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„Vollkommen sinnloser Tod“ - Raser (20) aus Kreis Fulda nach Höllenritt verurteilt

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Eine 36-Jährige aus Brachttal starb am 5. September 2021 nach einem schrecklichen Unfall.
Eine 36-Jährige aus Brachttal starb am 5. September vergangenen Jahres nach einem schrecklichen Unfall. Der 20-jährige Unfallverursacher aus dem Landkreis Fulda wurde nun zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. (Archivbild) © Fuldamedia

Wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge und Straßenverkehrsgefährdung ist ein 20-Jähriger vor dem Amtsgericht Gelnhausen nach Jugendstrafrecht zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden.

Brachttal - Jugendrichter Christian Scheuermann verhängte gegen den jungen Mann aus dem Landkreis Fulda außerdem einen Dauerarrest von vier Wochen. Ihm darf vor Ablauf von fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden. Außerdem muss er 300 Sozialstunden absolvieren. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. In diesem Abschnitt darf er keinerlei Aktivitäten im Bereich Motorsport wahrnehmen, weder aktiv noch passiv.

Tödlicher Unfall im Main-Kinzig-Kreis: Zweijährige Bewährungsstrafe für Verursacher

Damit fand ein schwerer Verkehrsunfall am 5. September vergangenen Jahres morgens kurz nach 9 Uhr auf der Landstraße zwischen den Brachttaler Ortsteilen Udenhain und Hellstein seine juristische Aufarbeitung. Nach einer Kollision mit dem Auto des jungen Mannes war eine 36-jährige Ford-Fahrerin aus Brachttal gestorben. Der Vorfall hatte in der Region für großes Aufsehen gesorgt. Er war das tragische Ende einer irrwitzigen Autofahrt des Beschuldigten.

Diese begann rund eine halbe Stunde zuvor in Fulda. Der 20-Jährige hatte am Vorabend bis in den frühen Morgen eine Kneipentour durch die Barockstadt unternommen und dann in der Innenstadt übernachtet - und verschlafen. Verspätet bricht er mit einem VW Golf auf. Ziel ist eine Kart-Veranstaltung im Main-Kinzig-Kreis, wo er – früher selbst Kart-Fahrer – nun als Mechaniker eingesetzt werden sollte. Ein Bekannter droht ihm mit empfindlichen Konsequenzen, wenn er nicht bald am Rennplatz auftauche.

Der junge Mann legt daraufhin einen „Höllenritt“ mit dem 300-PS-Boliden hin, den ihm ein Kumpel leihweise immer wieder zur Verfügung stellte. Anhand der technischen Daten lässt sich feststellen, dass er mit deutlich über 200 Stundenkilometer über die A66 rast bis zur Abfahrt Steinau. Dort will er eigentlich Richtung Huttengrund weiter. Allerdings biegt er fälschlicherweise wieder auf die A66 Richtung Norden ab, wodurch sein Zeitdruck noch größer wird. Also Schlüchtern-Süd runter und wieder zurück.

Zeuge sagt aus: „Der ist durch den Ort geschossen. So was habe ich noch nicht gesehen“

Dann geht die halsbrecherische Tour durch Marborn, Romsthal, Eckardroth, Katholisch-Willenroth und Udenhain. Und fast in jedem Ort gibt es Zeugen, die an diesem ansonsten ruhigen Sonntagmorgen auf die rücksichtslose Fahrt aufmerksam werden und ihre Erlebnisse vor Gericht schildern.

Da ist beispielsweise die Gruppe Aktiver der Feuerwehr Huttengrund, die gerade dabei ist, die Fahrzeughalle für die Jahreshauptversammlung zu richten. Ein 50-Jähriger berichtet von quietschenden Reifen und einem „Rutschen in die Straße“. Das Erschreckende dabei: Trotz hoher Geschwindigkeit beschleunigt der Fahrer innerorts weiter. „Der ist durch den Ort geschossen. So was habe ich noch nicht gesehen“, ergänzt ein 51-Jähriger.

