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Hünfelderin leidet unter Erschöpfungssyndrom – „Erd-MEnnchen“ begleitet Freund auf Reisen

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Von: Redaktion Fuldaer Zeitung

Fotos: privat
Fotos: privat

Hünfeld - Eine 47-jährige Hünfelderin kann aufgrund einer Erkrankung nur sehr selten das eigene Haus verlassen. Sie und ihr Lebensgefährte Mike Biel setzen sich dafür ein, Myalgische Enzephalomyelitis (ME) bekannter zu machen. Eine große Rolle spielt dabei ein kleines, süßes Stofftier: das „Erd-MEnnchen“.

Von unserem Redaktionsmitglied Sabrina Mehler

Eine rätselhafte Erkrankung hat das Leben der 47-Jährigen abrupt verändert. ME, auch unter dem Namen Chronic Fatigue Syndrome bekannt, wirkt sich auf verschiedene Körperbereiche aus; sie ist eine Kombination aus Erschöpfungs-, Krankheits- sowie Schmerzsymptomen und schränkt das Leben der Betroffenen erheblich ein. Sie und etwa 300.000 Menschen in Deutschland leiden darunter. Die Ursache der tückischen Krankheit, die ein normales Leben häufig unmöglich macht, ist unbekannt.

Die Hünfelderin, die darum bittet, dass ihr Name nicht in der Zeitung genannt wird, ist rund um die Uhr erschöpft. Selbst kleine Tätigkeiten wie aufstehen, Zähne putzen und kochen fallen ihr schwer. Für das kurze Gespräch mit der Redakteurin schafft sie es gerade so, letzte Kraftreserven anzuzapfen. Und sie weiß, dass sie dafür, dass sie sich an den Tisch setzt und über ihre Krankheit spricht, die Rechnung bald erhalten wird: „Selbst wenn ich nur für einige Stunden am normalen Leben teilnehme, werde ich das noch in den kommenden Wochen spüren“, erklärt sie.

Erste Symptome vor 20 Jahren

Erste Krankheitssymptome bemerkte sie bereits vor 20 Jahren als junge, lebenslustige und höchst aktive Studentin. Sie studierte damals unter anderem Sport auf Lehramt, wechselte dann aber zur Physik – „weil ich mich da nicht körperlich anstrengen musste“, berichtet sie. Warum sie so wenig Energie hatte und immerzu eine bleierne Müdigkeit spürte, konnte sie sich damals nicht erklären. „Ich hab’ mich gefragt, warum ich nicht die gleiche Leistung wie andere bringen kann und dachte zunächst an einen Burnout“, erinnert sie sich.

Ärzte, die sie schließlich aufsuchte, konnten keine Ursache finden. Erst sehr viel später, nach fast 15 Jahren Erkrankung, erhielt sie in einer Klinik die Diagnose, die sie als Erleichterung empfand: Myalgische Enzephalomyelitis. Zuvor sei ihre Krankheit nicht nur von Freunden, sondern auch von Ärzten immer wieder als „Psychoproblem“ abgetan worden.

Keine Teilhabe am Leben möglich

„Ich muss auf eine Menge verzichten“, schildert sie ihr Leben. Soziale Kontakte hat sie nur wenige, Einladungen zu Geburtstagsfeiern und anderen Veranstaltungen muss sie immer wieder absagen. Im vergangenen Jahr konnte die 47-Jährige lediglich dreimal nach draußen gehen. Sie versucht, das Leben von ME-Betroffenen auf den Punkt zu bringen: „Wir verschwinden einfach, weil wir am Leben nicht teilhaben können.“

Ihr Lebensgefährte, der als Zauberer und Gedankenleser bekannte Mike Biel, erklärt: „Ich freue mich schon, wenn wir uns mal eine halbe Stunde nach draußen setzen können.“ Die beiden sind seit neun Jahren ein Paar, es ist für beide keine einfache Beziehung. „Es ist schwierig“, sagen die zwei, ergänzen aber: „Wir haben keine andere Wahl, als damit irgendwie umzugehen.“

Erdmännchen reist als Platzhalter mit

Biel unterstützt seine Freundin mit allen Kräften. „Aber irgendwann musste ich auch mal raus und auch mal in den Urlaub fahren“, sagt er. Seit einigen Jahren unternimmt er daher allein oder mit seiner Tochter Reisen, zum Beispiel in die Dominikanische Republik, nach Holland, nach Rhodos. Auch den Jakobsweg ist er schon gelaufen – aber immer in Gedanken an seine Lebensgefährtin, die zu Hause bleiben muss. Daher ist ihm eine Idee gekommen: Er hat immer ein Stofftier dabei, ein Erdmännchen. Es fungiert als Platzhalter für die 47-Jährige.

Das Paar hat das Kuscheltier „Erd-MEnnchen“ genannt, die beiden Großbuchstaben stehen für die Myalgische Enzephalomyelitis. Das Tier soll während der Reisen auf die bösartige Krankheit aufmerksam machen. Mittlerweile gibt es eine Facebookseite, auf der Biel immer wieder Fotos mit seinem Tier postet: vor Notre Dame in Paris, dem Hamburger Rathaus und am Strand der Dominikanischen Republik.

Weltweit auf Aufklärungsmission

„Die Krankheit ist natürlich bitterernst“, sagt Biel. „Aber gleichzeitig kann das ‚Erd-MEnnchen‘ eine lustige Geschichte erzählen.“ Mittlerweile hat die Seite auf Facebook knapp 130 Abonnenten. Sie verfolgen nicht nur die Reisen, sondern lernen auch einiges über die weitgehend unbekannte Krankheit. „Wir möchten durch diese Aufklärung dazu beitragen, dass anderen Patienten mehr Verständnis entgegengebracht wird“, sagt die ME-Patientin. Sie hofft aber auch, dass Pharmaunternehmen künftig stärker forschen, um einen Test zur besseren Erkennung des Krankheitsbilds zu entwickeln und ein Heilmittel zu finden.

Obwohl ihr die Krankheit fast alle Kraft raubt, will die Hünfelderin optimistisch bleiben: „Ich gebe nicht auf, und ich nehme das Leben so, wie es kommt – auch wenn die Krankheit einen in ganz enge Grenzen zwingt. Man muss versuchen, zufrieden damit zu leben.“ Mike Biel geht Ende dieser Woche wieder auf Reisen, diesmal beschreitet er den Olavsweg von Oslo nach Trondheim. Auch das kleine „Erd-MEnnchen“ ist dann dabei. Weitere Fotos und Informationen gibt es auf der Facebook-Seite.

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