Plädoyers im Schießerei-Prozess: Staatsanwalt fordert Haftstrafen - „tricksen, täuschen, tarnen“

Nach sieben Monaten sind im Schießerei-Prozess von Bad Soden-Salmünster (Main-Kinzig-Kreis) vor dem Landgericht Hanau die Plädoyers gehalten worden. Die Vorstellungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung gingen weit auseinander.
Hanau/Bad Soden-Salmünster - Staatsanwalt Markus Jung fordert für den 28-jährigen Hauptangeklagten und mutmaßlichen Schützen aus Gelnhausen eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten. Der 25-jährige Linsengerichter soll für drei Jahre und drei Monate weggesperrt werden. Für den 31-Jährigen aus Gelnhausen hält er eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und zusätzlich 100 Sozialstunden für angemessen.
Nach rund zwei Dutzend Prozesstagen sah der Anklagevertreter die Anschuldigungen an das Trio als weitgehend erwiesen an. Das Tatgeschehen erstreckte sich über zwei Tage. Hintergrund ist eine Forderung in Höhe von 4000 Euro. Ein 26-Jähriger soll sich das Geld bei dem 25-Jährigen geliehen haben.
Main-Kinzig-Kreis: Plädoyers im Schießerei-Prozess - Staatsanwalt fordert Haftstrafen
Um die Schuld einzutreiben, plante das Trio eine „Abreibung“. Am 5. Juni 2020 holten sie den Mann aus Bad Soden-Salmünster im Main-Kinzig-Kreis unter einem Vorwand zu Hause ab und fuhren ihn in eine nahegelegene Hütte. Dort fesselten sie ihn mit Klebeband und Seil an einen Pfosten und schlugen ihn. Als die Drei zu einer Tankstelle fuhren, gelang dem 26-Jährigen die Flucht.
Und es gab noch eine Steigerung, so Jung. Trotz des Vorfalls verabredete sich der Kurstädter mit den Tätern für den Folgetag zu einem klärenden Gespräch in Salmünster. Als das Trio auftauchte, war der Mann mit „Verstärkung“ aus Bad Neustadt angerückt. Etwa zehn Personen fuhren in drei Autos vor.
Vor dieser unerwarteten Übermacht zogen sich die Angeklagten zunächst zurück. Bei einer zweiten Begegnung kurz danach in Bad Soden-Salmünster in der Dr.-Richard-Küch-Straße kam es zum „Showdown“ mit der Schießerei, als die drei mit ihrem Auto an der gegnerischen Gruppe vorbeifuhren.
Der mutmaßliche Haupttäter schoss dabei – auf dem linken hinteren Fensterrahmen mit Oberkörper außerhalb des Fahrzeugs sitzend – zweimal auf die anderen. Ein Schuss landete im Radkasten eines Neustädter Autos, der andere im Kühlergrill. Dabei wurde allerdings auch ein 22-Jähriger aus der fränkischen Gruppe mit einem Streifschuss an einem Finger verletzt.
Main-Kinzig-Kreis: Staatsanwalt spricht im Schießerei-Prozess von „tricksen, täuschen, tarnen“
Für den Staatsanwalt lag die Vermutung nahe, dass der Hintergrund der Geldschuld „keine legalen Geschäfte“ waren. Für den mutmaßlichen Schützen sowie den 25-jährigen Fahrer forderte er eine Verurteilung wegen Freiheitsberaubung, versuchter räuberischer Erpressung und versuchten Totschlags. Bei dem 31-Jährigen sah er eine geringere Schuld, zumal dieser bei der zweiten Tat mit Kokain, Ecstasy, Cannabis und Alkohol „zugedröhnt“ gewesen sei.
Insgesamt zog Jung ein nüchternes Fazit: Unter dem Motto „tricksen, täuschen, tarnen“ sei in dem Prozess von vielen Beteiligten so gelogen worden, „dass sich die Balken biegen“. Viele Zeugen hätten kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Justiz gehabt. Als der Hauptzeuge an einem Tag in dem Schießerei-Prozess aussagte, gab es Zweifel an den Aussagen.
Die drei Verteidiger sahen eine erhebliche Mitschuld beim Opfer und dessen Helfern. Die Neustädter seien gekommen, um sich zu prügeln und hätten das Trio in eine Falle gelockt, sagte beispielsweise die Verteidigerin des 31-Jährigen. Sie forderten eine Geld- oder maximal eine dreimonatige Bewährungsstrafe.
Es sei nur um Demütigung gegangen, keinesfalls um räuberische Erpressung, da bei dem 26-Jährigen ohnehin nichts zu holen war, argumentierte der Anwalt des Hauptangeklagten. Außerdem seien die Schüsse nicht mit Tötungsabsicht abgegeben worden. Er stellte keinen konkreten Strafantrag. Für den 25-Jährigen forderte sein Verteidiger eine Geld- oder maximal eine neunmonatige Bewährungsstrafe. (ls)