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Schon über 520 Seiten: Emil Rehberg schreibt eine Chronik über Wölf

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Von: Alisa Kim Göbel

Wölf Chronik Rehberg
Diese, in Sütterlin geschriebene Zeugenaussage von 1878 stammt von einer Frau aus Wölf, die das unsittliche Verhalten des Lehrers anzeigte. © Bistumsarchiv

Von Lehrern, die sich lieber im Wirtshaus statt in der Schule herumtrieben, vom fehlenden Taufstein in der Wölfer Kirche und einem Pfarrer in geheimer Mission – Emil Rehberg ist beim Sammeln von Informationen über sein Heimatdorf Wölf auf allerhand spannende Geschichten gestoßen.

Wölf - Mit der Pension kommt für viele nach Jahrzehnten des Berufslebens die Frage auf: Was machen mit der vielen freien Zeit? Für den ehemaligen Finanzbeamten Emil Rehberg aus Wölf im Hünfelder Land stehen die Zeichen seit zehn Jahren auf Dorfchronik-Schreiben.

Hünfelder Land: Emil Rehberg schreibt eine Chronik über Wölf

„Zum ersten Mal damit in Berührung gekommen bin ich in 1984, als ich im Vorstand des Wölfer Sportvereins tätig war und feststellen musste, dass keine Chronik existierte. Das war das erste Mal, dass ich mich hingesetzt und geschichtliche Ereignisse zusammengetragen habe“, erklärt der 72-Jährige.

Seitdem hat es sich Rehberg zur Aufgabe gemacht, in allen Vereinen, in denen er tätig ist, sich dem Schriftlichen zu widmen. Nachdem er im Jahr 2013 in Pension gegangen war, verschlug es ihn zum ersten Mal in die Archive nach Fulda und Marburg. „Zwischenzeitlich habe ich beim Bau der Häuser meiner Söhne mitgewirkt, da ist die Chronik ein bisschen in den Hintergrund gerückt“, erzählt Rehberg.

Doch jetzt arbeitet er wieder fleißig an seinem Herzensprojekt. „Am Anfang habe ich alles chronologisch angelegt, aber es kamen immer wieder interessante Geschichten hinzu, so dass ich jetzt alles in Kapitel angelegt habe, die nach Themen sortiert sind“, so der Wölfer.

Zum Vorschein kamen dabei aus heutiger Sicht viele unterhaltsame Anekdoten. Beispielsweise gab es in der Zeit von 1925 bis 1930 zwischen dem Bistum und dem damaligen Pfarrer einen langen Briefwechsel, als es um die Frage nach dem immer noch nicht vorhandenen Taufstein in der Wölfer Kirche ging. „Im Jahr 1926 antwortete der Pfarrer einmal ‚Wegen Platzmangel ist kein Taufstein vorhanden‘. Im Archiv habe ich später dann aber die Rechnung entdeckt“, erzählt Rehberg.

Als schließlich die alte Kirche umgebaut wurde – ein weiteres Kapitel in Rehbergs Chronik – schickte das Bistum den Mackenzeller Pfarrer als Spion nach Wölf, damit dieser über den Bau und das Treiben in dem Ort berichtete.

„Ich habe Unterlagen eingesehen – ich habe mich weggeschmissen vor Lachen. Ein Lehrer zum Beispiel hat sich im Jahr 1878 lieber im Wirtshaus rumgetrieben anstatt zu unterrichten“, weiß Rehberg.

Emil Rehberg
Emil Rehberg hatte Freude beim Lesen. ©  Alisa Kim Göbel

Der Lehrer wurde schließlich von einer Mutter in vielen Punkten angezeigt. Die Frau sagte im Bistum aus – ihre Zeugenaussage wurde protokolliert. Dieses Protokoll sendete Edgar Kutzner, Leiter des Bistumarchivs, dem Wölfer für seine Recherchen zu. Solche, in Sütterlin geschriebenen Dokumente hat Rehberg zuhauf durchgesehen und diese auf seinem Computer abgetippt, damit sie nun jeder lesen kann.

„Ich selbst konnte vorher kein Sütterlin lesen. Oft waren die Texte schon ausgeblichen oder die Handschrift unleserlich, aber mittlerweile bin ich ganz gut darin“, so Rehberg.

Die alte Schulchronik von Wölf wurde dem Pensionär durch eine Bekannte in die Hände gespielt. Darin fand Rehberg einen erstaunlichen Eintrag: „Der erste Lehrer hier im Ort soll von Sonntagsschülern im Hain, dem Waldstück zwischen Eiterfeld und Wölf, getötet worden sein“, las Rehberg daraus vor. Der vierte Lehrer soll an den Folgen seines Berufs gestorben sein. Ein anderer wurde verprügelt und fortgejagt.

Ein Kapitel widmete Rehberg der Viehsteuer, die aus der sogenannten „Viehbedeliste“ von 1510 hervorgeht. Die darin vermerkten Maße und Einheiten wie „Casseler Acker“, „Sexagena“ und „Kraschen“ hat der Chronist in Anmerkungen erklärt und umgerechnet. Ein anderes Kapitel beschäftigt sich mit dem Ortsnamen und der Ersterwähnung aus dem Jahr 781.

„Die Chronik ist ein Lebensprojekt und solange ich Lust dazu habe, werde ich immer weiter daran arbeiten und etwas ergänzen“, erklärt der 72-Jährige sein Schaffen. Bleibt abzuwarten, was er als nächstes entdeckt.

Eine neue Chronik hat im vergangenen Jahr auch der Vogelsbergkreis drucken lassen. Diese umfasst 168 Seiten und wurde anlässlich des 50-jährigen Kreisjubiläums vom Verlag WIKOMmedia herausgegeben.

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