1. Fuldaer Zeitung
  2. Kinzigtal

Geschichten des Jahres (V): Windkraft im Kinzigtal - immer wieder Ärger um „Elmer Propeller“

Erstellt:

Von: Lena Eberhardt

Windkraftanlagen Elm Burg Brandenstein
Die „Elmer Propeller“ stehen in direkter Nachbarschaft zur Burg Brandenstein. Auch von anderen Ortsteilen, wie hier in Ahlersbach, sind die beiden Anlagen gut zu sehen. © Markus Eberhardt

Großer Ärger um Windkraft im Brandensteiner Forst: Ob abgeschnittene Äste, falsche Lieferung oder blockierte Autobahnen - der Aufbau der Windräder wurde 2022 vom ein oder anderen Fauxpas begleitet.

Schlüchtern - „Elmer Propeller“ werden sie mittlerweile von den Bürgerinnen und Bürgern in Schlüchtern genannt: Gemeint sind damit die beiden Windkraftanlagen des Typs Vestas V150 im Brandensteiner Forst, die mit einer Narbenhöhe von 166 Metern in den Himmel im Kinzigtal ragen. Nach langem Hin und Her, 175 Privat-Einwänden, Ablehnung und drohenden Klagen stehen die beiden Anlagen nun doch und befinden sich im Probebetrieb.

Kinzigtal: Windkraftanlagen im Brandensteiner Forst sorgen 2022 für Ärger

Der Weg dorthin war mitunter steinig. Ein Rückblick. Das Jahr 2022 begann im Brandensteiner Forst mit Rodungen des Kohlwalds und der Vorbereitung des Umladeplatzes am Ortseingang von Vollmerz. Tagelang waren Bagger und Forstmaschinen im Einsatz. Der Umladeplatz für die Bauteile der Windkraftanlagen ist heute rund 5000 Quadratmeter groß und soll nach Abschluss der Arbeiten wieder zurückgebaut werden.

Die Fundamente für die beiden Windkraftanlagen wurden im Sommer gegossen. Versenkt wurden rund 1200 Kubikmeter Beton pro Turm bis in rund vier Meter Tiefe. 2000 Tonnen schwer ist ein Turm mit einer Nabenhöhe von 166 Metern und einem Rotordurchmesser von 150 Metern.

Im Oktober und November wurde es in und um Schlüchtern nochmal richtig spannend: Nachts manövrierten Schwertransporter die Bauteile der Windkraftanlagen über die A66 und Schlüchtern über Herolz nach Vollmerz. Teilweise ging die Fahrt nur im Schritttempo voran, aber trotz der späten Stunde wurde der Transport an vielen Stellen von interessierten Bürgerinnen und Bürgern intensiv beobachtet.

Main-Kinzig-Kreis: Windkraftanlage Schlüchtern
Ganz knapp, aber passt: Um neuralgische Punkte wie Verkehrsinseln zu passieren, mussten die Rotorblätter teilweise „schweben“. © Ulrich Schwind

Heikle Punkte in Schlüchtern waren die Abzweigungen von der Hanauer Straße auf die Umgehungsstraße Richtung Herolz sowie später am Ortsausgang von Herolz die Abbiegung nach links Richtung Vollmerz. Um dort die Kurve richtig zu nehmen, fuhren Zugmaschine und Anhängerachse über verschiedene Abbiegespuren. Die große Fracht wurde hydraulisch angehoben und schwebte so über eine Verkehrsinsel.

Ein besonderes Ärgernis waren Bauarbeiten und Schwertransport indes für Achim Heilmann aus Schlüchtern, als er bemerkte, dass seine Obstbäume auf einer naturbelassenen Streuobstwiese entlang der Kreisstraße 933 abgeschnitten worden waren. Den Schuldigen zu ermitteln, war gar nicht so einfach: Hessen Mobil, das Ordnungsamt Schlüchtern und die Kreis-Verkehrsbehörde konnten keine Auskunft geben, was mit den Bäumen geschehen ist.

