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Ortsschilder im Main-Kinzig-Kreis geklaut - Welche Geschwindigkeit gilt nun?

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Von: Walter Kreuzer

Ein Tempo-50-Schild ersetzt an der Landesstraße bei Ulmbach – aus Richtung Marborn kommend – die Ortstafel. In der Region sind fast ein Dutzend Ortsschilder verschwunden.
Ein Tempo-50-Schild ersetzt an der Landesstraße bei Ulmbach – aus Richtung Marborn kommend – die Ortstafel. In der Region sind fast ein Dutzend Ortsschilder verschwunden. © Walter Kreuzer

Jeder Autofahrer weiß, dass ab einem Ortsschild Tempo 50 gilt. Doch was ist, wenn die Ortstafel fehlt? Wird eine Geschwindigkeitsübertretung dann wie innerorts oder wie außerhalb von Ortschaften behandelt? In einigen Dörfern der Region tauchen aktuell solche Fragen auf.

Main-Kinzig-Kreis - Vor einigen Tagen ging Bad Soden-Salmünsters Bürgermeister Dominik Brasch (parteilos) mit einer Meldung an die Öffentlichkeit: Mehr als ein halbes Dutzend Ortstafeln waren in seiner Kommune verschwunden. Auch wenn sich der finanzielle Verlust in Grenzen hält: Der Diebstahl eines solchen Verkehrsschildes ist alles andere als ein Kavaliersdelikt.

Hessen Mobil ist auf den Bundes-, Landes- und Kreisstraßen des Bergwinkels und im Blauen Eck im Main-Kinzig-Kreis für die Ortstafeln zuständig. Die Straßenverkehrsbehörde des Landes erklärt auf Anfrage, dass „mit der provisorischen Ersatzaufstellung, der Ersatzbeschaffung und der erneuten Aufstellung hier schnell eine Schadenshöhe von etwa 500 Euro erreicht“ sei.

Main-Kinzig-Kreis: Ortsschilder geklaut - Welche Geschwindigkeit nun gilt

Aber ist die Kurstadt an der Salz ein Einzelfall, die Häufung dort ein Zufall? „Im Frühherbst gab es einen Ortstafeldiebstahl im Freiensteinauer Ortsteil Reinhards. Danach setzten sich die Diebstähle von zehn weiteren Ortstafeln im November und Dezember weitestgehend im Bereich Steinau und Bad Soden-Salmünster fort. Kürzlich gab es zwei weitere Fälle im Raum Herbstein“, teilte eine Sprecherin mit. In der Brüder-Grimm-Stadt ist Ulmbach mit gleich zwei Schildern betroffen – und auch in Seidenroth fehlt eine Ortstafel.

Mit Blick auf die beiden Bergwinkel-Städte spricht Hessen Mobil von „einer Häufung“. Anhaltspunkte auf mögliche Täter gebe es nicht. Die Vermutung: „Möglicherweise werden diese Schilder als Souvenir oder als Dekoration verwendet.“ Sie könnten also in dem einen oder anderen Partykeller gelandet sein.

Hessen Mobil betont aber auch: „Es handelt sich bei diesen Taten jedoch keinesfalls um ein Kavaliersdelikt, sondern um einen Eingriff in den Straßenverkehr. Dementsprechend wird das Ganze von uns zur Anzeige gebracht.“ (Lesen Sie hier: Gefahr für Fußgänger - Auf dieser Umleitungsstrecke geht es sehr eng zu)

Das passiert, wenn das Ortsschild verschwunden ist

Auch bei der Polizeistation tappen die Beamten im Dunkeln, was das Verschwinden der Ortstafeln angeht. Polizeihauptkommissar und stellvertretender Stationsleiter Stefan Enders: „Wir kennen nicht den Hintergrund. Früher war es bei Kirmesveranstaltungen üblich, dass sich die Dörfer gegenseitig die Schilder geklaut haben.“ Diese „Tradition“ sei aber längst Geschichte – zumal die Pandemie solche Feste kaum noch zulässt.

Doch welche rechtlichen Konsequenzen hat das Fehlen einer Ortstafel für den gemeinen Autofahrer? „Sobald bekannt ist, dass eine Ortstafel fehlt, stellt die Straßenmeisterei am Standort der Ortstafel eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 Stundenkilometern auf“, teilt Hessen Mobil mit. Schneller als vorher darf in diesen Fällen also nicht gefahren werden.

Geschlossene Ortschaft beginnt da, „wo eindeutig geschlossene Bauweise erkennbar“ ist

Das ist die Theorie. In der Praxis wird aber in den Dörfern immer wieder zu schnell gefahren. Wie sieht es da mit dem Strafmaß aus? Schließlich ist dies außerhalb einer geschlossenen Ortschaft niedriger als innerhalb eines Ortes. Enders: „Da muss der Einzelfall geprüft werden. Man merkt als Autofahrer an der Bebauung, wenn man in einem Ort ist.“

In der Straßenverkehrsordnung heißt es dazu in Paragraf 3 lediglich: „Innerhalb geschlossener Ortschaften gilt für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h.“ Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil aus dem Jahr 2015 in etwa das festgestellt, was auch Enders sagt: „Wenn eine Ortstafel fehlt, beginnt die geschlossene Ortschaft da, wo die eindeutig geschlossene Bauweise erkennbar anfängt.“

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