„Wandel der Erinnerungskultur“: Stolpersteine für Dreiturm-Gründerfamilie Wolf

Bei einem Festakt sind in Schlüchtern Stolpersteine für die Dreiturm-Gründerfamilie Wolf in der Fuldaer Straße eingesetzt worden. Enkel Max Wolf aus Paris hatte die Stadt darum gebeten, mit den Steinen am einstigen Wohn- und Firmensitz der Seifensiederei an seine Familie zu erinnern.
Schlüchtern - „Ich bin stolz auf Schlüchtern“, sagte eine Besucherin während der Zeremonie zur Verlegung der Stolpersteine in der Fuldaer Straße. Mittlerweile gebe es einen „Wandel der Erinnerungskultur“, meinte auch Kerstin Baier-Hildebrand. Dies ginge vom Heimat- und Geschichtsverein – dessen Vorsitzende sie ist – bis zu den städtischen Gremien. „Jetzt stehen alle dahinter, die Erinnerungen wachzuhalten.“
Main-Kinzig-Kreis: Stolpersteine für Dreiturm-Gründerfamilie Wolf
Zum Festakt mit musikalischer Umrahmung war auch Max Wolf mit seiner Frau Claire und einigen Familienmitgliedern angereist. Dazu hatte er eigene Gäste eingeladen, etwa Dr. Christine Wittrock, welche die Geschichte der Seifensiederei Wolf aufwendig für ein Buch recherchiert hatte.
Nach dem Empfang im Rathaus, den Gängen zur Synagoge, den Resten des jüdischen Friedhofs und der Villa Wolf, interessierte er sich auch für die nicht-jüdische Vergangenheit, etwa das Kloster sowie die aktuelle Stadtentwicklung. Vor dem Festakt besuchte er die Dreiturm-Werke in Steinau (Main-Kinzig-Kreis), die seinen Großeltern einst von den Nazis geraubt wurden. Sein Vater Gerhard Wolf führte nach der juristisch erkämpften Rückgabe der Fabrik lange Zeit die Geschäfte bis zum schrittweisen Verkauf in den Jahren 1979 bis 2009.

Sein Sohn Max, mittlerweile auch Gründer mehrerer Seifen-Firmen, kam wohl mit den Käufern nicht so gut klar. Dagegen versteht er sich gut mit dem neuen Eigentümer der Dreiturm-Werke, Lars Börgel, der das Unternehmen vor einigen Jahren erwarb und auch zur Gedenkfeier kam. Die beiden hatten sich schon mal in Schottland getroffen und über gemeinsame Projekte zur nachhaltigen Erzeugung ihrer Produkte nachgedacht. (Lesen Sie auch: Jüdische Familien aus Langenschwarz wanderten 1850 in die USA aus und machten Karriere)
In Schlüchtern: Stolpersteine für Seifenfabrik-Gründer
Es ist erstaunlich, wie Max Wolf – übrigens nicht zum ersten Mal – ohne Groll in die Heimat seiner Großeltern zurückkehrte. Im Gegenteil, er bedankte sich häufig für den freundlichen Empfang und das Setzen der Gedenksteine zur Erinnerung an seine Familie.
In seiner Rede vor etwa 100 Leuten erklärte er: „Meine Großeltern haben nie den Glauben an jene Werte und Ideale verloren, die in dieser Stadt gesät wurden. Diese Überzeugungen haben dazu beigetragen, unsere Verbindungen zu Schlüchtern wiederherzustellen und wieder aufzubauen.“ Seine Großeltern wären sehr zufrieden, so Wolf, „wenn sie die Schritte sehen würden, die Deutschland unternommen hat, um aus der Vergangenheit zu lernen“. (Von Hanswerner Kruse)