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Anlieferverkehr sorgt in Schlüchtern für Ärger: Ehepaar berichtet von krassen Erlebnissen

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Ein alltägliches Bild im Bereich „Am Reitstück“: Rechts ein im Halteverbot parkender Lastwagen. Ein anderer Laster kann den Abschnitt nur passieren, indem er auf das Grundstück der Firma TS Carservice (links) fährt.
Ein alltägliches Bild im Bereich „Am Reitstück“: Rechts ein im Halteverbot parkender Lastwagen. Ein anderer Lastwagen kann den Abschnitt nur passieren, indem er auf das Grundstück der Firma TS Carservice (links) fährt. © Ulrich Schwind

Vor rund zehn Jahren hat sich die Firma TS Carservice in der Straße „Am Reitstück“ im Schlüchterner Gewerbegebiet angesiedelt. Das Unternehmen hat sich seitdem prächtig entwickelt. Und dennoch gibt es einen Haken: die Verkehrssituation vor dem Anwesen.

Schlüchtern - Davon wissen die beiden Eigentümer Sandra und Thomas Stoß ein Klagelied zu singen. Fast täglich brenzlige Situationen, häufig Kollisionen und mächtig Ärger für sie. Die Zutaten der Szenerie: der beachtliche Anlieferverkehr gegenüberliegender Firmen, eine zu schmale Straße und eine unübersichtliche Verkehrssituation sowie häufig überforderte Kraftfahrer.

„Ich bekomme jeden Tag zig Adrenalinschocks“, berichtet Sandra Stoß. Den ganzen Tag über kommen Lastwagen zum Ausliefern von Waren in das „Reitstück“ im Main-Kinzig-Kreis. Dann beginnt das große Rangieren. Je länger die Fahrzeuge, desto komplizierter wird es. Kommen mehrere Lkw gleichzeitig an, gibt es eine Warteschlange – auch auf der gegenüberliegenden Straßenseite, wo doch ein absolutes Halteverbot gilt.

Main-Kinzig-Kreis: Ärger mit Anlieferverkehr - Krasse Erlebnisse bei Ehepaar

Kommen sich zwei Großfahrzeuge entgegen, wird es sehr eng. Dann wird auf den einseitigen Bürgersteig ausgewichen, oder die Situation wird mit einem Schlenker über das Grundstück von „TS Carservice“ bewältigt. Das hinterlässt Spuren im Pflaster, das nicht für solch schwere Fahrzeuge ausgelegt ist – und auch nicht dafür, dass die Fahrer beim Rangieren auf der Stelle lenken. Da geht das Pflaster „in die Knie“ und senkt sich in diesem Bereich ab. Schon zweimal ließ es Thomas Stoß wieder anheben.

Das Ehepaar Stoß hatte daher versucht, sich direkt vor der Werkshalle mit einem Zaun zu schützen. Nach wenigen Tagen waren die Pfosten umgefahren. Die beiden haben den Zaun wieder entfernt. An der Seite, wo Kundenfahrzeuge abgestellt werden, gibt es die Umzäunung noch. (Lesen Sie hier: Zugstrecke Fulda-Frankfurt: Betroffene Kommunen üben viel Kritik an Plänen der Deutschen Bahn)

Allerdings ist dieser auch schon rund ein halbes Dutzend Mal beschädigt worden – einfaches Eindrücken gar nicht mitgerechnet. Häufig melden sich die Verkehrsteilnehmer nach solchen Beschädigungen nicht, sondern fahren einfach weiter. Erst vor rund vier Wochen war es wieder so: Weil es auf der Straße zu eng war, landete eine Frau mit ihrem Pkw in der Grundstücksbegrenzung. Richtig spektakulär war es, als ein Lastwagen so massiv gegen ein Zaunteil prallte, dass dieses im hohen Bogen auf das Stoß’sche Grundstück flog – über einen teuren Porsche hinweg. Zum Glück bekam dieser keinen Kratzer ab.

