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Nach Ausrottung in den Fünfzigern: Fischotter fühlt sich im Sinntal wieder wohl

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Von: Marah Naumann

Fischotter
Dieses Foto des sonst recht scheuen Fischotters entstand im Juni 2016 in Sinntal. Das Tier fühlt sich offenbar rund um die Sinn wohl und wird dort auch von Fischern geduldet. © Günter Hoff-Schramm

Seit einigen Jahren fühlt sich der Biber in der Region wieder wohl. Doch er ist nicht das einzige Säugetier, das gern an und in heimischen Gewässern lebt: Auch der Fischotter weiß die Idylle rund um Sinntal zu schätzen.

Sinntal - „Fischotter gab es bis etwa 1950 in Sinntal, dann wurden sie ausgerottet“, berichtet Klaus Schlegelmilch, der bis zu seiner Pensionierung als Naturschutzförster beim Forstamt Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) tätig war. 1950 soll das letzte Tier an der Müsbrücke erlegt worden sein. „Vermutlich war der Fischotter hier aber nie ganz verschwunden. Man hatte nie richtig danach geschaut“, berichtet Schlegelmilch.

2007 startete das Forstamt Schlüchtern ein Fischotterprojekt, um das vermeintlich verschwundene Tier in der Region wieder anzusiedeln. Unterstützung erhielt das Forstamt dabei von der Universität Göttingen, die Fließgewässer von Sinntal ausgehend bis nach Fulda im Norden und Gemünden am Main im Süden auf Fischottertauglichkeit untersuchte.

Main-Kinzig-Kreis: Fischotter fühlt sich im Sinntal wieder wohl

Zwei Studenten erstellten ein sogenanntes Brückenkataster. Dabei wurde festgehalten, inwieweit seitliche Randbefestigungen, sogenannte Bermen, unter den Brücken vorzufinden sind. Denn: „Vermutlich schwimmt ein Fischotter nicht unter Brücken hindurch, sondern läuft trockenen Fußes an den seitlichen Uferstreifen unter der Brücke durch“, berichtet Klaus Schlegelmilch. Gebe es diese Möglichkeit nicht, steige das Tier aus dem Wasser und überquere die Brücke, meist dann über Straßen oder Feldwege.

„Die häufigste Todesursache für den Fischotter ist der Straßenverkehr“, bedauert Schlegelmilch die Konsequenz fehlender Bermen. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, liegt das erstellte Brückenkataster Hessen Mobil vor. Bei Brückenbauarbeiten oder -neubauten werden dann entsprechende Vorgehensweisen umgesetzt.

Klaus Schlegelmilch
Klaus Schlegelmilch weiß, wo in Sinntal die Fischotter regelmäßig vorbeikommen. © Marah Naumann

Dass sich die Fischotter tatsächlich gern unter Brücken aufhalten, beweist eines der ersten Fotos, die seit dem Wiederauftauchen der Tiere in Sinntal mit einer Wildkamera gemacht wurden. Drei Fischotter, vermutlich ein Weibchen mit zwei Jungtieren, gehen da an der „Schmalen Sinn“ des Nachts spazieren.

2014 wurde das erste Tier seit dem vermutlichen Verschwinden an der Sinn gesichtet. Mittlerweile hat sich der Fischotter in Sinntal wieder etabliert. Zur DNA-Analyse wurden Kotproben am Senckenbergischen Forschungsinstitut in Gelnhausen untersucht. (Lesen Sie hier: Spontane Tierrettung der Polizei - Goldfasan verirrt sich auf Schulhof)

Tagaktives Säugetier

„Der Fischotter ist, genau wie der Biber, entgegen der landläufigen Meinung ordentlich am Tag aktiv“, berichtet der pensionierte Naturschutzförster Klaus Schlegelmilch. Dennoch bekommt man das scheue Tier üblicherweise kaum zu sehen. Dass der Fischotter in Sinntal lebt, ist vor allem an Spuren und der Lösung abzulesen, die er am liebsten unter Brücken hinterlässt. Deutliches Erkennungsmerkmal der Hinterlassenschaften ist der fischige Geruch und die Reste von Fischen, wie etwa Schuppen.

Der Nahrungsbedarf desFischotters ist in etwa so hoch wie beim Kormoran – etwa 500 bis 800 Gramm pro Tag. Der Vogel ist jedoch nicht ganz so beliebt wie der Otter. „Der Unterschied besteht in der Häufigkeit des Vorkommens im Gewässer. Während der Fischotter mit wenigen Tieren auf eben einer Bachlänge um die zehn Kilometer vorkommt, treten Kormorane mit wenigen zehn bis gut über 30 Tieren auf. Diese fressen dann mal locker 15 Kilogramm Fisch am Tag, konzentriert auf kleiner Fläche“, erläutert Schlegelmilch. / mln

„Sicher nachweisen konnten wir damit das Vorkommen des Fischotters in der Sinn Richtung Gemünden und in der Jossa bis an den Oberlauf nach Pfaffenhausen, Lettgenbrunn und in fast allen Nebengewässern dieser beiden Fließgewässer. Weiterhin in den Gewässern nach Fulda“, freut sich Schlegelmilch.

„Ursprünglich war auch ein Projekt geplant, mehrere Fischotter auszusetzen“, erinnert sich Schlegelmilch. 1987 und 1988 waren so Biber angesiedelt worden, für die im Vorfeld sogar Flächen bepflanzt wurden. Das Vorhaben der Wiederansiedelung war aufgrund der gesichteten Fischotter aber obsolet.

Video: Zuhause im Wasser und an Land: Fischotter ist „Tier des Jahres“ 2021

Um den Lebensraum Sinn zu schützen, hat eine eigens gegründete Sinn-Arbeitsgemeinschaft Uferrandstreifen des Flusses gepachtet und einen Hege-Plan für das Gewässer erstellt. „Mittlerweile gibt es 15 verschiedene Fischarten in der Sinn“, freut sich Schlegelmilch. Davon profitiert auch der Fischotter, der seine tägliche Ration Fisch benötigt.

Möglichen Anfeindungen vonseiten der Angler und Fischer war der Fischotter in Sinntal übrigens nie ausgesetzt – im Gegenteil. „Alfred Schmidt hat damals als Fischer gesagt, dass der Fischotter hierher gehört“, erinnert sich Schlegelmilch an die Aussagen des engagierten und mittlerweile gestorbenen Fischers.

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