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Prozess um Brandstiftung auf Reiterhof: Sprachnachricht der Angeklagten abgespielt

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Brand in einem Reiterhof
Die Angeklagte steht wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung vor Gericht. Im August 2022 brannte ein Reiterhof bei Gelnhausen-Haitz. © 5vision Media/dpa

Ein Aussiedlerhof bei Haitz steht am frühen Morgen des 15. Augusts 2022 in Flammen. Wenige Stunden später erhält eine Zahnärztin aus Frankfurt eine erschütternde Sprachnachricht. Diese und die Aussage des zuständigen Brandermittlers standen im Mittelpunkt des dritten Verhandlungstages im Kaltenborn-Prozess. 

Gelnhausen - Als der vorsitzende Richter Mirko Schule die Sprachnachricht abspielen lässt, breitet sich eine beklemmende Stille im Saal 115 A des Hanauer Landgerichts aus.

Main-Kinzig-Kreis: Kaltenborn-Prozess - dritter Verhandlungstag mit wichtiger Sprachnotiz

Die Nachricht stammt von der Angeklagten, einer früheren Bewohnerin des zerstörten Hofguts im Main-Kinzig-Kreis. Seit Februar muss sich die 56-Jährige wegen versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung verantworten. Bislang hat sie den Vorwurf weder eingeräumt, noch abgestritten – nur angegeben, sich kaum an Details aus der Brandnacht erinnern zu können. Grund: Der Konsum mehrerer Flaschen Wein allein an diesem Tag in Verbindung mit unterschiedlichen Tabletten, die sie wegen diverser körperlicher und seelischer Leiden konsumiert habe.

Die Nachricht, die sie am 15. August um 3.30 Uhr an eine frühere Reitschülerin geschickt hat, scheint das zu bestätigen: „Mir geht es einfach richtig schlecht, ich kann schon nicht mehr weinen“, sagt sie darin. Und: „Ich fühle, dass ich einen Cut machen muss, einen richtigen Cut.“

Mir geht es einfach richtig schlecht, ich kann schon nicht mehr weinen.

Teil der versandten Sprachnachricht

Die Empfängerin der Nachricht ist eine 51-jährige Pferdebesitzerin aus Frankfurt, deren gesamte Familie Reitunterricht bei der Angeklagten genommen hat. „Ich dachte, sie wollte ihre Arbeit aufgeben, ich dachte, sie wollte sich in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen. Dass sie sich umbringen wollte, konnte ich mir nicht vorstellen“, berichtet die Zeugin.

Tatsächlich ist die Aufnahme unweit der Grenze zu Luxembourg entstanden, während die Beschuldigte auf dem Weg in die Schweiz war, wo sie sich das Leben nehmen wollte, wie sie zu Beginn des Prozesses angegeben hatte. In der Schweiz wurde sie am 25. August festgenommen.

Dass die Reitlehrerin zuvor absichtlich ihre Wohnung in Brand gesetzt und so das Leben der weiteren Bewohner in Kauf genommen hat, kann sich die Zeugin nicht vorstellen. Von Konflikten der Angeklagten mit dem Vermieter, der in ihre offenbar unordentliche Wohnung gelangen wollte, um Brandmeldeanlagen zu installieren, habe sie erst aus der Zeitung erfahren.

Die Zeugin beschreibt die Beschuldigte als reflektierte und starke Person, die sich allerdings schnell angegriffen gefühlt habe. Zudem habe sie unter zunehmenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen gelitten, Schwindel, Kopfschmerzen, Depressionen. „Sie litt unter dem Leid der Pferde.“ Auch auf der Aufnahme spricht die Angeklagte das Thema an: „Es ist die grobe Menschheit, die so falsch und böse ist, auch zu den Tieren so böse.“

„Tiere waren ihr lieber“, meint die Zeugin auf die Frage, wie die Angeklagte zu Menschen stand. Ähnlich sieht das ein weiterer Zeuge, mit dessen Pferd die Beschuldigte arbeitete: „In ihrer Arbeit war sie kompetent und gründlich, eine Perfektionistin, wollte alles zu 110 Prozent richtig machen. Ihr Auto sah dagegen aus wie ein fahrender Müllhaufen.“ Von Problemen mit Alkohol oder Drogen wollen beide Zeugen nichts mitbekommen haben.

Ich dachte, sie wollte sich in eine psychiatrische Klinik einweisen lassen.

Die Empfängerin der Nachricht vor Gericht

Der zuständige Brandermittler, der als dritter Zeuge aussagt, berichtet dagegen von mehreren hundert Flaschen, die in der Wohnung der Angeklagten gefunden wurden: „Hauptsächlich Sektflaschen.“

Der Kriminalhauptkommissar hatte das zerstörte Hofgut am 24. August untersucht: „Die Schäden waren sehr groß. Und die aufwändigen Löscharbeiten haben erhebliche Veränderungen am Gebäude bewirkt.“ Am stärksten beschädigt war das Mittelhaus, in dem auch die Angeklagte lebte. In ihrer Wohnung waren die Küche und der Flur stärker beschädigt als das Wohnzimmer.

Dass defekte Küchengeräte für das Feuer verantwortlich waren, schließt der Ermittler aus: „Wir gehen davon aus, dass der Brand durch menschliches Handeln verursacht wurde.“ Dafür spreche zudem der Umstand, dass sich das Feuer nicht kontinuierlich ausgebreitet hat. Nach einem kurzen Aufflackern, das eine Überwachungskamera in der Wohnung der Beschuldigten oder in dem darüber befindlichen und komplett zerstörten Dachgeschoss aufgezeichnet hat, und dem großen Brand, verging fast eine Stunde. Anschließend habe sich das Feuer über das Dach auf das Haupthaus ausgeweitet.

Der Gutachter geht davon aus, dass das Feuer an mehreren Stellen in der Wohnung der Beschuldigten ausgebrochen ist. Nachweise für Brandbeschleuniger konnten die Ermittler hingegen nicht finden.

Allerdings: Zu Beginn des Prozesses gab die Beschuldigte an, mit einer Haarlackdose regelmäßig Hornissen getötet zu haben, und dass diese auf dem Herd stand und so den Brand ausgelöst haben könnte. Dies konnte der Brandermittler zumindest nicht ausschließen. Hinweise darauf seien jedoch nicht gefunden worden. Aber: Eine Dose, deren Inhalt aufgebraucht war, befand sich zwischen Herd und Kühlschrank.

Vieles ist zwar noch unklar, der Prozess neigt sich dennoch dem Ende zu: Am 18. April soll der psychiatrische Gutachter seinen Bericht vorstellen, am 21. April könnten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers halten. (re)

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