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Getötete Frau – aber kein Tötungsdelikt? Unschärfe in der Kriminalitätsstatistik

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Von: Tim Bachmann

In diesem Haus in der Niederzeller Akazienstraße ereignete sich im Sommer 2021 ein Tötungsdelikt. In der Polizeistatistik taucht der Fall nicht auf.
In diesem Haus in der Niederzeller Akazienstraße ereignete sich im Sommer 2021 ein Tötungsdelikt. In der Polizeistatistik taucht der Fall nicht auf. © Walter Kreuzer

Die Polizei spricht von „Straftaten gegen das Leben“, wenn sie von Mord, Totschlag oder auch dem Versuch spricht. In Schlüchtern gab es laut Polizeistatistik fünf solcher Fälle in den vergangenen vier Jahren, allerdings kein Fall im Jahr 2021. Trotzdem gab es im Vorjahr ein Tötungsdelikt.

Schlüchtern - Die meisten erinnern sich sicherlich: Anfang Juli entdecken Einsatzkräfte in einem Einfamilienhaus in Niederzell die Leiche der 70-jährigen Hausbewohnerin. Als möglichen Täter zog die Staatsanwaltschaft damals den 79-jährigen Ehemann, der am 21. Juni am Steinauer Bahnhof starb, in Betracht. Der Familienhund, der tagelang in einem am Bahnhof geparkten Renault Clio eingesperrt war, brachte die Polizei auf die entscheidende Spur.

Doch warum taucht der Fall, über den auch überregional berichtet wurde – und der inzwischen abgeschlossen ist – nicht in der aktuellen Statistik der Stadt Schlüchtern (Main-Kinzig-Kreis) auf?

Die Erklärung liefert Polizeipressesprecher Rudi Neu vom Polizeipräsidium Südosthessen auf Nachfrage unserer Zeitung: „Statistisch wird der Fall erst im kommenden Jahr auftauchen.“ Denn die Polizei hat ihre letzten Ermittlungsergebnisse erst Anfang dieses Jahres an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Und damit ist der Fall für die Polizei auch erst für die Statistik des Jahres 2022 relevant.

Main-Kinzig-Kreis: Unschärfe in Kriminalitätsstatistik - Tötungsdelikt fehlt

Interessante Zahlen bietet die sogenannte Grüne Broschüre dennoch. So verzeichnete die Polizeistation in Schlüchtern einen Zuwachs im Vergleich zu den Vorjahren in Bezug auf die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (2021: 25; 2020: 17; 2019: 9).

Interessanter Nebenaspekt hierzu: Die Polizei beschreibt 25 Fälle, von denen 26 geklärt wurden, was eine Aufklärungsquote von 104 Prozent entspräche. Was auf den ersten Blick unlogisch erscheint, ist schlicht und einfach die Tücke einer Statistik. Denn die Polizei hat mitnichten mehr Fälle aufgeklärt als sich ereigneten. Sondern mitunter kommt es vor, dass bei einem Fall mehr als ein Straftäter überführt wird.

Auch bei den Rohheitsdelikten (Raub, Körperverletzung und Straftaten gegen die persönliche Freiheit) war ein Zuwachs von 75 auf 86 Fälle zu beobachten: Wurden im Jahr 2020 noch 55 Körperverletzungen registriert, waren es 2021 derer 57. Auch die Anzahl der Bedrohungen ist in Jahresfrist von 14 auf 22 im Bereich der Stadt Schlüchtern gestiegen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Anzahl von Diebstählen, die im Lauf eines Jahres um 19 auf nun 100 zugenommen haben.

Kriminalitätsstatistik in Schlüchtern: Mehr Körperverletzungen registriert

Doch ist das Leben in Schlüchtern nun besonders unsicher? So viel vorneweg: nein. Die Anzahl der insgesamt registrierten Fälle ist auf einem niedrigen Stand. In der Polizeistatistik gibt es hierzu die „Häufigkeitszahl“. Diese liegt bei 3584 und errechnet sich aufgrund der Einwohnerzahl (15.847) und der tatsächlichen Zahl der erfassten Fälle (568) hochgerechnet auf 100.000 Einwohner.

Im Zehn-Jahres-Vergleich war die Anzahl der tatsächlich erfassten Fälle und auch die Häufigkeitszahl nur in den Jahren 2013 (561/3470) und 2019 (526/3305) noch niedriger.

Und auch die Aufklärungsquote liegt mit 74,3 Prozent um 2,3 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert sowie um gut 6 Prozentpunkte über dem Durchschnittswert des Polizeipräsidiums. Und bei den Rohheitsdelikten bei weit über 90 Prozent. Von solchen Werten können andere Kommunen nur träumen.

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