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Die Gefahr fährt immer mit: Anteilnahme und Betroffenheit nach Mord an Polizisten

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Von: Hartmut Zimmermann, Tim Bachmann

„Kommt schnell, die schießen“ – dieser Funkspruch hat sich in den Köpfen der Polizisten eingebrannt. Nicht nur in Kusel. Auch in der Polizeistation Schlüchtern ist der Polizisten-Mord ein Thema, wie Stefan Enders, Kevin Junk und Valentin Hahner im Gespräch mit unserer Zeitung berichten. 

Schlüchtern/Fulda - Mit einer Gedenkminute haben die Polizisten in Hessen und ganz Deutschland am Freitag ihrer brutal ermordeten Kollegen gedacht. Das Verbrechen, dem Yasmin Maria Bux und Alexander Klos am Morgen des 31. Januar zum Opfer gefallen waren, berührt auch die Polizeibeamten in Osthessen stark. Das wurde auch dadurch deutlich, dass Polizeipräsident Günter Voß bei seiner Rede auf dem Gelände des Polizeipräsidiums Osthessen in Fulda zeitweise um Fassung ringen musste: „Eine Ansprache ist mir noch nie so schwer gefallen – entschuldigen Sie!“

Bundesweit war bei allen Polizeidienststellen für 10 Uhr eine Gedenkminute angesetzt. Pünktlich erinnerte beispielsweise im Polizeipräsidium Osthessen eine Lautsprecherdurchsage daran. Doch die allermeisten der dort Tätigen hatten sich bereits auf dem Freigelände versammelt. Neben einem Bürotrakt stand auf einem mit Samt verkleideten Sockel ein Gesteck mit weißen Blumen vor einem Bild des rheinland-pfälzischen Polizeiwappens, das mit Trauerflor versehen war. Davor hatten sich rund 130 Polizistinnen und Polizisten versammelt.

Main-Kinzig-Kreis: Polizisten-Mord beschäftigt Kollegen in Schlüchtern

Auch in Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) versammelte der stellvertretende Dienststellenleiter, Polizeihauptkommissar Stefan Enders, seine Kollegen um sich. Es ist nicht nur ein Erinnern, sondern auch eine Mahnung. Passt auf euch auf. Achtet auf die Eigensicherung. Denkt daran, was ihr in eurer Ausbildung gelernt habt. Ein Fall wie in Kusel, wo ein Streifenpolizist und Ausbilder sowie seiner Praktikantin in einer vermeintlich tagtäglichen Verkehrskontrolle hinterrücks das Leben genommen wurde, er könnte sich überall ereignen. Auch im Bergwinkel.

Dort drehen zum Beispiel der aus dem Landkreis Fulda stammende Polizeioberkommissar Kevin Junk (32), stellvertretender Dienstgruppenleiter und Praxisausbilder, und sein Praktikant, Polizeikommissar-Anwärter Valentin Hahner (21) aus Bad Orb, ihre Runden. Und natürlich hat sie der Fall Kusel betroffen gemacht. „Das sind Kollegen. Das geht einem immer nah“, sagt Junk, der seit neun Jahren bei der Polizei ist und sich auch als junger Familienvater seine Gedanken macht.

Polizeioberkommissar Kevin Junk (rechts), stellvertretender Dienstgruppenleiter und Praxisausbilder, geht mit seinem Praktikanten, Polizeikommissar-Anwärter Valentin Hahner, auf Streife. Sie wissen: Die Gefahr fährt immer mit.
Polizeioberkommissar Kevin Junk (rechts), stellvertretender Dienstgruppenleiter und Praxisausbilder, geht mit seinem Praktikanten, Polizeikommissar-Anwärter Valentin Hahner, auf Streife. Sie wissen: Die Gefahr fährt immer mit. © Tim Bachmann

Der 21-jährige Hahner, der momentan während seines Studiums an der Polizeihochschule Mühlheim als Praktikant in Schlüchtern ist, weiß über die Gefahren seines Berufes: „Wir wissen natürlich, dass es gefährlich werden kann. Das akzeptiert man aber, wenn man sich für den Beruf entscheidet.“ Das Thema Eigensicherung ist nach Kusel nochmals verstärkt in das Bewusstsein der Polizisten gerückt. „Entsprechende Hinweise gibt es täglich von der Dienststellenleitung. Achtet darauf, was ihr gelernt habt, passt auf euch auf“, erläutert Enders. Wichtig sei, die Aufmerksamkeit hochzuhalten. „Bei der Polizei gibt es einen Leitspruch, der besagt: ‚Rechne immer mit dem Schlimmsten.‘“, sagt Enders.

Polizei-Ausstattung viel sicherer geworden - Aber: Gefahr fährt immer mit

Positiv bewertet der Polizeihauptkommissar die Entwicklung der Ausrüstung. „Wir können uns über die technische Ausstattung unserer Kollegen nicht beschweren“, sagt er. Als Enders selbst auf Streife gegangen ist, „hatte ich eine braune Hose, ein gelbes Hemd und ein grünes Hütchen“, erinnert sich der 57-Jährige zurück und schmunzelt. Inzwischen hätten die Kollegen neue Schutzwesten und Body-Cams, die zum Sicherheitsgefühl beitragen. „Es wird stetig an der Verbesserung gearbeitet“, lobt Enders.

Die Anteilnahme und Betroffenheit nach dem Mord an den beiden Polizisten in Kusel ist groß.
Die Anteilnahme und Betroffenheit nach dem Mord an den beiden Polizisten in Kusel ist groß. © Sebastian Gollnow/dpa

Zwar konnte die Schutzweste in einem Fall wie in Kusel auch nichts retten. Eine Body-Cam, die das Geschehen aufzeichnet, hat in vergleichbaren Fällen zur Nachbereitung wertvolle Dienste geleistet, zumindest zur strafrechtlichen Aufklärung, weiß Enders. Die Polizisten in Schlüchtern tragen solche Body-Cams zumindest, wenn größere Kontrollen oder Veranstaltungen anstehen. Aber auch sonst kommen sie inzwischen häufiger zum Einsatz, erklärt Junk. Dass es bundesweit mehr Übergriffe auf Einsatzkräfte gibt als früher, ist kein Geheimnis. „Es ist ein Wandel in der Gesellschaft“, meinen die Polizisten, angesprochen auf diesen Umstand. Angst haben sie dennoch nicht. Auch wenn die Gefahr immer mitfährt.

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