Katja Leikert verabschiedet sich als CDU-Chefin im Main-Kinzig-Kreis und spricht von Merz-Fehler

Beim Kreisparteitag der CDU im Main-Kinzig-Kreis am Freitag, 6. Mai 2022, um 18 Uhr in der Klosterberghalle in Langenselbold steht die Neuwahl des Kreisvorstands im Blickpunkt. Kreisvorsitzende Dr. Katja Leikert (47) kandidiert nach vier Amtsjahren nicht mehr.
Langenselbold - Die Bundestagsabgeordnete aus Bruchköbel war 2018 am selben Ort zur Nachfolgerin von Johannes Heger gewählt worden. Ihr Vorsitz-Vorgänger im Main-Kinzig-Kreis hatte in einem denkwürdigen Parteitreffen in Oberrodenbach die Mehrheit für seine Wiederwahl verfehlt. Nach diesem Eklat übernahm Katja Leikert das Ruder.
Frau Leikert, gab es einen bestimmten Anlass oder einen Zeitpunkt, an dem Sie für sich entschieden haben, den CDU-Kreisvorsitz wieder abzugeben?
Ich habe den Posten 2018 gern übernommen, allerdings ist eine Ämterhäufung für mich keine Perspektive. Glücklicherweise verfügen wir über viele Talente in der Partei. Ich denke, man sollte in seine Hauptaufgabe die entsprechenden Zeitressourcen hineinpacken. In meinem Fall ist dies das Abgeordnetenmandat.
Wenn sich nach vier Jahren ein Wechsel im Vorsitz vollzieht und das jemand wie der Kandidat Max Schad wäre, der sich kommunalpolitisch stark engagiert und Abgeordneter sowohl im Kreistag als auch im Landtag ist, dann ist das eine sehr gute Perspektive, mit der ich sehr zufrieden wäre. Aber zu entscheiden hat das der Kreisparteitag.
Main-Kinzig-Kreis: Katja Leikert verabschiedet sich als CDU-Chefin
Der Ausgang der Bundestagswahl im vorigen Herbst hat also nichts mit Ihrem Verzicht auf eine erneute Kandidatur auf Kreisebene zu tun?
Nein, überhaupt nicht. Ich denke da gar nicht so. In der Politik kann man ohnehin nichts festhalten. Eine Bundestagswahl ist außerdem stark vom jeweiligen Bundestrend abhängig. Außerdem bleibe ich dem CDU-Kreisverband eng verbunden, denn als Bundestagsabgeordnete bin ich ja kooptiertes Vorstandsmitglied. Ich habe nicht vor, mich da komplett rauszuziehen. Ganz im Gegenteil, denn zum einen ist der Bezug zur Basis wichtig, zum anderen sehe ich mich nach wie vor als Teil der Basis. Ich mache da keine Unterschiede wie vielleicht manch andere.
Nach den knapp 82 Prozent Zustimmung bei der Wahl zur CDU-Kreisvorsitzenden 2018 rutschten Sie bei Ihrer Wiederwahl 2020 knapp unter die 60-Prozent-Marke. Ein Gegenkandidat aus Gelnhausen brachte sich in Stellung, trat dann aber doch nicht an. War das für Sie nicht das Signal: Es ist meine letzte Amtszeit?
Ich denke, man muss immer wissen, wann ein guter Zeitpunkt ist. Das Ergebnis hing damals auch mit der Bundesvorsitzenden-Wahl zusammen, die die Partei sehr stark gespalten hat. Da entstehen dann auch Gräben zwischen den Befürwortern von Person A und denen von Person B, also in diesem Fall Laschet und Merz. Es ist dann auch ganz gut, eine Positionierung nicht zu überdehnen.
Das meine ich ganz demütig. Ich hoffe, der Kreispartei gut gedient zu haben, auch als es nach dieser Auseinandersetzung um den Parteivorsitz wieder um das Zusammenführen ging. Das ist allerdings nicht nur die Aufgabe der Vorsitzenden und des Kreisvorstands, sondern jedes einzelnen Parteimitglieds. Nach dieser Entscheidung muss man wieder nach vorne schauen können und gemeinsam weitergehen.
Meinen Sie, das ist Ihnen und der Kreis-CDU gelungen?
Ich meine ja, aber ich mache mir auch keine Illusionen. Es gibt immer Auseinandersetzungen um Nominierungen, um Positionen und Personen, das muss man aber aushalten können. Die Rekrutierung von politischem Personal ist eine genuine Aufgabe von Partei. Und wenn es keine Doppelspitze gibt, kann es eben nur einen oder eine geben.
Sie waren einst für Armin Laschet als Parteichef und Kanzlerkandidat, inzwischen führt Friedrich Merz die CDU und auch die Bundestagsfraktion. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
In Berlin ist derzeit alles vom Ukraine-Krieg überlagert. Da ich neben dem Familienausschuss auch im Auswärtigen Ausschuss Mitglied bin, habe ich häufiger mit Friedrich Merz zu tun. Da gibt es natürlich auch innerparteilich unterschiedliche Positionierungen.
Ich gehöre da zum harten Ende der Sicherheitspolitiker, die klar für ein Ölembargo gegen Russland plädieren. Ich war auch schon frühzeitig für die militärische Unterstützung der Ukraine. Von daher finde ich es gut, dass unser Parteivorsitzender dies genauso sieht. Da haben wir keinerlei Differenzen.
Was meinen Sie zu seinem Besuch in Kiew?