Tödlicher Unfall im Main-Kinzig-Kreis bei Brachttal: Bei einem Frontalzusammenstoß auf einer Landstraße starb eine Frau.
Die 36-jährige Ford-Fahrerin verstarb damals noch am Unfallort. (Archivbild) © Fuldamedia

Ein Anwohner aus Eckardroth sieht es genauso: Er wohne schon seit über 50 Jahren an der Straße. Noch nie habe er ein Auto so vorbeirauschen sehen. An eine „immense Geschwindigkeit“ und ein Schneiden der Kurven erinnert sich ein 30-Jähriger aus Udenhain. Ein Ehepaar aus Birstein hat ebenfalls ein besonderes Erlebnis: In Höhe Katholisch-Willenroth ist seinerzeit eine Straßenbaustelle mit Ampelregelung, an der sie anhalten. Als der Golf von hinten anrauscht, legt er zunächst eine Vollbremsung hin, dass die Bremsen qualmen. Doch schon im nächsten Moment startet er wieder durch, um bei roter Ampel-Phase weiter zu düsen.

Zwischen Udenhain und Hellstein kommt es dann zur ersten brenzligen Situation. Eine entgegenkommende Autofahrerin muss ihr Auto komplett abbremsen, um eine Kollision zu verhindern. Kurz danach endet die Rennfahrt im Fiasko. Der 20-Jährige schneidet wieder eine Kurve. Die in einem Ford entgegenkommende 36-Jährige hat keine Ausweich-Chance. Die Autos prallen heftigst aufeinander und werden in den Graben geschleudert. Rettungskräfte können der Mutter von zwei Kindern nicht mehr helfen, sie stirbt am Unfallort.

20-jähriger Unfallverursacher hatte Alkohol im Blut

Eine 47-jährige Polizeibeamtin, die als erste Streife am Unglücksort eintrifft, kann sich noch gut an das fast überhebliche und gefühlskalte Auftreten des Unfallfahrers erinnern. Mit dem Hinweis konfrontiert, es sei mit dem Ableben der Frau zu rechnen, entgegnet er, damit habe er gerechnet. Ansonsten galt seine Sorge einem Laptop, den ihm die Beamtin aus seinem Auto bringen solle.

Ein technischer Gutachter hatte die „Horrortour“ minutiös ausgewertet. Demnach stellte er für die Fahrt von der Autobahnabfahrt Steinau bis zum Unfallort eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 102 Stundenkilometern fest, trotz der zahlreichen Ortsdurchfahrten. Der Angeklagte habe die Leistungsfähigkeit des Autos teilweise bis an die physische Belastungsgrenze ausgereizt.

Eine Blutentnahme ergab bei dem Fuldaer einen Promillewert von mindestens 1,08 zur Unfallzeit. Während der Fahrt war eine kostenpflichtige Blitzer-App zur frühzeitigen Erkennung von Radarkontrollen eingeschaltet. Im Internet hatte er früher selbst gedrehte Videos eingestellt, wo er beispielsweise innerorts 100 Stundenkilometer fuhr.

Tödlicher Unfall in Brachttal: Richter verhängt Bewährungsstrafe

Staatsanwalt Christopher Orel forderte für den 20-Jährigen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung. Mit seiner Fahrt habe er eine Frau „umgebracht“. Auch Richter Scheuermann sprach von einem „vollkommen sinnlosen Tod“.

Der Angeklagte habe mit den Folgen seines „Alleinrennens“ schwere Schuld auf sich geladen. Insgesamt vier Familienangehörige der Verstorbenen traten in dem Prozess mit drei Anwälten als Nebenkläger auf und stellten hohe Schmerzensgeld-Forderungen. Der Angeklagte selbst bedauerte das Unglück und entschuldigte sich. Mit vor dem Kopf verschränkten Händen nahm er das Urteil äußerlich regungslos auf. (ls)

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