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Falscher Notarzt fliegt nach zahlreichen Einsätzen in der Region auf - 31-Jähriger in Haft

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Von: Sophie Brosch, Sophia Auth

Die Leiche des Fünfjährigen, der in Gießen aus dem Fenster stürzte, soll in den kommenden Tagen obduziert werden. (Symbolfoto)
Der Mann hatte sich über eine Onlineplattform bundesweit als Notarzt angeboten, um auszuhelfen, wenn es in einer Region personell zu akuten Engpässen kommt. (Symbolfoto) © Patrick Seeger/dpa

Ein Mann war im Sommer in den Landkreisen Main-Kinzig und Vogelsberg unterwegs, um Menschen zu helfen. Als Notarzt. Wie sich nun herausstellte, hatte er dazu keine Befugnis. Der 31-Jährige befindet sich wegen Betruges in Haft.

+++ 15.12 Uhr: Die Staatsanwaltschaft in Hanau teilt auf Anfrage unserer Zeitung neue Details zu den Ermittlungen gegen den „falschen Notarzt“ im Main-Kinzig-Kreis mit. Gegen den 31-Jährigen aus Baden-Württemberg werde ebenso wie im Vogelsbergkreis aktuell wegen Betruges, Urkundenfälschung, des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen und der gefährlichen Körperverletzung ermittelt.

Im Main-Kinzig-Kreis habe der Mann mindestens 70 Einsätze begleitet. Weiterhin wird mitgeteilt, dass sich der Beschuldigte derzeit auf Grund eines Urteils des Landgerichts Stuttgart wegen Betruges in Strafhaft befindet.

Update vom 20. Oktober, 11.06 Uhr: Die Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt seit Mitte August gegen einen 31 Jahre alten Mann aus Baden-Württemberg, wie Oberstaatsanwalt und Pressesprecher Thomas Hauburger auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt. Auffällig sei der Mann in Zusammenhang mit einem Betrugsdelikt bei einem Autohändler geworden.

Vogelsberg: Falscher Notarzt (31) wegen Betruges inhaftiert

Gegenstand des Verfahrens sind laut Staatsanwaltschaft Gießen die Vorwürfe des Missbrauchs von Berufsbezeichnungen, des Betruges, Körperverletzung sowie der Urkundenfälschung.

Konkret soll der Beschuldigte sich zu Unrecht als Notarzt ausgegeben haben und als solcher auch im Rettungsdienst im Juli/August bei mehr als 20 Einsätzen im Vogelsbergkreis tätig gewesen sein.

Ob es hierbei auch zu etwaigen Fehlbehandlungen von Patienten gekommen ist, sei ebenfalls Gegenstand der aktuellen Ermittlungen. Ebenso prüfe die Staatsanwaltschaft, ob und inwieweit der Beschuldigte noch in anderen Landkreisen eingesetzt war.

„Ende August wurde bereits eine Durchsuchung bei dem Beschuldigten durchgeführt, die zum Auffinden diverser Beweismittel geführt hat“, berichtet Thomas Hauburger. Man habe den 31-Jährigen anschließend festgenommen und in eine Justizvollzugsanstalt gebracht.

Die umfangreichen Ermittlungen – insbesondere Zeugenbefragungen und die Auswertung von diversen Krankenunterlagen - dauerten demnach an und würden noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Osthessen: Falscher Notarzt in Main-Kinzig-Kreis und Vogelsberg unterwegs

Erstmeldung vom 11. Oktober, 18.04 Uhr: „Der Mann fuhr im Sommer in einem Zeitraum von vier Wochen 27 Einsätze im Vogelsbergkreis“, berichtet die Pressesprecherin des Vogelsbergkreises, Sabine Galle-Schäfer. Wie oft der Mann im Main-Kinzig-Kreis unterwegs war, konnte laut dem Sprecher des Main-Kinzig-Kreises, Frank Walzer, noch nicht abschließend geklärt werden. Die Zahl bewege sich aber im zweistelligen Bereich. Doch wie konnte es dazu kommen?

Laut Frank Walzer war es dem Mann gelungen, sich über eine im Rettungsdienstbereich oft frequentierte Onlineplattform bundesweit als Notarzt anzubieten, um auszuhelfen, wenn es in einer Region personell zu akuten Engpässen kommt. Auf sie werde nur dann als letztes, aber notwendiges Mittel zurückgegriffen, wenn alle anderen Optionen weggefallen sind. Denn zuerst würden hiesige Kolleginnen und Kollegen angesprochen, die im selben Gebiet oder zumindest für den gleichen Leistungserbringer tätig sind. Für den Fall, dass auch dies nicht ausreicht, bietet die Notarzt-Börse ihre Dienste an. Über diese Plattform wurde laut Frank Walzer der offenkundig falsche Notarzt in diesem Jahr in den beiden genannten Landkreisen eingesetzt.

Laut Sabine Galle-Schäfer garantiert die Notarzt-Börse, dass nur Notärzte vermittelt werden, deren Unterlagen dort geprüft wurden. Darauf dürfe sich ein Leistungserbringer verlassen. Zugleich ist der Leistungserbringer verpflichtet, diese Unterlagen prüffähig vorzuhalten. (Lesen Sie auch: Explodierende Kosten: Ambulante Ärzte in Fulda demonstrieren am Mittwoch)

Video: Fake-Arzt impft Hunderte gegen Corona

Daher habe der Leistungserbringer die Unterlagen des Mannes von der Notarzt-Börse angefordert. Dabei fiel dort auf, dass die Papiere des Beschuldigten immer noch nicht vorlagen. Ein Anruf bei der ausstellenden Landesärztekammer habe ergeben, dass Unterlagen auf diesen Namen nicht existierten. Dies wurde dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) mitgeteilt. Das DRK habe daraufhin die Polizei eingeschaltet und Anzeige erstattet. Die Online-Plattform Notarzt-Börse erstattete laut Galle-Schäfer ebenfalls Anzeige. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

„Wir haben die Angelegenheit unserem Haftpflichtversicherer gemeldet. Er sieht nicht uns in der Verantwortung, sondern die Notarztbörse“, betont Galle-Schäfer. Nach Bekanntwerden des mutmaßlichen Betrugs wurde der Mann aus dem Dienst entfernt. Genauere Angaben über Person und vorgeworfene Delikte wollten die Kreisverwaltungen nicht machen.

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