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Neuer Name für Schule im Kinzigtal: Aus Bergwinkelschule BFZ wird Max-Wolf-Schule

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Von: Tim Bachmann

Konrektor Andreas Thiem (von links), Lehrerin und Ideengeberin Julia Heß, Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann, Förderschulrektor Steffen Krüger, Rathauschef Matthias Möller und Dreiturm-Geschäftsführer Lars Börgel.
Konrektor Andreas Thiem (von links), Lehrerin und Ideengeberin Julia Heß, Kreisbeigeordneter Winfried Ottmann, Förderschulrektor Steffen Krüger, Rathauschef Matthias Möller und Dreiturm-Geschäftsführer Lars Börgel. © Tim Bachmann

Die Bergwinkelschule – Beratungs- und Förderzentrum (BFZ) ist Geschichte. Nein, die Schule ist nicht geschlossen worden, sondern hat seit dem 27. Februar einen neuen Namen. Die direkt neben der Bergwinkel-Grundschule in Schlüchtern verortete Förderschule heißt nun offiziell Max-Wolf-Schule. Und dies wurde gefeiert.

Schlüchtern - Wie Förderschulrektor Steffen Krüger bei der Feier am Montag berichtete, hat die Umbenennung einen ganz praktischen Grund, denn aufgrund der räumlichen Nähe und der Namensgleichheit gab es in der Vergangenheit immer wieder Verwechslungen zwischen Bergwinkelschule und Bergwinkel-Grundschule.

Der Namen Bergwinkelschule sei kein schlechter, und den habe seine Schule im Kinzigtal auch stets mit Stolz getragen. Krüger machte den vielen Schülern anschaulich deutlich, wieso eine Namensänderung dennoch wichtig und richtig sei. Sein Vergleich: Ein Haus, zwei Familien, gleicher Name.

Kinzigtal: Neuer Name für Schule - aus Bergwinkelschule BFZ wird Max-Wolf-Schule

„Wenn der Pizzabote mit einer bereits bezahlten Essenlieferung vor der Tür steht, dann ist das toll. Wenn aber der Gerichtsvollzieher klopft, der eigentlich zum Nachbarn will, ist das nicht so schön.“ Ganz praktische Beispiele: An der benachbarten Grundschule kam Post an. Ankündigung einer Schulinspektion.

Die ebenfalls zur Feierstunde anwesende Schulleiterin Iris Müller hatte aber den „Braten gerochen“, denn die Inspektoren waren schon bei ihr. Also informierte sie die „Nachbarn“. Ein anderes Schreiben an Müller vor zwei Wochen betraf die Berufsorientierung: „An der Grundschule wird zwar viel gemacht, aber Berufsorientierung?“, sagte Krüger und lächelte.

So hätte seine Schule aufgrund der Namensgleichheit in der Vergangenheit immer wieder erklären müssen, wer oder was sie ist. Die Idee, sich umzubenennen, kam schon unter Krügers Vorgänger Georg Müller auf, wurde aber nochmals verworfen und erst unter dem neuen Leiter vor anderthalb Jahren wieder aufgegriffen.

Herr Möller, wenn Sie damals Bürgermeister gewesen wären, dann wäre Max Wolf nie nach Steinau gegangen.

Schuldezernent Winfried Ottmann

Dann stellte sich die Frage: „Was muss so ein Name können?“ Eine Örtlichkeit? „Bergwinkel ist schon vergeben. Und Rhön-Vogelsberg-Spessart-Schule ist zu sperrig“, verdeutlichte Krüger. Ein allgemeiner Name? Vielleicht „Sonnenschein-Schule“? „Wir unterrichten auch bei Regen“, so der Förderschulrektor.

Also fiel der Entschluss, eine Persönlichkeit als Namensgeber zu wählen. „Eine Person, die einen untadeligen Ruf hat. Also nicht Wladimir-Putin-Schule“, sagte Krüger und die Schüler lachten. Folglich wurde nach jemandem gesucht, der sozial gewirkt hat, junge Menschen unterstützte und am besten noch aus der Region stammt.

Dabei hat Förderschullehrerin Julia Heß, die auch Mitglied des Heimat- und Geschichtsvereins sowie der „Stolperstein-Gruppe“ ist, den Namen Max Wolf in den Raum geworfen, erklärte Krüger. Die Steuerungsgruppe stimmte zu, der Antrag wurde vor einem Jahr gestellt – und am 27. Februar nun „Vollzug“ gemeldet. „Der Name ist für uns auch eine Verpflichtung“, sagte Krüger.

Max-Wolf-Schule in Schlüchtern - „Der Name ist für uns auch eine Verpflichtung“

Nachdem sie in den vergangenen Wochen häufiger von ihren Schülern gefragt wurde, wer dieser Max Wolf eigentlich sei, gab Heß zur feierlichen Schul-Umbenennung eine kleine Geschichtsstunde, „auch wenn Frontalunterricht eigentlich nicht so meins ist“, wie sie bekannte.

Zuerst zeigte sie den Schülern, wo Max Wolf am 18. November 1887 geboren wurde. Auf einem historischen Foto war die Straße mit dem Wohnhaus der Familie Wolf und der alten Seifenfabrik zu sehen. „Wisst ihr, wo das ist?“, fragte Heß. Als Tipp gab sie, dass das Kaiser-Wilhelm-Denkmal im Fordergrund nicht mehr dort zu finden ist.

