In ihrer Erklärung schildert die Mutter, wie sehr ihr die Vorwürfe zusetzen. Man habe sie als „eiskalt“ beschrieben, als Frau, die eine Mörderin decke, sagt die Angeklagte. „All meine Selbstzweifel werden mir so ausgelegt, als hätte ich mein Kind nicht geliebt.“ Sie schließe völlig aus, dass sie ihren Sohn mit Gewalt in einen Sack gesteckt und diesen verschnürt habe. Sie sei sich auch immer sicher gewesen, dass die mutmaßliche Sekten-Anführerin die besten Absichten gehabt habe. Es sei ihr nie in den Sinn gekommen, dass diese ihrem Sohn Böses gewollt, schon gar nicht, dass sie ihm nach dem Leben getrachtet hätte.
Im Haus der heute 74-Jährigen, die neben zwei leiblichen auch mehrere Pflege- und Adoptivkinder hatte, seien die Kinder nach Streitigkeiten zwar gelegentlich eingeschlossen worden. Auch Ohrfeigen oder mal einen „Klaps auf den Po“ habe sie mitbekommen, sagte die Angeklagte, betont aber: „Brutalität habe ich nicht erlebt.“
Als Mutter sei sie „manchmal verzweifelt und überfordert“ gewesen, räumt die 60-Jährige ein - auch wenn ihr Sohn ein Wunschkind gewesen sei, das sie geliebt habe. Der Junge habe häufig „Wutanfälle“ gehabt, sei unruhig und fordernd gewesen, „aus heutiger Sicht würde man vielleicht sagen, er hatte frühkindliche autistische Züge“. Wenn man ihm zwei Autos gegeben habe, „wollte er drei“. Vielleicht sei er auch unglücklich gewesen. Heute würde sie sich wohl kinderpsychologischen Rat holen, so die Angeklagte.
Auch weil sie mit der Betreuung des Jungen bei zwei Tanten, die den Jungen sehr verwöhnt hätten, nicht zufrieden gewesen sei, sei ihr Sohn seit ihrer Promotion und später auch als sie arbeiten ging, immer wieder von der mutmaßlichen Sekten-Chefin betreut worden. Die Verwandten hätten den Jungen inkonsequent behandelt und „ständig hochgenommen“, sagte die Angeklagte.
Sie selbst sei damals davon überzeugt gewesen: „Ein kleines Kind braucht auch mal seine Ruhe“ und müsse auch mal für sich sein. „Ich wollte gewisse Regeln bei meinem Sohn eingehalten haben.“ Sie und ihr Mann hätten ein gutes Gefühl gehabt, den Jungen zu der mutmaßlichen Sekten-Chefin zu geben.
Die 74-jährige mutmaßliche Sekten-Chefin war vor rund einem Jahr wegen Mordes an dem Kind vom Landgericht Hanau zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Da sie gegen das Urteil in Revision gegangen ist, über die noch nicht entschieden wurde, ist es nicht rechtskräftig. Die Mutter war einen Tag nach dem Urteil in Leipzig festgenommen, seither sitzt sie in Untersuchungshaft.
Ermittler hatten den Tod des Jungen viele Jahre für einen Unfall gehalten, erst 2015 war der Fall nach Hinweisen von Sekten-Aussteigern wieder aufgerollt worden. (dpa)