Lange Zeit stand auf der Westseite des Gebäudes eine große Linde, die nicht nur den Menschen Schatten spendete, sondern auch den Vögeln aufgrund ihres Schattenwurfs als Orientierungspunkt diente. Selbst die ansässigen Fledermäuse nutzten den Baum als Futterplatz. Jedoch musste die Linde Ende 2019 aufgrund eines Pilzbefalls gefällt werden. Somit verstärkte sich die Spiegelung der Glasfront – und vermehrt wurde sie zur Todesfalle für die Flugtiere.
Schon seit Jahren berichtet der Naturschutzbund (NABU), dass die Anzahl der Vögel sinke. Grund dafür seien neben den wenigen Jungtieren auch Todesursachen wie die Jagd, Windräder oder Raubvögel. Doch auch Hindernisse, wie beispielsweise Fensterscheiben oder Spiegel, sind für die Vögel eine echte Gefahr. (Lesen Sie hier: Robin ist „kein Einzelfall“ - Naturschützer sprechen von zahlreichen toten Rotmilanen durch Windräder)
In einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom März 2021 wurde der Vogelschutz noch einmal klar definiert: Nicht nur die seltenen und gefährdeten Arten gilt es zu schützen, sondern alle Vogelarten. Mittlerweile hat sich auch die Obere Naturschutzbehörde (ONB) beim Regierungspräsidium Kassel mit der Hünfelder Angelegenheit vertraut gemacht und ist nun um eine Klärung bemüht.
Hierzu stehe die Behörde in engem Austausch mit dem Landkreis Fulda, erklärt Hendrik Kalvelage, Pressereferent des RP. „Unbestritten ist, dass Glasoberflächen an Gebäuden zu einem erhöhten Tötungsrisiko für Vögel führen können. Inwieweit dies aber für das in Rede stehende Gebäude zutrifft, wird Gegenstand weiterer Untersuchungen sein“, sagt Kalvelage. Aktuell werde von der ONB ein Monitoringkonzept erarbeitet, das anschließend praktisch umgesetzt werden soll.
Dabei gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten: Die beste, allerdings auch kostenintensivste Lösung ist die Anbringung einer speziellen Folie, die reflektiert und gleichzeitig noch energetisch ist. Sie würde somit nicht nur eine Orientierungshilfe für die Flugtiere bieten, sondern gleichzeitig für die Mitarbeiter des Amtsgerichts eine angenehme Temperatur in allen Jahreszeiten schaffen. Eine kostengünstigere Alternative wäre das Anbringen von schwarzen Vogelaufklebern. Auch das dauerhafte Herunterfahren der vorhandenen Jalousien könnte bereits Abhilfe schaffen.
Die Regierungskoalition aus CDU und Grünen will einen entsprechenden Gesetzesentwurf in den Hessischen Landtag einbringen: Sie fordert die Verpflichtung zur Folierung von Fensterfronten ab einer Fläche von 25 Quadratmetern an öffentlichen Gebäuden.
Die Hausverwaltung des Amtsgerichts sieht auf Anfrage unserer Zeitung bislang keine große Handlungsnotwendigkeit. So wolle man es zunächst bei „normaler und insbesondere sonniger Witterung“ bei heruntergelassenen Außenjalousien belassen, um die Spiegelung zu verringern. Gegebenenfalls könne man noch „den ein oder anderen Aufkleber nachrüsten“, heißt es.