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Rhönblick-Klinik ohne Patienten: Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung eskaliert

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Von: Hanns-Georg Szczepanek

Rhönblick-Klinikum
Die Rhönblick-Klinik liegt am Hang unterhalb des Münsterbergs in Bad Soden. Dort sind offenbar am Dienstag die letzten Patienten abgereist oder abgeholt worden. © Privat

Das Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung, in dem sich die gemeinsam geführten Kliniken Lohrey und Rhönblick befinden, ist in der vergangenen Woche eskaliert. Die Folge: Ein ganzer Stapel Kündigungen, geschockte Beschäftigte, hochkochende Emotionen und eine Reha-Klinik ohne Patienten.

Bad Soden-Salmünster - Auf den Insolvenzantrag vor elf Monaten billigte das Insolvenzgericht in Hanau (Main-Kinzig-Kreis) ein Verfahren in Eigenverwaltung, bei dem die bisherige Geschäftsleitung gemeinsam mit der Magdeburger Firma Innovatis Restrukturierung unter Aufsicht von Sachwalter Dr. Lucas Flöther (Fulda/Magdeburg) weiter die Schwester-GmbHs führen durfte. Das klare Ziel: eine Sanierung.

Main-Kinzig-Kreis: Insolvenzverfahren in Reha-Kliniken eskaliert

Nach anfänglichen Problemen bei der Auszahlung von Arbeitsentgelten und der Umstellung auf das Insolvenzgeld stand bis zum März dieses Jahres die Stabilisierung des Geschäftsbetriebs im Fokus, um neben dem in einem Insolvenzplan vorgesehenen Schuldenschnitt „eine nachhaltige Finanzierungslösung umzusetzen, die auch weitreichende Investitionen ermöglicht“, hieß es vonseiten der Innovatis. Im Fall Lohrey handelt es sich nur um angemietete Immobilien.

Gespräche mit den Kostenträgern zur Verbesserung der Erlössituation erlaubten zunächst einen Weiterbetrieb der Kliniken. Doch im Oktober sprang laut Innovatis-Vertreter Andreas Koch ein sicher geglaubter Investor aus Frankfurt ab, was zu der prekären Finanzlage geführt habe.

Klinik-Trio in Bad Soden

Die Klinik Lohrey GmbH war bislang eine Klinik zur Rehabilitation sowie für Anschlussheilbehandlungen für Innere Medizin, Orthopädie und Geriatrie. Erbracht werden stationäre, teilstationäre und ambulante Leistungen. Vor Jahresfrist standen dort 177 Betten zur Verfügung.

Die Rhönblick-Klinik, deren Betreiberin die Gesundes Leben GmbH ist, verfügt über gut 100 (maximal 115) Betten und galt als qualifizierte Reha-Einrichtung für Innere Medizin und Orthopädie, auch für Anschlussheilbehandlungen. Eine „Spezialdisziplin“ war dort bis dato die Lungenheilkunde. Ende 2021 arbeiteten in beiden Kliniken knapp 250 Beschäftigte.

Die Klinik St. Marien GmbH & Co. KG ist ein Reha-Klinik für orthopädischer und unfallchirurgische Behandlungen mit einem Schwerpunkt in der Geriatrie. Die Mitarbeiterzahl beträgt derzeit gut 100, die Anzahl der Betten liegt bei 200.

Um sofortige Schließungen zu vermeiden, sei die Insolvenzverwaltung auf das „alternativlose“ Angebot der in unmittelbarer Nachbarschaft zu Lohrey gelegenen Klinik St. Marien eingegangen und habe mit deren Leitung eine Fortführungsvereinbarung geschlossen. Weitere Details wollten jedoch der bisherige Geschäftsführer der Schwester-GmbHs sowie die Firma Innovatis gegenüber unserer Zeitung nicht nennen. Ein am Montag (31. Oktober) angekündigtes Statement steht noch aus.

Offenkundig wurden aber Mitarbeiterlisten an die Chefetage in St. Marien ausgehändigt, um jene Beschäftigten zu adressieren, mit denen die beiden Kliniken vorläufig weiterzuführen wären. Laut der geschäftsführenden St. Marien-Gesellschafterin Yun Zhang und Klinikleiterin Claudia Kugler wurde nach Verhandlungen mit dem Lohrey-Betriebsrat 53 Personen die Weiterbeschäftigung angeboten, in der Rhönblick-Klinik 26 Beschäftigten. In Betriebsversammlungen am Freitag (28. Oktober) wurde dann der restlichen Belegschaft, etwa 180 Menschen, gekündigt. Die Fristen betragen zwischen vier und zwölf Wochen.

Aus der Belegschaft werden diese Versammlungen, in denen Emotionen hochgekocht sein sollen, als „unsäglich“ bezeichnet. Zahlreiche Beschäftigte seien danach geschockt gewesen. Kugler und Zhang beklagen wiederum, dass sie zu Unrecht für die Gesamtsituation und somit auch für die Kündigungen verantwortlich gemacht würden. Die Ursachen lägen aber nicht in St. Marien. Vielmehr würde diese seit dem Wochenende auch mit eigenem Personal in der Klinik Lohrey aushelfen.

Bad Soden: Klinik Lohrey vorerst in Betrieb

Im Moment sehe sich die Klinik St. Marien als Nothelferin für den Weiterbetrieb und die Versorgung der noch 80 Lohrey-Patienten. Dies geschehe auch aus sozialer Verantwortung. Natürlich gebe es zugleich ein wirtschaftliches Interesse, um zum Beispiel mit beiden Häusern ein geriatrisches Reha-Zentrum in Hessen zu schaffen. Dafür gingen die Gesellschafter der Klinik St. Marien ungesichert in Vorleistung, obwohl die Eigentümerfrage, die künftige Kostenstruktur und der Investitionsbedarf nicht geklärt seien.

Es sei aber nie geplant gewesen, die Rhönblick-Klinik „leerlaufen“ zu lassen. Weil aber ein Großteil des dort gekündigten Personals zum 1. November von der Arbeitsleistung freigestellt worden sei, hätten die etwa 60 dort noch untergebrachten Reha-Patienten das Haus verlassen.

Die Marienklinik-Leitung betont, man habe Verständnis für aufgestauten Frust und Kritik wegen der sehr kurzfristig eingetretenen Ereignisse. Doch hasserfüllte Vorwürfe trügen nichts zur Beruhigung der Lage bei. Es bleibe aber bei dem Angebot, mit allen bisher Beschäftigten ein sachliches Gespräch zu führen.

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