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26-Jähriger soll 400.000 Euro Steuern hinterzogen haben - Anwalt legt überraschend Mandat nieder

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Justitia
Mit einer zunächst in Bad Orb und dann in Gedern ansässigen Gebäudereinigungsfirma soll ein 26-Jähriger 400.000 Euro Steuern hinterzogen haben. © Rolf Vennenbernd/dpa/Symbolbild

Mit einer zunächst in Bad Orb und dann in Gedern ansässigen Gebäudereinigungsfirma soll ein 26-Jähriger Steuern im großen Ausmaß hinterzogen haben. Die Rede ist von einem Schaden von 400.000 Euro.

Bad Orb - Nun musste sich der 26-Jährige vor der Großen Strafkammer des Hanauer Landgerichts verantworten. Sein Verteidiger entschloss sich aber, das Mandat abzulegen.

Main-Kinzig-Kreis: 26-Jähriger wegen Steuerhinterziehung vor Gericht

Der junge Mann sitzt schon lange vor Prozessbeginn auf der Anklagebank. Er starrt auf seine Schuhe, bis die Strafkammer den Sitzungssaal betritt. Schnell wird klar: Die Verteidigung will ein Gespräch über eine Verständigung. Auch Staatsanwältin Melissa Pfaffenberger scheint nicht abgeneigt, jedoch nur, wenn der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ablegt. Also beginnt der junge Mann zu erzählen.

2014 war er im Alter von 18 Jahren nach Deutschland gekommen. Zuvor hatte er in Bulgarien seinen Hauptschulabschluss gemacht, eine weiterführende Schule aber abgebrochen. „Ich wollte arbeiten. Ich wollte nicht mehr zur Schule gehen.“ Mit seinem Stiefvater kam der Angeklagte in Duisburg an. Zu seinem biologischen Vater habe er bis heute keinen Kontakt: „Er hat mich viel geschlagen und getreten. Ich glaube, er mochte mich einfach nicht.“ Von Duisburg sei er nach Köln, Düsseldorf, Wuppertal und in den Odenwald gezogen, immer auf der Suche nach Arbeit – ohne eine Anstellung zu finden: „Ich habe damals kein Wort verstanden. Ich wusste nicht, dass meine Arbeit irgendwo angemeldet werden muss.“

2019 reiste der Angeklagte mit seinem Stiefvater und der Mutter, die mittlerweile auch in Deutschland angekommen war, in die Türkei. „Mein allererster Urlaub“, erklärt der 26-Jährige. Dort sei dem jungen Mann die Idee gekommen, sich selbstständig zu machen: „Meine Freunde haben mich beraten, die wussten, wie das geht.“ Kurzerhand habe der gebürtige Bulgare, der mittlerweile nach Bad Orb (Main-Kinzig-Kreis) gezogen war, eine Gebäudereinigungsfirma ins Leben gerufen.

Richter Dr. Niels Höra hakt hier nach, findet heraus, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt seiner Geschäftsidee in keinem Arbeitsverhältnis gestanden hat, folglich sei er auch nicht krankenversichert gewesen – genauso wenig seine Mutter. Diese habe damals aber schon unter erheblichen gesundheitlichen Problemen gelitten: „Die Ärzte mussten ihr alle Zähne herausnehmen. Sie haben gesagt, dass sie Krebs im Mundraum hat, deswegen mussten die Zähne weg“, erklärt der Angeklagte. Ein Jahr später musste die Frau im Krankenhaus an der Leber operiert werden. Für seine Mutter sei fast jede Hilfe zu spät gekommen.

Verteidiger Tim Wullbrandt deutet an, dass die Krankheit der Mutter vielleicht Grund für die Selbstständigkeit des Angeklagten gewesen sein könnte, damit er sie in seinem Betrieb anmelden und sie sich krankenversichern könne. (Lesen Sie auch: Notorischer Betrüger muss nun in Haft - 39-Jähriger hat bereits 17 Vorstrafen)

Prozess am Hanauer Landgericht: Steuern über Gebäudereinigungsfirma hinterzogen

Auch wenn die Hintergründe im Dunkeln lägen, Steuern hinterzogen habe der junge Mann trotzdem, betont ein geladener Steuerfahnder, der Bedenken bezüglich der Umsätze des Unternehmens äußert: „Das ist einfach unstimmig. In wenigen Monaten soll die Gebäudereinigungsfirma knapp eine Million Euro verdient haben. Wir nennen so etwas Phönix-Umsätze, denn eigentlich ist es kaum möglich, ohne Geschäftserfahrung und ohne Deutschkenntnisse einen solchen Gewinn zu erzielen.“ Das Geld sei auf vier Konten des Angeklagten überwiesen und dann innerhalb weniger Stunden wieder in bar abgehoben worden. Einige der Rechnungen könnten auch „Scheinrechnungen“ sein, meint der Steuerfahnder. So sei die Methode zwar noch unklar, allerdings ändere dies nichts am Vorwurf der Steuerhinterziehung.

Die Frage des Richters, ob er Hilfe in Sachen Bürokratie bekommen habe, verneint der Angeklagte – obwohl Höra ihn darauf hinweist, dass dem Gericht Anträge und Briefe eines Steuerberaters vorlägen. Der Richter gewährt dem jungen Mann Beratungszeit mit seinem Rechtsbeistand, der allerdings wider Erwarten nach der Unterbrechung sein Mandat niederlegt. Er sehe einen Interessenkonflikt, habe allerdings für einen Nachfolger gesorgt. Die Verhandlung wird fortgesetzt. (asc)

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