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Nach 88 Jahren ist Schluss: Hünfelds letzte Backstube macht dicht

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Von: Hartmut Zimmermann

In vertrauter Umgebung: Angelika und Jürgen Wilke vor dem Brotbackofen
In vertrauter Umgebung: Angelika und Jürgen Wilke vor dem Brotbackofen © Hartmut Zimmermann

Mit dem Jahresende ist Schluss: Bäckermeister Jürgen Wilke hat zum letzten Mal den Brotbackofen angeheizt und schließt sein Geschäft. Das ist nicht nur das Aus für einen traditionsreichen Familienbetrieb, sondern auch das Ende der letzten Bäckerei in der Stadt Hünfeld.

Hünfeld - „Als ich die Bäckerei 1992 von meinem Vater Erhard Wilke übernommen habe, gab es noch sieben Bäckereien in der Stadt“, blickt Jürgen Wilke zurück. Der 65-Jährige, der 1980 seine Meisterprüfung abgelegt hat, überblickt die Entwicklung in der Innung über eine lange Zeitspanne. Die Kreishandwerkerschaft Fulda (Hessen) bestätigt die Entwicklung: „2002 hatte wir noch 57 Innungsbetriebe“, berichtet Geschäftsführerin Gabriele Leipold. „Die Zahl ist über 43 im Jahr 2011 auf 20 im laufenden Jahr gesunken.“

Gründer der Bäckerei war Großvater Otto Hodes. Insgesamt, so zieht Jürgen Wilke Bilanz, habe das Unternehmen rund 130 Lehrlinge ausgebildet. „Das haben wir beim Durchsehen der alten Lehrlingsverträge gesehen, die wir beim Aufräumen auf dem Dachboden gefunden haben.“ Denn die Zeit des Aufräumens und Sichtens hat für die Wilkes längst begonnen. Das Gebäude am Niedertor hat einen neuen Besitzer gefunden, der Umbau der Wohnräume hat bereits begonnen. (Lesen Sie hier: Erfahrung trifft auf Tradition - Ehepaar übernimmt Bäckerei in Flieden)

Hessen: Ende nach 88 Jahren - Diese Stadt hat keine Bäckerei mehr

Auch die Tage des Backstuben-Inventars sind gezählt: Ob Teigknetmaschinen oder Gärkörbchen: Alles hat schon Interessenten gefunden. „Der Backofen soll Anfang Januar abgebaut werden – um ihn dann irgendwo in Mazedonien wieder in Betrieb zu nehmen“, berichtet Wilke. Eine Einladung, zur Einweisung mitzufahren, hat er aber dankend abgelehnt.

„Jetzt ist es, wie es ist: Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Jürgen Wilke. Für ihn beginnt nun ein anderer Lebensrhythmus, der nicht mehr durch die Anforderungen des Berufs geprägt ist. „Jeden Morgen um 1 Uhr in der Backstube zu sein, das hat mir eigentlich nichts ausgemacht“, berichtet er zurückschauend. „Man hat ja einen festen Takt – das ist bekömmlicher als wochenweise wechselnde Schichtarbeit.“ Ob er das auch in jungen Jahren so entspannt gesehen habe? „Na ja – da konnte man nach dem Feiern auch mal eine Nacht ohne Schlaf auskommen“, gibt er mit einem Lächeln zurück.

Backstube weicht, Café bleibt erhalten

Er hat den Bäckerberuf nicht nur gern, sondern auch intensiv ausgeübt: „Im Schnitt habe ich in zwei Wochen eine Tonne Mehl verbacken.“ Weil es aber immer schwieriger wurde, geeignetes Personal zu finden, hatte Jürgen Wilke bereits vor sieben Jahren den Geschäftsumfang verkleinert, indem er auf die Auslieferungsfahrten verzichtete und das Ladengeschäft schloss. Seitdem wurde Wilkes Brot nur noch am Hünfelder Wochenmarkt und im gegenüberliegenden Café verkauft, das Wilkes Frau Angelika betreibt.

Wer nun befürchtet, dass auch das Café nun schließe, den tröstet Wilke: „Der Betrieb dort geht weiter.“ Seit 25 Jahren führt die Familie das Geschäft und hat eine ordentliche sechsstellige Summe dort investiert. Und damit Jürgen Wilke nicht aus der Übung kommt, wird er auch dafür sorgen, dass das Torten- und Kuchen-Angebot das gewohnte Niveau behält.

Doch jetzt freut er sich auf ein „normales“ Dasein. Zum Beispiel als Großvater – immerhin wollen drei Enkelkinder den Opa öfter für sich haben. Und der möchte, wenn die Zeiten es erlauben, gerne mal Urlaubsfreuden genießen. Damit das Reisen nicht an den Grenzen des deutschen Sprachraums enden muss, plant Wilke zudem, seine Englischkenntnisse aufzufrischen.

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