Da ist beispielsweise die Gruppe Aktiver der Feuerwehr Huttengrund, die gerade dabei ist, die Fahrzeughalle für die Jahreshauptversammlung zu richten. Ein 50-Jähriger berichtet von quietschenden Reifen und einem „Rutschen in die Straße“. Das Erschreckende dabei: Trotz hoher Geschwindigkeit beschleunigt der Fahrer innerorts weiter. „Der ist durch den Ort geschossen. So was habe ich noch nicht gesehen“, ergänzt ein 51-Jähriger.
Ein Anwohner aus Eckardroth sieht es genauso: Er wohne schon seit über 50 Jahren an der Straße. Noch nie habe er ein Auto so vorbeirauschen sehen. An eine „immense Geschwindigkeit“ und ein Schneiden der Kurven erinnert sich ein 30-Jähriger aus Udenhain. Ein Ehepaar aus Birstein hat ebenfalls ein besonderes Erlebnis: In Höhe Katholisch-Willenroth ist seinerzeit eine Straßenbaustelle mit Ampelregelung, an der sie anhalten. Als der Golf von hinten anrauscht, legt er zunächst eine Vollbremsung hin, dass die Bremsen qualmen. Doch schon im nächsten Moment startet er wieder durch, um bei roter Ampel-Phase weiter zu düsen.
Zwischen Udenhain und Hellstein kommt es dann zur ersten brenzligen Situation. Eine entgegenkommende Autofahrerin muss ihr Auto komplett abbremsen, um eine Kollision zu verhindern. Kurz danach endet die Rennfahrt im Fiasko. Der 20-Jährige schneidet wieder eine Kurve. Die in einem Ford entgegenkommende 36-Jährige hat keine Ausweich-Chance. Die Autos prallen heftigst aufeinander und werden in den Graben geschleudert. Rettungskräfte können der Mutter von zwei Kindern nicht mehr helfen, sie stirbt am Unfallort.
Eine 47-jährige Polizeibeamtin, die als erste Streife am Unglücksort eintrifft, kann sich noch gut an das fast überhebliche und gefühlskalte Auftreten des Unfallfahrers erinnern. Mit dem Hinweis konfrontiert, es sei mit dem Ableben der Frau zu rechnen, entgegnet er, damit habe er gerechnet. Ansonsten galt seine Sorge einem Laptop, den ihm die Beamtin aus seinem Auto bringen solle.
Ein technischer Gutachter hatte die „Horrortour“ minutiös ausgewertet. Demnach stellte er für die Fahrt von der Autobahnabfahrt Steinau bis zum Unfallort eine Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 102 Stundenkilometern fest, trotz der zahlreichen Ortsdurchfahrten. Der Angeklagte habe die Leistungsfähigkeit des Autos teilweise bis an die physische Belastungsgrenze ausgereizt.
Eine Blutentnahme ergab bei dem Fuldaer einen Promillewert von mindestens 1,08 zur Unfallzeit. Während der Fahrt war eine kostenpflichtige Blitzer-App zur frühzeitigen Erkennung von Radarkontrollen eingeschaltet. Im Internet hatte er früher selbst gedrehte Videos eingestellt, wo er beispielsweise innerorts 100 Stundenkilometer fuhr.
Staatsanwalt Christopher Orel forderte für den 20-Jährigen eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten ohne Bewährung. Mit seiner Fahrt habe er eine Frau „umgebracht“. Auch Richter Scheuermann sprach von einem „vollkommen sinnlosen Tod“.
Der Angeklagte habe mit den Folgen seines „Alleinrennens“ schwere Schuld auf sich geladen. Insgesamt vier Familienangehörige der Verstorbenen traten in dem Prozess mit drei Anwälten als Nebenkläger auf und stellten hohe Schmerzensgeld-Forderungen. Der Angeklagte selbst bedauerte das Unglück und entschuldigte sich. Mit vor dem Kopf verschränkten Händen nahm er das Urteil äußerlich regungslos auf. (ls)