„Anstatt Kaiser eine rote Kuh“, gab sie als weiteren Tipp, ehe sie ein aktuelles Bild der Fuldaer Straße zeigte. „Ahhhh!“, so die Reaktion aus der gespannt lauschenden Schülerschar. Heß berichtete weiter über das Leben von Max und Ilse Wolf, deren Einsatz als Unternehmer, für ihre Beschäftigten, für arme Kinder.

In der Weihnachtszeit sorgte die jüdische Familie Wolf dafür, dass Jahr für Jahr 300 Kinder erwerbsloser Eltern aus Schlüchtern und Steinau Geschenke erhielten. Nicht nur Nützliches wie Pullover oder warme Socken, sondern auch für jedes Kind ein Spielzeug. Aber auch sonst waren die Wolfs stark engagiert, zum Beispiel als Fördergeber des Schlüchterner Freibads.

Zur Person: Max Wolf

Es ist erst ein gutes halbes Jahr her, dass in der Fuldaer Straße in Schlüchtern fünf Stolpersteine für Max Wolf (1887 - 1948) und dessen Familie verlegt wurden. Am 27. Februar ist dem Industriellen und Kind der Stadt Schlüchtern eine weitere Ehre zuteil geworden. Er ist nun Namensgeber der vormaligen Bergwinkelschule – Beratungs und Förderzentrum (BFZ).  Dass sich einst auf dem Areal in der Fuldaer Straße eine enorme Fabrik mit bis zu 120 Arbeitern befand, ist heute nicht mehr zu erahnen. Bereits im Jahr 1825 gründete Victor Meier Wolf die Seifensiederei, eine der ersten ihrer Art in Deutschland. 

Ende der 1920er-Jahre siedelte Max Wolf aus Platzgründen mit dem prosperierenden Dreiturm-Werk nach Steinau um. Dort ließ Wolf ein beeindruckendes, heute denkmalgeschütztes Fabrikgebäude errichten. Im Jahr 1935, nachdem die Nazis ihnen den Betrieb raubten, flüchtete Familie Wolf nach England. Ihre Kinder Gerhard, Renate und Peter hatten sie vorher in Sicherheit gebracht.

Im Exil gründete Max Wolf sofort ein Unternehmen zur Herstellung von Seifen und kriegswichtigen Gütern, was ihm die britische Internierung nach Kriegsbeginn ersparte. Familie Wolf wurde nicht primär aus ethnischen und religiösen Gründen verfolgt, sondern politisch: Die Wolfs waren engagierte Sozialisten, behandelten und bezahlten ihre Beschäftigten überdurchschnittlich gut. Die Dreiturm-Eigentümer führten zum Beispiel die 40-Stunden-Woche ein. 

Gleich nach der Machtübernahme begannen die Nationalsozialisten damit, die Wolfs sowie leitende nicht-jüdische Angestellte einzuschüchtern und willkürlich zu verhaften. Ein absurder Hochverratsprozess endete im Jahr 1934 mit der Enteignung. Nach Kriegsende mussten die Wolfs drei Jahre lang um die Rückgabe ihres Besitzes kämpfen. Max Wolf starb 1948, kurz nachdem er die Nachricht erhielt, dass die Firma wieder in seinen Besitz übergeht. Ehefrau Ilse und Sohn Gerhard kehrten im gleichen Jahr nach Deutschland zurück. (tim, hwk)

Auf die Frage, warum Wolf, nachdem er seine Seifenfabrik nach Steinau umsiedelte, diese „Dreiturm“ nannte, hatte eine Schülerin die passende Antwort parat: „Wegen der drei Türme Schlüchterns, die er von seinem Zuhause aus sah.“ Bürgermeister Matthias Möller (parteilos) freute sich über die „Geschichtsstunde, in der auch ich viel Neues gelernt habe“. Er berichtete, dass auch seitens der Stadtverwaltung die Namensänderung gern gesehen werde.

„Vor allem, als ihr Vorgänger noch aktiv war, gab es oft Verwechslungen“, sagte Möller an Krüger gewandt, denn mit Georg Müller und Iris Müller gab es auch noch zwei Schulleiter mit dem selben Nachnamen. Und wenn es dann hieß: „Rückrufbitte, Müller, Bergwinkelschule“, habe er häufiger die falsche Nummer gewählt.

Video: 90 000. Stolperstein für Opfer der Nationsozialisten verlegt

Kreisbeigeordneter und Schuldezernent Winfried Ottmann (CDU) lobte die Namenswahl, die auch seitens des Kreisausschusses volle Unterstützung erhalten habe. Er hatte nicht nur die offizielle Urkunde im Gepäck, sondern auch zwei Schecks. Einen für die Schule, denn der neue Name solle künftig auch nach außen gut sichtbar sein, sowie einen für den Heimat- und Geschichtsverein, den er an Julia Heß übergab.

Über die Information, die er aus der Geschichtsstunde der Förderschullehrerin mitgenommen hatte, nämlich dass Wolf mit seiner Seifenfabrik nach Steinau umsiedelte, weil ihm der Magistrat in Schlüchtern eine Erweiterung an Ort und Stelle versagte, sagte Ottmann mit einem Grinsen: „Herr Möller, wenn Sie damals Bürgermeister gewesen wären, dann wäre Max Wolf nie nach Steinau gegangen.“

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