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Mutter wegen falschem Impfattest verurteilt - „Wenn Sie ein Kind hätten, würden Sie dasselbe machen“

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Von: Alisa Kim Göbel

Eine Person hält einen Impfpass in der Hand
Die Mutter bat den Arzt um eine medizinisch nicht haltbare Impfbefreiung für ihren Sohn – und bekam sie. (Symbolbild) © Christin Klose/dpa-tmn

Anstiftung zur Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse: Wegen dieses Vorwurfs musste sich eine Mutter aus Eiterfeld vor dem Hünfelder Amtsgericht verantworten, weil sie für ihren Sohn bei dem bekannten Impfkritiker Dr. Wolfgang Scheel eine Impfbefreiung erwirkte.

Hünfeld - Aus Liebe zu ihrem kranken Kind – oder schlicht wegen ihrer impfkritischen Einstellung – hat sich eine 47-jährige Eiterfelderin am 20. November 2019 mit einem Schreiben an Dr. Wolfgang Scheel gewandt. Der Kinderarzt aus Steinheim an der Murr ist als Impfkritiker bekannt und musste im Jahr 2020 bereits wegen falscher Behandlung um seine Zulassung kämpfen. Seit 2022 ist er in über 500 Fällen wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse angeklagt. Bei einer Razzia in seiner Praxis wurde unter anderem das Schreiben der Angeklagten gefunden.

Hünfeld: Mutter wegen falschen Impfattest verurteilt

Darin bat die 47-Jährige um eine Impfbefreiung für ihren im Jahr 2015 geborenen Sohn. Die Eiterfelderin nannte in ihrem Brief die geltende Impfpflicht für Kindergärten und Schulen „Zwangsbevormundung“. Der umstrittene Mediziner stellte am 21. November 2019, nur einen Tag später, diese Befreiung für sie aus.

„Herr Scheel hat von Mai 2019 bis Juni 2020 auf seiner Internetseite damit geworben, Impfbefreiungen für alle auszustellen, die sich mit einem Schreiben sowie zehn Euro und einem frankierten Rückumschlag an ihn wenden, ohne die Patienten dafür zu untersuchen“, erklärte ein 51-jähriger Kriminalbeamter, der als Zeuge vor dem Amtsgericht Hünfeld aussagte.

Die Angeklagte, die ohne juristischen Beistand vor Gericht erschien, beteuerte jedoch, dass sie an dem 21. November 2019 persönlich mit ihrem Sohn vor Ort war, und seit 2016 Stammpatientin bei diesem Arzt sei. „Die Geburt meines Sohns war mit Komplikationen verbunden. Er war ein Frühchen und immer schwer krank. Ich habe in Stuttgart entbunden und wurde nach Heilbronn verlegt, weil wir da lebten. Dort empfahl mir die Klinik indirekt Dr. Scheel – einen ganz hervorragenden Arzt“, betonte die Angeklagte.

Wegen der Erkrankungen des Kindes sei ein Impfen mit Blick auf einen Kita-Platz ausgeschlossen. „Wenn Sie ein Kind hätten, würden Sie dasselbe machen“, sagte die Angeklagte zu Staatsanwalt Dr. Jan Hof. Da die Eiterfelderin keinen Kita-Platz bekam, setzte sie die Befreiung nie ein.

Wenn Sie ein Kind hätten, würden Sie dasselbe machen.

47-jährige Eiterfelderin, Angeklagte

2017 ist die Familie nach Osthessen umgezogen. Die Angeklagte gab jedoch an, die über 250 Kilometer entfernten Praxis weiter konsultiert zu haben. Während die Mutter vor Gericht aussagte, dass sie von 2016 bis 2019 mit ihrem Sohn nicht in der Praxis war, sagte der Ehemann der Angeklagten als Zeuge aus, dass er „immer mal wieder“ nach Steinheim in die Praxis gefahren sei. Von dem Brief will der 56-Jährige erst im Verlauf der Ermittlungen erfahren haben. Damit widersprechen sich die Eheleute.

In seinem Schlussplädoyer stellte Staatsanwalt Hof die Glaubwürdigkeit der Angeklagten in Frage. Richter Marc Sattler befand die Angeklagte für schuldig und setzte 35 Tagessätze zu je zehn Euro als Strafe aus. „Sie hätten wissen müssen, dass die Bescheinigung ungültig ist. Und obwohl diese nicht eingesetzt wurde – das Versuchen reicht aus“, machte Sattler der Angeklagten deutlich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Kürzlich musste sich auch ein 70-Jähriger vor dem Hünfelder Amtsgericht verantworten. Der Hünfelder hatte für seine Firma beim Regierungspräsidium Kassel 10.000 Euro Corona-Soforthilfe beantragt – obwohl die Firma gar nicht tätig war.

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