Bei einem anderen Zwischenfall wurde eine Überwachungskamera am Gebäude abgefahren. Tage später fand sich diese auf dem Dach des Gebäudes wieder. Der Verursacher hatte sie offenbar dort unbemerkt hingeworfen. Teilweise trauen sich ältere Kunden wegen der gefährlichen Situationen schon nicht mehr zu der Autowerkstatt Stoß. Besonders brenzlig wird es, wenn Fußgänger in diesem Bereich unterwegs sind und gefährdet werden.

Anlieferverkehr sorgt für Strapazen: Stadt bittet um Verständnis

Und dann noch die sonstigen Randerscheinungen: Die lauten Dieselmotoren werden teilweise über längere Zeit zum Kühlen oder Aufheizen des Führerhauses laufen gelassen, Fahrer nutzen unbebaute Nachbargrundstücke als Toilette. Der Krach ist manchmal so laut, dass beim Carservice Türen und Fenster geschlossen werden müssen, um telefonieren zu können.

Und manche Fahrer stellen ihr Gefährt zeitweise dreist direkt vor der Einfahrt der Auto-Werkstatt ab – und entfernen sich zu Fuß. Das Ehepaar Stoß ist die ständigen Scherereien leid. Den Fahrern könne man für die Situation keine Schuld geben. Um die Lage sinnvoll zu entschärfen, wünschen sie sich bei den gegenüberliegenden Firmen geänderte, größere Anlieferzonen.

Sorge bereitet die derzeitige Verkehrssituation am Reitstück auch Nachbar Thorsten Schöppner, Geschäftsführer der Firma Inhag. Bei ihm ist bislang dreimal der Zaun eingefahren – und auf eigene Kosten wieder repariert worden. Eine weitere Gefahrensituation: Immer wieder würden Lastwagen auf der Straße entladen und gleichzeitig von ungeduldigen Autofahrern flott überholt.

Ganz nebenbei registriert Schöppner in dem Gebiet vermehrt „Übernachtungsgäste“: Fahrer, die in ihren geparkten Brummis schlafen und zum Teil unschöne „Überbleibsel“ zurücklassen. Für Schöppner gibt es nur eine Lösung: Wieder eine Einbahnregelung im Reitstück einführen, wie sie kürzlich probeweise galt.

Lkw-Fahrer übernachten im Gebiet und hinterlassen unschöne „Überbleibsel“

Ein Sprecher der Firma Edeka Melsungen, die einen Bau- und Gartenmarkt in Schlüchtern mit rückwärtiger Anlieferung über den Bereich „Reitstück“ betreibt, wollte sich auf Anfrage der Kinzigtal Nachrichten nicht zu dem Sachverhalt äußern. (Lesen Sie auch: Corona bremste Sanierung monatelang aus - Beamte ziehen von Containern in Polizeistation)

Anders die Stadtverwaltung Schlüchtern. Sie sieht die Problematik und kann die Missstimmung nachvollziehen. Tatsache sei, dass die Straße „Am Reitstück“ „einen wichtigen Verkehrsraum darstellt und in diesem Bereich am geeignetsten für die Verkehrsführung ist“. Die Verkehrsinfrastruktur sei im genannten Bereich sicherlich nicht optimal und werde bei Stoßzeiten den Belastungen der aktuellen Nutzung nicht gerecht, bestätigt die Stadtverwaltung.

Bauliche Änderungen seien aber nicht möglich. Fahrten würden dadurch nicht wesentlich reduziert werden, da es sich vorwiegend um Ziel- und Quellverkehr aus dem eigenen Quartier handele. Alle bisherigen Untersuchungen und Diskussionen seien zum Ergebnis gekommen, „dass es keine Lösung zur Beendigung des Konflikts gibt – außer dem Weg der gegenseitigen Rücksichtnahme“. (von Ulrich Schwind)

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