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„Stapelweise Krankmeldungen“: Hausärzte kämpfen mit ungewöhnlich hoher Patientenzahl

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Von: Hanns-Georg Szczepanek

Bei einem Verdacht auf eine Coronavirus-Infektion auf keinen Fall zum Arzt: die Ansteckungsgefahr für andere ist zu groß.
Patienten im Wartezimmer einer Arztpraxis. Dass die Plätze dort derzeit eher belegt statt frei sind, trifft auch auf Hausarztpraxen im Bergwinkel zu. Manche haben in den hessischen Herbstferien aber auch einfach nur geschlossen. (Symbolbild) © picture alliance / Sina Schuldt/dpa

Wenn Patienten dieser Tage ihren Haus- oder Kinderarzt telefonisch nicht erreichen, so hat dies auch andere Gründe: zum Beispiel ein volles Wartezimmer.

Region - Auch im Bergwinkel blieb am Mittwoch (26. Oktober) manche Arztpraxis geschlossen, weil sich deren Inhaber an einer bundesweiten Protestaktion gegen geplante Leistungskürzungen beteiligt haben. Denn auch im östlichen Main-Kinzig-Kreis oder im südlichen Vogelberg verzeichnen Hausärzte seit etwa vier Wochen einen deutlich größeren „Ansturm“ von Patienten als dies sonst im Frühherbst üblich ist – und dies ganz abgesehen von den ohnehin ungewöhnlichen zwei Corona-Jahren.

Main-Kinzig-Kreis: Hausärzte kämpfen mit ungewöhnlich hoher Patientenzahl

Der Sinntaler Internist Dr. Patricius Pilz, der die Patienten in seiner Praxis in Sterbfritz zusammen mit der Allgemeinmedizinerin Galina Lauer betreut, bestätigt quasi exemplarisch, dass die Häufigkeit von Anfragen per Telefon sowie Praxisbesuche von Frauen wie Männern aus fast jeder Altersgruppe deutlich zugenommen habe. Er schätzt dieses Plus auf etwa 35 Prozent gegenüber dem langjährigen Durchschnitt an Praxisbesuchen.

Dies hänge allerdings nicht in erster Linie mit Covid-19-Infektionen oder mit Patienten zusammen, die zumindest Corona-Symptome aufwiesen. Eine vergleichsweise große Zahl an Patientinnen und Patienten würden in diesem Herbst an im Grunde saisonüblichen Erkältungskrankheiten oder auch Magen-Darm-Infekten erkranken. (Lesen Sie hier: Krankenbetten zunehmend ausgelastet: Gesundheitssystem im Main-Kinzig-Kreis unter Druck)

Der Unterschied zu früheren Jahren sei, dass die Menschen „zum Teil richtig leiden“ und die Krankheitsverläufe deutlich länger dauerten als noch vor März 2020, dem Beginn der Pandemie. Zum Beispiel seien Patienten mit einem Magen-Darm-Infekt in der Regel nach drei, vier Tagen wieder fit. Derzeit würden sie allerdings nicht selten eine Woche daran herumlaborieren, so Patricius Pilz.

Ähnlich sehe es bei grippalen Infekten aus, die nicht mit der echten Virusgrippe (Influenza) zu verwechseln sind. Selbst bei solchen „normalen“ Infekten würden nicht wenige Patienten mitunter bis zu zwei Wochen außer Gefecht gesetzt. Krankmeldungen müsse er „zurzeit stapelweise ausstellen“, skizziert der Mediziner die Situation.

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Über die Gründe für dieses Phänomen kann Pilz nur spekulieren. Womöglich sei das Immunsystem mancher Menschen durch das Maskentragen und Abstandhalten seit 2020 träge geworden. Weil Menschen inzwischen wieder öfter zusammenkämen, müsse sich die Immunabwehr erst wieder „hochfahren“. Doch dies sei nur eine Vermutung.

Dr. Ingo Roth und Dr. Davud Faghih-Zahdeh von „Hausärzte MKK“ in Schlüchtern, Bad Soden und Langenselbold glauben eher nicht, dass es mehr Kranke gebe. Dafür aber „mehr Leute, die sich bei uns melden, weil sie mit Husten oder Schnupfen zu Hause bleiben wollen oder sollen“. Wenn es Corona nicht gäbe, würden viele davon wohl zur Arbeit gehen. Es sei aber nicht unwahrscheinlich, dass durch das Tragen von Masken die individuelle Widerstandsfähigkeit gegen Keime jeglicher Art nachlasse.

Kritisch sehen die beiden Ärzte die telefonische Krankmeldung, durch welche es „nie leichter war, einen Freifahrtschein zu bekommen“. Dies werde noch ganz andere Ausmaße annehmen, sobald flächendeckend digitale Krankmeldungen und Rezeptverschreibungen Standard geworden seien.

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