Der ist genau richtig und notwendig, weil die Bundesregierung hier einfach viel zu zögerlich ist. Das hat gar nicht mal so viel mit Parteipolitik zu tun, denn es gibt sowohl in der FDP als auch bei den Grünen und eben auch in der Union Leute, die eine schärfere sicherheitspolitische Argumentation verfolgen. Andere führen wiederum mehr die wirtschaftspolitischen Folgen ins Feld. Ich zähle mich zu denen, die eine schärfere Sicherheitspolitik für richtig halten.

Nicht nur die Parteiarbeit der Kreis-CDU hat unter den zwei Corona-Pandemiejahren gelitten. Wenn Sie aber auf die vergangenen vier Jahre zurückblicken: Worauf sind Sie stolz, was hätte besser laufen können?
Der Kreisverband mit seinen 28 Stadt- und Gemeindeverbänden ist stabil bei etwa 2000 Mitgliedern und ist damit innerhalb der Hessen-CDU einer der mitgliederstärksten. Weil der Main-Kinzig-Kreis der geografisch größte Landkreis in Hessen ist, war mir es wichtig, dessen Teile näher zusammenzuführen.
Deshalb habe ich die Kreiskonferenzen eingerichtet, um einen beständigen politischen Austausch im Kreisverband zu gewährleisten. Diese fanden im Schnitt dreimal pro Jahr statt und sind bei den Parteimitgliedern gut angekommen. Denn neben den Hauptamtlichen kamen meist etwa 60 bis 70 Menschen, die mit den Amts- und Mandatsträgern der CDU Politik diskutieren wollten.
Daraus hat sich eine tolle Dynamik entwickelt. Zwar mussten die Treffen zuletzt online stattfinden, was natürlich dem Konzept der Konferenzen, die auf die persönliche Begegnung ausgelegt sind, zuwiderlief. Ich würde mich aber freuen, wenn die Kreiskonferenzen auch künftig stattfänden. Wir haben zum Beispiel in diesem Rahmen das Gerüst für unser Programm für den Kommunalwahlkampf 2021 erstellt.
Da Sie nun den CDU-Kreisvorsitz abgeben, verlieren Sie zumindest formal Ihre „Hausmacht“ in der Bundestagsfraktion. Fürchten Sie unerfreuliche Folgen?
Ich habe in der Fraktion ganz viele Kolleginnen und Kollegen, die nicht gleichzeitig Kreisvorsitzende sind. Es gibt ebenso solche, die einen solchen Posten noch nie hatten und trotzdem schon mehrmals wieder aufgestellt und gewählt worden sind. Ich glaube, daran macht sich das nicht fest.
Wie schon gesagt, finde ich die Anhäufung von Ämtern eher problematisch. Macht muss innerhalb eines Systems auch teilbar sein. Das ist vielleicht ein eher femininer Blick auf Politik, ich denke aber, durch eine geteilte Macht ist man in der Summe stärker. Ich habe mir aber selbstverständlich auch darüber Gedanken gemacht.
Katja Leikert setzte Votum der Mehrheit im Kreisverband nicht um - „das war ein Fehler“
Ist eine Aufteilung aus ganz persönlicher Sicht aber nicht auch riskant?
In der Politik ist nie etwas ohne Risiko. Jede Entscheidung ist risikobehaftet. Bei der Bundestagswahl 2021 haben wir leider das Direktmandat im Wahlkreis 175 (zu dem auch der Altkreis Schlüchtern gehört, Anm.d.Red.) verloren, was ich nach wie vor sehr bedauere. Johannes Wiegelmann wäre ein hervorragender Bundestagsabgeordneter gewesen. Aber es lässt sich eben nicht alles bestimmen, trotz bestem Kandidaten und sehr gutem Wahlkampf.
Was bedauern Sie im Rückblick auf Ihre Arbeit als Chefin der Kreispartei?
Es war sicherlich ein Fehler, dass ich damals als Delegierte beim Bundesparteitag, als es um die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer ging, das Votum der Mehrheit in meinem Kreisverband für Friedrich Merz nicht umgesetzt, sondern Armin Laschet gewählt habe. Das habe ich dann erst bei der zweiten Wahl getan.
Das haben Ihnen die CDU-Mitglieder im Kinzigtal sehr übelgenommen und Sie auch spüren lassen ...
Ja, das kann man schon so sagen. Der Anteil der Befürworter von Friedrich Merz war eben sehr groß.
Video: Nach Treffen mit Selenskyj - Merz rät Scholz zu Ukraine-Reise
Worauf sind Sie besonders stolz?
Mir war und ist es wichtig, dass Frauen und die Jüngeren in der Partei eine Stimme und eine Rolle bekommen. Zum Beispiel haben wir die Nominierungslisten für Landes- und Bezirksparteitage möglichst geschlechterparitätisch besetzt. Auch die Liste für die Kreistagswahl im Vorjahr habe ich in Absprache mit dem Kreisvorstand so gestaltet, dass die ersten zehn Plätze paritätisch besetzt waren und danach zumindest jeder dritte Platz mit einer Frau besetzt worden ist. Die Liste war dadurch so bunt gemischt wie noch nie zuvor. Das betrachte ich ein Stück weit als mein „Erbe“in der Kreis-CDU.
Und was ist mit Rathauschefs der CDU?
Neben dem Verbleib in der Koalition im Kreistag bin ich stolz darauf, dass es in Bad Orb nun wieder einen Bürgermeister und in Großkrotzenburg eine Bürgermeisterin gibt, die Christdemokraten sind. Das bewirkt natürlich nicht die Kreisvorsitzende oder der Vorstand allein, sondern ist ein Verdienst von starken und gut koordinierten CDU-Verbänden vor Ort. In der gemeinsamen Arbeit und mit Unterstützung des Kreisverbands ist uns seit 2018 vieles gelungen. Es bleibt aber unser Anspruch, künftig in weiteren Rathäusern wieder CDU-Bürgermeister zu haben.