Seitdem ist die Ortsfunkanlage durchgängig in Betrieb. Der Verstärker wurde vor zehn Jahren durch ein neueres Modell ersetzt, weil für das alte Gerät keine Ersatzröhren mehr zu beschaffen waren. Früher war die Anlage in der alten Schule untergebracht, heute steht sie im Gerätehaus – in einer unscheinbaren Ecke des Treppenhauses.
Für die Durchsagen waren stets die jeweiligen Ortsvorsteher oder – vor der Gebietsreform – die Bürgermeister zuständig. So ging die Aufgabe des Dorffunk-Sprechers in den 1990er Jahren an Günter Walther über. 2016 gab er das Amt an Sohn Stefan weiter. „Er meinte aber, dass ich die Anlage weiter betreiben darf“, freut sich der 75-Jährige, der auch eine eigene Internetseite über Jossa sowie einen Youtube-Kanal betreibt. „Wenn ich keine Zeit habe, muss er das aber ab und zu übernehmen.“
Vor Corona gab es pro Jahr rund 80 Durchsagen, die Anzahl ist wegen des Veranstaltungsmangels aber stark gesunken. „Die Vereine haben mittlerweile eigene Webseiten und hängen Plakate auf, um für ihre Veranstaltungen zu werben. Aber trotzdem kommen immer wieder Durchsagen an“, weiß Walther, der die Texte per E-Mail oder telefonisch erhält.
„Meine Enkelin Laura hat mir per WhatsApp Notizen zu einem Fußballspiel geschickt, das ich ausrufen soll.“ Bevor er das Spiel am folgenden Tag bewirbt, legt er jedoch erst einmal, wie vor jeder Durchsage, eine CD ein. Seine Wahl fällt auf das Lied „Ein bisschen Frieden“ von Nicole, „passend zur aktuellen Zeit“. Anschließend kündigt er per Mikrofon das Fußballspiel an und gibt bekannt, dass es auch Gegrilltes und Getränke gibt.
Die Ansagen samt musikalischer Einleitung sind über insgesamt 32 Lautsprecher im ganzen Dorf zu hören. „Jede Straße ist erschlossen“, weiß Walther, dessen Ehefrau ihn oft begleitet und kontrolliert, ob seine Durchsagen auch draußen zu hören sind.
Welche Orte bis heute Dorffunkanlagen betreiben, ist laut Günter Walther nicht leicht herauszufinden. Eine Auflistung ist unter dem Eintrag „Ortsrufanlage“ der Internet-Enzyklopädie Wikipedia zu finden. Dort fehlt allerdings Jossa. „Ich habe aber beantragt, dass wir in die Liste aufgenommen werden“, betont Walther.
Folgende Orte in Hessen betreiben noch eine solche Anlage:
- Ober-Moos (Vogelsbergkreis)
- Leisenwald, Stadtteil von Wächtersbach (Main-Kinzig-Kreis)
- Mehrere Ortsteile der Gemeinde Dautphetal (Landkreis Marburg-Biedenkopf)
- Wehrheim-Pfaffenwiesbach (Hochtaunuskreis)
- Laisa, Stadtteil von Battenberg (Eder) (Landkreis Waldeck-Frankenberg)
- Mühltal-Waschenbach (Landkreis Darmstadt-Dieburg)
- Schönbach, Stadtteil von Herborn (Lahn-Dill-Kreis). (Quelle: Wikipedia)
Die Omnipräsenz der Anlage war vor allem während der Corona-Lockdowns ein großer Vorteil. „Da haben wir den Gottesdienst zu Weihnachten und Ostern per Dorffunk übertragen“, erinnert sich Walther. Und auch die Sperrung der Ortsdurchfahrt im vergangenen Jahr gab Walther per Ortsfunk bekannt – früher als andere Medien. „Da haben sich die Leute dann halt schon 14 Tage vorher geärgert“, so der Dorffunker augenzwinkernd.
Um den Wert der Anlage weiß auch die Gemeinde Sinntal, die für deren Instandhaltung jährlich einen bestimmten Betrag im Haushalt einstellt. „Manchmal wurden Stimmen laut, dass man die Anlage doch nicht mehr braucht“, berichtet Walther. „Die Stimmen verstummten aber, als wir wegen des Dorffunks zweimal im Radio und einmal im Fernsehen waren“, erinnert sich der ehemalige Ortsvorsteher etwa an einen Besuch des Privatsenders Sat.1 im Jahr 1997.
„Es kann schon sein, dass die Anlage irgendwann eingestellt wird“, vermutet Walther, fügt aber hinzu: „Warten wir mal ab, wie sich das hier in Jossa entwickelt. An mir soll’s nicht liegen, solange ich noch gesund bin. Und vielleicht gibt es ja dann einen Nachfolger.“