Stumpfes Bauchtrauma, Rippen- und Schädelprellung: „Daran sieht man, wie hart zugeschlagen wurde“, sagt die Mutter. Dazu kommen die psychischen Auswirkungen, die wohl länger brauchen werden, um zu verheilen. Ihr Sohn leide an Appetitlosigkeit und schlafe wenig, es gelinge ihm nun langsam, sich einer Therapeutin gegenüber zu öffnen.
Die Mutter macht sich selbst Vorwürfe, die Zeichen nicht früher erkannt zu haben: Ihr Sohn habe öfter über Bauchschmerzen geklagt, habe sie gefragt, ob sie ihn in die Schule bringen könne. Die Noten sackten ab. „Jetzt ergibt das alles einen Sinn.“ Wegen der schlechteren Noten habe sie wiederholt Kontakt zum Lehrer gesucht, sei aber immer vertröstet worden.
Die Mutter vermutet, dass man ihr Kind wohl seit einem Jahr drangsaliere, einen ersten Höhepunkt muss es zum Zeitpunkt der Fußball-WM gegeben haben, bei dem die favorisierte Mannschaft ihres Sohnes erfolgreich war. „Wenn Du in die Schule kommst, wirst Du sehen, was passiert“, habe eine Smartphone-Nachricht an ihren Sohn gelautet.
Daraufhin habe sie den Vater des Schülers angerufen und ihn dazu aufgefordert, „sich durchzulesen, was sein Sohn so schreibt“. Daraufhin habe der Vater sie bedroht und gesagt, sie werde „noch erfahren, wie es auf der Straße abgeht“. Ihr Sohn sei immer wieder beleidigt und mit Dreck beworfen worden. „Aber die Eltern sind immun dagegen, sie wollen nichts Negatives über ihren Sohn hören.“
Dieses Kind und ein weiteres – sie sind Klassenkameraden ihres Sohnes – hält sie auch für die Drahtzieher des Angriffs. Da sie nur daneben gestanden haben, trifft sie der einwöchige Schulverweis auch nicht. „Für die anderen ist das jetzt wie eine Woche Ferien.“ Chat-Verläufe machen deutlich, dass der Angriff geplant war und ein weiterer folgen sollte.
Erzählt hat ihr Sohn das alles nicht – und wenn, dann nur nach und nach, in Bruchstücken. Um zu erfahren, was passiert war, nachdem ihr Sohn mit einem geschwollenen Gesicht nach Hause gekommen ist, hat die Mutter Kontakt mit anderen Schülern aufgenommen, hat sich Chat-Verläufe und auch das Video schicken lassen, das von einer Klassenkameradin aufgenommen wurde. „Das Gekichere geht unter die Haut“, sagt die Mutter. „Die Schläger sind zum Teil deutlich älter als mein Sohn, einer springt mit einem Karate-Kick gegen seinen Oberkörper.“
Sie stelle sich zudem die Frage, wo die Aufsicht gewesen sei. Schwer zu ertragen ist für sie auch, dass keiner der Umstehenden einen Lehrer geholt hat. Die Mutter vermutet, dass diese selbst Angst haben, Opfer zu werden. Nach dem Vorfall seien viele Eltern auf sie zugekommen, haben ihr Entsetzen ausgedrückt. Dennoch wolle keiner für mehr Aufklärung sorgen, dann heiße es: „Mein Kind war nicht involviert, es soll nicht hineingezogen werden.“
Die Mutter dringt darauf, dass ihr Sohn eine andere Schule besuchen darf. „Er will auch nicht zurück, die Therapeutin hat ebenfalls abgeraten.“ Die Schule habe angeboten, dass ihr Sohn die Pausen in einem sogenannten Schutzraum verbringen könne. „Er ist gerne draußen und spielt Fußball und soll nun in so einem Raum sitzen. Außerdem muss er sich ja trotzdem auf dem Schulgelände bewegen, etwa vom Bus zum Eingang.“
Die Kopernikusschule in Freigericht (Main-Kinzig-Kreis) selbst will sich zum Einzelfall nicht äußern und verweist auf das Persönlichkeitsrecht, man sei aber an diesem Vorfall dran. Stellvertretende Schulleiterin Kerstin Schmeckthal erklärt auf Anfrage, dass man jeden Fall von Mobbing individuell betrachten müsse, um das „Setting“ – Freundschaften, Lebensumstände und Elternhaus – des Schülers zu verstehen.
Man habe ein Fallmanagement aufgebaut, das neben den Pädagogen von verschiedenen Seiten betrachtet werde, etwa Schulsozialarbeit, Schulseelsorge, Jugendamt und Polizei. Es sei wichtig, die verschiedenen Fälle lange Zeit zu begleiten, dafür gebe es an der Schule verschiedene Angebote.
Innerhalb von 15 Minuten wurden in Nidderau zwei Tankstellen von den mutmaßlich selben Räubern überfallen. Einmal konnten die Täter mit Beute entkommen. (von Tina Steimle)