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Nur wenige Minuten Zeitverlust: Ingenieur Dirk Handwerk macht Vorschlag zu Bahntrasse über Unterfranken

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Von: Walter Kreuzer

Dirk Handwerk (rechts) und Jörg Treffler wollen keine neue Bahntrasse durchs Kinzigtal.
Dirk Handwerk (rechts) und Jörg Treffler wollen keine neue Bahntrasse durchs Kinzigtal. © Walter Kreuzer

Wie wäre es, wenn die Deutsche Bahn die neue Trasse zwischen Frankfurt und Fulda nicht durch das Kinzigtal, sondern über Unterfranken führen würde? Der Steinauer Dirk Handwerk hat einen entsprechenden Vorschlag ausgearbeitet. Unterstützt wird er von der BGM, für die er für die Stadtverordnetenversammlung kandidiert.

Steinau - Auf den ersten Blick scheint die Idee dem Wahlkampf vor der Kommunalwahl in Hessen geschuldet. Das stimmt nur zum Teil: Der Diplom-Ingenieur für Landschaftsarchitektur, Landschaftsplan und Städtebau hat seine Gedanken schon im Januar 2019 verfasst und im September 2020 als Stellungnahme zum Raumordnungsverfahren beim Regierungspräsidium (RP) Darmstadt eingereicht. Die Kommunalwahlen spielen aber insofern eine Rolle, als dass Handwerk für die Liste der Bürger gestalten mit (BGM) für das Stadtparlament kandidiert - und von dieser in seinem Anliegen unterstützt wird.

Was schlägt Dirk Handwerk vor? Statt eine neue, ab Gelnhausen 59 Kilometer lange Trasse mit 42 Kilometern Dämmen, Brücken und Tunnel durchs Kinzigtal zu bauen, sollte nach Süden ausgewichen werden. So könnten die Schnellbahnstrecken FuldaWürzburg und HanauAschaffenburgWürzburg im Bereich von Rieneck in Unterfranken miteinander verbunden werden. Hierfür seien „zwei 13 und 9 Kilometer lange Tunnel“ nötig.

Main-Kinzig-Kreis: Dirk Handwerk macht Vorschlag zu Bahntrasse außerhalb des Kinzigtals

Das bedeute zwar einen Umweg von 40 Kilometern, allerdings könnten die „ICE zwischen Fulda und Würzburg bis zu 280 sowie zwischen Würzburg und Hanau bis zu 180 Stundenkilometer fahren – bei der Variante IV durch das Kinzigtal wären nur maximal 150 Sachen möglich“. Daher, so Handwerk, „sind die ICE nur sechs bis sieben Minuten länger unterwegs - einschließlich eines dreiminütigen Aufenthalts in Aschaffenburg“.

Sein Vorschlag, so ist er überzeugt, verursache mit 1,1 Milliarden Euro nur etwa ein Fünftel der Kosten im Vergleich zu den von der Bahn in die engere Wahl gezogenen Trassen und habe mit fünf Jahren eine um zwei Drittel geringere Bauzeit.

Dirk Handwerk: Wir wollen, dass die Schönheit unseres Naturraums erhalten bleibt

Jörg Treffler, der ebenfalls für die Stadtverordnetenversammlung kandidiert, fasst das Ziel der BGM so zusammen: „Uns geht es darum, die Bürger zu entlasten. Wir wollen Baulärm, Transport von Erdaushub und Straßenschäden vermeiden.“ Und Erster Stadtrat Arnold Lifka betont: „Das Kinzigtal ist von Wächtersbach an zu eng für eine weitere Trasse.“

Deshalb, so Handwerk, „wechselt die vorgeschlagene Trasse in einem wahnsinnigen Zerstörungsmodus wie eine Schlange mehrfach über das Tal. Wir wollen, dass die Schönheit unseres Naturraums erhalten bleibt. Wir haben die Kapazitätsgrenze für Infrastrukturmaßnahmen dieser Größe überschritten.“

Einschätzung von Pro Bahn & Bus: „Dieser Vorschlag ist unrealistisch“

Seit Sommer 2014 läuft ein öffentliches Dialogverfahren zur Trassenfindung für die von der Deutschen Bahn geplanten neuen Gleise zwischen Hanau und Frankfurt. Christian Behrendt nimmt daran als Experte des Vereins Pro Bahn & Bus teil. Auf Landesebene ist er bei diesem für Großprojekte zuständig – und seit einem Vierteljahrhundert in dem Bereich ehrenamtlich tätig.

