Hinzu kommt das „Bühnenbild“. Nachdem Margot Dernesch einmal Märchen in einem Raum erzählen sollte, dessen Wände mit Dartscheiben ausgestattet waren, habe sie neben Requisiten wie etwa den passenden Steiff-Tieren immer auch Tücher im Gepäck, die sie im Raum drapieren kann. „Ich liebe es, wenn ich die Menschen im Publikum noch sehen kann“, gesteht sie. Im Scheinwerferlicht ins schwarze Dunkel zu erzählen erfordere eine enorme innere Kraft. Habe sie aber die Chance zu nonverbaler Kommunikation, so könne sie in der Erzählung auf Mimik und Ausdruck der Zuhörer Bezug nehmen. Als sie etwa auf dem Kaliberg bei Neuhof unter freiem Himmel erzählte, änderte sie spontan das vorbereitete Programm, weil unerwartet viele Kinder gekommen waren.
Oftmals erzählt sie zu einem bestimmten Thema, und bei Gelegenheit bietet sie sogar Spontantheater als Möglichkeit des Umgangs mit einem Märchen an. „Ich finde es wunderschön, dass die Brüder Grimm hier zuhause waren“, so Dernesch. Auf dem Schoß ihrer Großmutter habe sie bereits den Grimm’schen Märchen gelauscht. Der Titel „Kinder- und Hausmärchen“ missfällt ihr allerdings, suggeriere er doch, Märchen seien nur etwas für Kinder. Sie sieht in ihnen ein Angebot, beim Erzählen Nähe, Geborgenheit, Zeit und persönliche Ansprache zu vermitteln. Als sehr schön habe sie es empfunden, dass der Main-Kinzig-Kreis während der Corona-Pandemie eine Online-Märchenzeit organisiert habe.
Heute ist Margot Dernesch 66 Jahre alt. Sie war in Steinau fünf Jahre lang als Stadträtin sowie als Stadtverordnete und SPD-Fraktionschefin kommunalpolitisch tätig. Außerdem ist sie Stadtführerin. Schon bald nachdem sie ihre Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik am Frankfurter Diakonissenhaus im Internat abgeschlossen hatte, übernahm sie die Leitung eines Kindergartens. Nach einem Kurzstudium arbeitete sie 19 Jahre lang an einer Förderschule in Schlüchtern.
Nicht selten seien die eigenen Kinder „Versuchsobjekte“ gewesen. Dann lagen sie in ihren Betten, und Margot Dernesch stand vor ihnen und erzählte. Einmal lachten ihre Kinder herzhaft: „Du schaukelst hin und her wie eine Schiffschaukel“, stellten sie fest. Um die nötige Ruhe zu finden und das Erzählen zu erlernen, habe sie sowohl unter der Dusche als auch am Bergweiher in der Natur mit dem Wasser und den Fröschen allein Märchen erzählt. Und heute sind selbst vollbesetzte Hallen kein Problem mehr für die Märchenerzählerin. (Von Barbara Kruse)