Achim Heilmann auf seiner Streuobstwiese bei Elm.
Achim Heilmann auf seiner Streuobstwiese bei Elm. Die Äste der Bäume wurden einseitig gekappt, um Transportern Platz zu schaffen. © Tim Bachmann

Schließlich meldete sich das Regierungspräsidium Darmstadt auf die Anfrage von Heilmann und - unaufgefordert - ein Projekt-Ingenieur des Windparkbetreibers Juwi. Der Juwi-Ingenieur schrieb: „Wir haben die Rückmeldung von unserem Nachunternehmer bekommen, dass er Ihre Bäume entlang der K 933 zurückgeschnitten hat.“ Einen gemeinsamen Termin vor Ort und Schritte zur Regulierung des Schadens, wollte der 62-Jährige nicht.

Auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte Achim Heilmann, dass er sich weniger über die abgesägten und „geklauten“ Äste ärgere, als über die Tatsache, dass er nicht informiert worden war. Zudem seien naturbelassene Streuobstwiesen außerhalb von Ortschaften per Gesetz als geschützte Biotope zu zählen. Eingriffe, die über eine schonende Pflege und Bewirtschaftung hinausgingen, müssten in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde erfolgen – also dem Main-Kinzig-Kreis.

Serie: Geschichten des Jahres

In der Reihe „Geschichten des Jahres“ blickt die Redaktion auf Themen, die in diesem Jahr besonders viele User interessiert oder Reaktionen hervorgerufen haben. Im fünften und letzten Teil geht es um die Windkraftanlagen im Brandensteiner Forst im Kinzigtal.

Teil 1: Ein Ehepaar aus Schlüchtern bei „Bares für Rares“.

Teil 2: Mordfall Gabriele Schmidt bleibt ungelöst

Teil 3: Welpe mit Bier übergossen?

Teil 4: Suche nach einem hessischen Lotto-Millionär

Bei der Lieferung der Bauteile für die „Elmer Propeller“ schlich sich ein weiterer Fauxpas ein. Recht schnell nahm zunächst die Anzahl der Bauteile auf dem Umlageplatz wieder ab. Die Anlagenelemente wie die Einzelteile der Türme, zum Beispiel Gondeln und Rotorblätter, wurden an Ort und Stelle mit Spezialkränen montiert. Damit standen zwar die Anlagen nahe der Burg Brandenstein - jedoch blieben drei Rotorblätter auf dem Umlageplatz bei Vollmerz liegen.

Aber warum? Es gab Spekulationen, dass die betreffenden Rotorblätter durch eine falsche Wölbung für die Anlage in Elm nicht richtig passen würden. Die Teile sollen falsch gebaut worden sein, sodass die Anlage im Fall einer Montage nicht optimal gelaufen wäre, heißt es. Das Unternehmen Juwi erklärte auf Anfrage unserer Zeitung, dass es sich bei den in Vollmerz liegenden Blättern um eine nicht ganz korrekte Lieferung des Anlagenherstellers handele, die „aus anderen Gründen nicht akzeptiert“ werde.

Infolgedessen sollten die Rotorblätter zurückgeschickt werden. Allerdings endete die Retoure der 70 Meter langen und mehrere Tonnen schweren Bauteile am Dienstag (20. Dezember) bei der Verbindung der A5 zur A661 am Bad Homburger Kreuz. Die Planer der Strecke hatten offenbar einen Baum übersehen, der die Weiterfahrt des Transport verhinderte und die „Elmer Flügel“ steckten erstmal fest.

Kinzigtal: Falsche Flügel für Windpark bei Burg Brandenstein
Diese drei Rotorblätter, die eigentlich für die beiden neuen Elmer Windkraftanlagen nach Vollmerz geliefert wurden, passten nicht und sollten wieder zurück transportiert werden. © Walter Dörr

Die Polizei sicherte die Stelle ab und ermöglichte so, dass die Lastwagen mit ihrer jeweils 70 Meter langen Ladung auf der Autobahn zurücksetzen konnten. Dafür wurde der betroffene Abschnitt der A5 kurzzeitig gesperrt – mitten im morgendlichen Berufsverkehr und sehr zum Leidwesen der Autofahrerinnen und Autofahrer.

Zwischenzeitlich „parkten“ auf einem Standstreifen die Rotorblätter aus dem Kinzigtal und warteten auf weitere Anweisungen vom Auftraggeber. Diese kamen dann gegen Abend: Wie die Hessenschau berichtet, wurde an der vorgesehenen Fahrtstrecke nichts geändert, lediglich der im Weg stehende Baum und ein Verkehrsschild mussten weichen, damit die Rotorblätter „die Kurve kriegen“.

Auch interessant