Wir haben Behrendt die Grundzüge des Vorschlags einer Trassenführung durch Unterfranken vorgelegt und um eine Einschätzung gebeten. Sein Fazit: „Der Vorschlag ist unrealistisch. Das ist eigentlich die Mottgers-Spange, nur nach Süden verschoben.“ Diese wurde als eine von etwa einem Dutzend Varianten im Rahmen des Verfahrens untersucht, wird aber von der Bahn nicht weiter verfolgt.“

Zu den wesentlichen Zielen, die durch die neue Trasse erreicht werden sollen, gehören eine Zeitersparnis sowie die Verlagerung des Güterzugverkehrs zumindest in den Nachtstunden auf die neue Strecke - so sollen die Anwohner der Kinzigtalbahn etwa in Salmünster oder Steinau entlastet werden.

Beide Ziele, so Behrendt, seien mit dem Handwerk-Vorschlag nicht zu erreichen: „Würde man über den Süden fahren, käme fast die Hälfte der jetzt vorgesehenen Fahrstrecke obendrauf. Dadurch geht die Fahrzeit heftig in den Keller, die Mehrzeit liegt im Bereich 15 Minuten. Ein Güterzug fährt langsam und bräuchte 30 Minuten länger. Die Folge wäre, dass die Güterzüge weiter durch das Kinzigtal fahren würden.“ Auch die Kostenrechnung sei „irrational. Das als Billiglösung gegenüber den jetzt geschätzten gut drei Milliarden Euro vorzuschlagen, die das Gleiche leisten soll wie im Kinzigtal, ist unrealistisch. Herr Handwerk kann seinen Vorschlag gern im Internet veröffentlichen. Dann kann man darüber diskutieren“.

Aktuell im Raumordnungsverfahren befinden sich noch die Vorzugsvariante IV der Bahn - betroffen wären insbesondere die Innenstadt sowie Bellings und Seidenroth - sowie die Variante VII - bei dieser wären eher Ulmbach, Sarrod, Marborn und Uerzell stark betroffen.

„Zusammen mit Bad Soden-Salmünster und Schlüchtern haben wir uns gegen beide Trassen ausgesprochen. Sie engen uns beide ein. Bei dem Vorschlag von Dirk Handwerk wäre niemand in Steinau betroffen“, betont Arnold Lifka. (Lesen Sie hier: Neubaustrecke Fulda-Frankfurt: Viel Kritik kommt aus Kalbach und dem Kinzigtal an Plänen der Deutschen Bahn)

Arnold Lifka: Die Bewohner des Baugebiets Sachsen hätten die Niederzeller Brücke vor der Haustür

Als Beispiel führen die drei Kommunalpolitiker die Brücke an, die bei Niederzell über das Tal führen soll: 36 Meter hoch und 600 Meter lang soll diese laut Handwerk werden. „Ich nehme das Thema gern auf und werde es mit den Nachbarbürgermeistern besprechen. Die Bewohner des Baugebiets Sachsen hätten die Niederzeller Brücke vor der Haustür“, nennt der Erste Stadtrat ein Beispiel. Auch andere ausgewiesene oder potenzielle Baugebiete seien von den aktuellen Plänen betroffen.

„Wir als BGM stehen hinter dem Vorschlag, den Dirk Handwerk eingereicht hat. Diesen wollen wir weiter verfolgen. Man muss irgendwann auch mal handeln - nicht nur gegen etwas sein“, hebt Treffler hervor. Er verweist insbesondere auch auf die Belastungen durch die auf 10 bis 15 Jahre geschätzte Bauzeit: „Der Weg zur fertigen Trasse macht mehr Probleme als wenn die Bahn fertig ist.“

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