Problem oder nicht? Die Nilgans bevölkert auch den Haselsee

Ihren Namen nimmt die Nilgans nicht ernst: Sie fühlt sich inzwischen vielerorts wohl und könnte bei uns auch Haune- oder Haselgans heißen. Das wachsende Vorkommen der Art am Haselsee sei ein Problem, vermutete ein Leser. Wir haben nachgefragt.
- In Hünfeld haben sich Nilgänse angesiedelt
- Befürchtungen, dass sich die Tiere im derzeit geschlossenen Schwimmbad niederlassen, hat die Stadt nicht
- Unter Naturschützern fällt das Urteil zur Nilgans gemischt aus
Hünfeld - Die Stadt Hünfeld bestätigt, dass die Nilgans längst in der Region angekommen ist. „Sie ist regelmäßig am Haselsee zu beobachten“, sagt Sprecher Helmut Käsmann auf Anfrage der Redaktion. Den Bestand dort schätzen Beobachter auf rund 20 Tiere.
Die aufgrund der Nachrichten aus anderen Regionen geäußerte Befürchtung, dass gerade in den Zeiten der corona-bedingten Schließung das Freibad im Haselgrund bei den Tieren zum „Zweitwohnsitz“ werde, konnte Käsmann nicht bestätigen. Er gehe davon aus, dass die Tiere, weil sie entlang von Hasel, Haune und Nüst genügend attraktive Lebensräume finden, im Schwimmbad nicht zum Problem werden.
Nilgänse in Hünfeld: Rund 20 Tiere leben am Haselsee
Das Frankfurter Brentano-Bad war in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten, weil große Nilgans-Trupps die Liegewiesen als Weide – und Toilette – genutzt hatten. Um Gesundheitsgefahren abzuwehren, hatte die Stadt Frankfurt ein Bejagungskonzept ausgearbeitet.
Seitens des Naturschutzes sieht man den Neuankömmling mit Vorbehalten und nicht automatisch als Bereicherung: „Die Nilgans ist vom Naturell her ein aggressives Tier, das in seinem Lebensraum konkurrierende Arten verdrängt“, betont Matthias Müller, der Vorsitzende des Naturschutzbeirats im Landkreis und des Naturschutzbunds (NABU) in Hünfeld. Er habe selbst beobachtet, wie beispielsweise an den Praforst-Teichen Nilgänse brütende Enten vom Nest vertrieben.
Der Bestand am Haselsee sei bislang nicht bedrohlich. Sollten sich die Tiere aber zu stark vermehren, dann seien die zuständigen Jagdausübungsberechtigten in der Pflicht.
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Nilgänse haben eine geringe Scheu vor dem Menschen
Dass die Nilgans binnen weniger Jahrzehnte große Fläche Mitteleuropas für sich erobert hat und, entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse sich ausbreitend, eine große Population aufgebaut hat, wurde nicht zuletzt durch die Anpassungsfähigkeit der Art möglich. Auffällig ist ihre geringe Scheu vor Menschen.
Hintergrund
Die Nilgans - der wissenschaftliche Name lautet Alopochen aegyptiaca – stammt tatsächlich aus Afrika. Inzwischen ist sie am Nil selten, in anderen Regionen Afrikas sehr häufig anzutreffen.
Das Ende der 1990er Jahre erschienene „Meyers Taschenlexikon“ verortet sie noch in Palästina und am Nil. Inzwischen hat sich vieles geändert: Das Tier ist in Mitteleuropa fast überall präsent.
Die derzeitigen europäischen Vorkommen gehen auf Aussetzungen und Gefangenschaftsflüchtlinge im 20. Jahrhundert insbesondere in Großbritannien und den Niederlanden zurück.
Fachleute gehen davon aus, dass sie in den nächsten Jahren auch den Balkan, wo schon für das 17. Jahrhundert Bruten nachgewiesen waren und wo sie zwischenzeitlich ausgerottet war, wieder erreichen werden. Das Jagdrecht erlaubt es, die Tiere zwischen dem 1. September und dem 15. Januar zu schießen. Im Naturschutz gibt es allerdings Vorbehalte gegen das Ziel, die Ausbreitung der neuen Art zu behindern. / zi
Der schlechte Ruf der Nilgans ist nicht neu: „Sie gehört zu den herrschsüchtigsten und boshaftesten Vögeln, die es gibt“, heißt es in Alfred Brehms legendärem Nachschlagewerk „Brehms Tierleben“ aus dem 19. Jahrhundert.
Aber der NABU-Bundesverband verbreitet heute eine abgewogenere Sicht: „Aufgrund des derzeitigen Erkenntnisstands ist die ökologische Schädlichkeit der Nilgans in Deutschland für den NABU als gering bis nicht vorhanden einzustufen, so dass ein aktives deutschlandweites Bestandsmanagement mit dem Ziel einer Verringerung des Bestandes weder notwendig noch zu rechtfertigen ist. Eine Bejagung mit dem Ziel einer Bestandsreduktion ist abzulehnen.“
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