Die Brüder und ihre Freunde begeisterten mit verrückten Tüfteleien. Alltagsgegenstände werden zweckentfremdet, völlig aus dem Rahmen fallende Gefährte werden von ihnen gebaut und zum Fahren, Schwimmen, Tauchen oder Fliegen gebracht – wobei sie sich filmten. Den endgültigen Durchbruch schafften die Brüder Anfang 2019 mit ihrer „fliegenden Badewanne“, einer bemannte Drohne, mit der sie zum Brötchenholen zu einer Bäckerei flogen.
Doch sie erlitten im wahren Leben auch Schicksalsschläge: 2018 kam ihre jüngere Schwester Elli bei einem Flugzeugabsturz ums Leben, vor zwei Jahren starb Philipp nach einer zum dritten Mal ausgebrochenen Krebserkrankung im Alter von 23 Jahren. Eine Situation, mit der Philipp erstaunlich offen umging und seine Fans im Internet am allmählichen Prozess des Sterbens teilhaben ließ. Seit seinem Tod führt Johannes den Kanal mit Freunden weiter.
„Real Life Guys” ist der Titel des Films, der vor allem in Osthessen und speziell im 35 Einwohner zählenden Klesberg entsteht. Dass auch sonst vieles „hessisch“ ist an der Produktion, liegt nicht nur daran, dass die Protagonisten aus Hessen stammen, auch der Produzent des Films, Sven Fockner, stammt aus Alsbach-Hähnlein.
„Ich bin 2018 den beiden echten ‚Real Life Guys‘ ganz zufällig bei einer Dönerbude über den Weg gelaufen. Je mehr und je enger ich sie kannte, desto mehr wuchs in mir der Wunsch, dass die Geschichte doch der Stoff für einen Film sein könnte. Und die beiden waren sofort offen für die Idee“, erklärt Fockner.
Ein Ansinnen, an dem auch das Land Hessen mit seiner Filmförderung Interesse gezeigt hat: 550.000 Euro sind an die Macher von „Real Life Guys” geflossen. Eine wichtige Bedingung: Der Film muss in Hessen gedreht werden. „Wir wollten schon wegen des Themas dort drehen. Denn die beiden Jungs stammen ja aus Hessen“, sagt der zweite Produzent Thomas Blieninger, der auch die Aufnahmen leitet.
Der Film basiert auf dem Leben der Mickenbeckers, ist aber bewusst nicht als Dokumentarfilm angelegt, wie etwa eine 2021 im NDR ausgestrahlte Dokumentation, sondern zeigt eine wahre Geschichte in fiktionalisierter Form. Dass der Film nicht am „Originalschauplatz“ an der Bergstraße entsteht, sondern zum großen Teil in Osthessen, ist einem Zufall zu verdanken.
„Ein zentraler Schauplatz in dem Film ist das Elternhaus der Mickenbeckers, wo sie natürlich auch an ihren Projekten herumbasteln. Dafür brauchten wir unbedingt einen leerstehenden Bauernhof mit Nebengebäuden, wo wir über mehrere Wochen ungestört arbeiten können. Über ein Immobilienportal sind wir dann auf den Hof hier in Klesberg gestoßen, der uns dann auch sofort zugesagt hat“, berichtet Blieninger.
Allein in dem Anwesen in Klesberg haben Blieninger und Regisseurin Maria-Anna Westerholzer nicht weniger als dreizehn Drehtage angesetzt. Insgesamt hält sich die etwa siebzig Personen umfassende Filmcrew ganze vier Wochen in Osthessen auf. „Der Hof in Klesberg bietet uns die günstige Gelegenheit, viele der Szenen unseres Films gleich auf einmal zu drehen“, meint Blieniger.
Die dem Bauernhof als „Set“ benachbarten Hallen der Klesberger Firma Link GbR bieten darüber hinaus ausreichend Platz für die „Base“. So heißt in der Sprache der Filmleute das Depot für die benötigten Gerätschaften, die Requisiten sowie die Fahrzeuge – und davon gibt es mehr als genug.
Von der eigentlichen Filmcrew stammen ebenfalls viele aus Hessen, aber auch aus Bayern und Berlin. Es spielen viele Jugendliche und junge Erwachsene mit, etwa sechzig Komparsen stehen vor der Kamera – alle aus der Region. Die große Werbetrommel musste dabei nicht gerührt werden. „Das lief über Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt Sven Fockner.
Die Drehorte werden viele Zuschauer zweifellos wiedererkennen. Nicht nur in Klesberg herrscht großes Kino, sondern auch an anderen Standorten finden Außenaufnahmen statt. Eine Schlüsselszene des Films wurde etwa oberhalb von Kressenbach gedreht. Dabei geht es, so viel sei verraten, um ein Bobby-Car-Rennen.
Weitere Szenen entstehen im Klinikum Fulda, wo gerade ein Flügel renoviert wurde und noch nicht in Betrieb ist. „Wir konnten dort über drei Tage hinweg drehen. So etwas ist normalerweise bei Filmaufnahmen in einem Krankenhaus nicht möglich, weil im regulären Betrieb die Zeit dafür gar nicht vorhanden ist“, erläutert Sven Fockner. Noch bis Mitte Mai ist die Crew in der Region aktiv. Dann geht es für weitere Aufnahmen nach Südhessen, in die Heimat der Mickenbeckers. 2024 soll der Film in den Kinos anlaufen.
Ein Kamerateam war auch in Wallroth am Werk. Dort dreht der Hessische Rundfunk kürzlich für das Format „Dolles Dorf“. (von Carsten Eigner)