisverwaltung über den Notabriss von Gebäuden. © THW-Ortsverband Hünfeld

Im Zurückschauen wird deutlich, was es heißt, dass hier nicht nur Häuser und Brücken von einer Flutwelle unvorstellbaren Ausmaßes zerstört wurden, sondern die ganze Infrastruktur vom Straßen- und Bahnnetz über die Strom- und Wasserversorgung bis zu den Abwasseranlagen flächendeckend weggerissen wurde: Der Wiederaufbau wird Monate, ja Jahre in Anspruch nehmen.

Video: Das Rote Kreuz verpflegt das Ahrtal - doch Helfer werden knapp

In der Regel waren die THW-Helfer für eine oder mehrere Wochen im Einsatzgebiet aktiv, erläutert Wiegand. Inzwischen würden die Einsatzzeiten längerfristig geplant. Er selbst wolle im November noch einmal dabei sein. Die Helfer sind sich bewusst, dass solche Aktionen nur möglich sind, weil sich genügend Arbeitgeber finden, die ihre im THW engagierten Mitarbeitenden freistellen. „Wir wissen diese Unterstützung und das Miteinander sehr zu schätzen“, sagt Wiegand. Ganz unmittelbare Dankbarkeit erlebt das THW-Team im Katastrophengebiet: Im Kontakt mit den Betroffenen werde immer wieder deutlich, wie sehr die Arbeit gewürdigt werde. Übrigens: Wer mithelfen möchte, ist beim THW herzlich willkommen.

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